Das Zeitalter der Landwirtschaft

Umweltveränderungen im Zeitalter der Landwirtschaft

Auch wenn schon die Jäger und Sammler ihre Umwelt beeinflusst haben und bei ihrer Eroberung der Welt möglicherweise viele große Landtiere ausgerottet haben (siehe hier), blieb dieser Einfluss schon aufgrund der geringen Zahl der Menschen vor der Erfindung der Landwirtschaft klein gegenüber dem, was noch kommen sollte. Der Siegeszug der Landwirtschaft führte zur großräumigen Umgestaltung der Landschaft, der mit der Gründung von Städten und Staaten, mit Handwerk, Handel und Wissenschaft zunahm und mit der Kolonialisierung der Welt einen weiteren Schub erfuhr.

Foto einer Wiese

Die Ausbreitung der Landwirtschaft führte dazu, dass Natur durch Kulturlandschaft
(im Bild: eine Wiese in Mecklenburg-Vorpommern) ersetzt wurde. Foto: Ch. Pagenkopf,
aus wikipedia commons, Lizenz: cc-by-sa 3.0.

Bei einem Blick auf das Zeitalter seit Erfindung der Landwirtschaft erkennen wir einige übergreifende Entwicklungen, die es dem Menschen erlaubten, sich einen immer größeren Anteil an den Energie- und Stoffströmen der Erde zu sichern. Dies sind:

  • Neue Energiequellen: Die Zähmung von Tieren schufen eine neue Energiequelle, die der Mensch nutzen konnte, Ochsen und später Pferde übernahmen Antriebsaufgaben in Landwirtschaft und Bergbau sowie Transportaufgaben. Diese Energiequelle übertraf am Ende den Energieverbrauch des Menschen um ein Vielfaches. Neben Tieren wurden auch Menschen als Energiequelle genutzt: Die großen Zivilisationen Roms, Chinas und des Nahen Ostens hielten Sklaven. Die Nutzbarkeit des alten Brennstoffs Holz wurde erhöht, indem er in fast luftdichten Meilern zu Holzkohle verkohlt wurde, die die zum Schmelzen von Metallen notwendigen Temperaturen erreichte. Später wurde diese Energie durch Wasser- und Windmühlen ergänzt, mit denen nicht nur Getreide gemahlen, sondern auch Bergwerke entwässert, Erze zerkleinert und Eisen geschmiedet wurde. Die Windkraft wurde auch zum Transport (Segelschiffe) genutzt. (mehr)
  • Neue Werkzeuge und Spezialisierung: Die Wirksamkeit neuer Energiequellen wurde durch Werkzeuge erhöht, die denen diese besser genutzt werden konnten. Mit dem Holzpflug konnte zum Beispiel die Leistungsfähigkeit von Ochsen und Pferden deutlich erhöht werden (mehr). Der Gebrauch unterschiedlicher Werkzeuge durch den Menschen führte zugleich zu Menschen, die die unterschiedlichsten Dinge taten – die so entstehen­de Spezialisierung erhöhte die Wirksamkeit der menschlichen Anstrengungen; und führte unter anderem zu noch besseren Werkzeugen.
  • Handel: Die ökologische Tragfähigkeit einer Region wird oft durch einen begrenzenden Faktor begrenzt; eine Beschränkung, die der Handel überwinden kann. Verfügt eine Region etwa über Mineralien, aber keinen guten Boden, konnte sie mit anderen Regionen handeln, die fruchtbaren Boden, aber keine Mineralien hatte. So konnten beide Regionen menschliche Gesellschaften unterhalten.
  • Nutzung von Bodenschätzen: Bereits im Zeitalter der Landwirtschaft begann der Abbau von Bodenschätzen, etwa Erzen, die die Herstellung besserer – metallener – Werkzeuge ermöglichten – und auch von Münzen, die wiederum den Handel erleichterten.

Diese Entwicklungen hatten Folgen für die Umwelt:

Aus Natur- wird Kulturlandschaft

Mit der Erfindung der Landwirtschaft wurden die Menschen sesshaft, und damit konzentrier­te sich ihr Einfluss auf einen begrenzten Lebensraum, wo er aber deutlich stärker wurde: Material für den Hausbau und Holz zum Kochen und Heizen wurde aus der Umgebung entnommen; als der Ackerbau in zuvor bewaldete Gebiete vordrang, wurden die Wälder abgeholzt und später auch Sümpfe und andere Feuchtgebiete trockengelegt, um auf den so gewonnenen Flächen Landwirtschaft treiben zu können. Mit der Haustierhaltung wurde Einstreu und Futter aus den Wäldern gewonnen oder das Vieh zur Weide in den Wald getrieben.

Veränderung der Landnutzung in den letzten 300 Jahren

Veränderung der Landnutzung in den letzten 300 Jahren: Der Anteil
von Acker- und Weideflächen ist auf etwa 40 Prozent der gesamten
Erdoberfläche angewachsen. Abb. nach Spekrum der Wissenschaft 4/07,
Seite 29; siehe auch hier.

Die Vernichtung der Wälder war ein allmählicher Vorgang, keine Generation hat wohl große Veränderungen bemerkt; einer großräumigen Abholzung standen zunächst auch die fehlenden (metallenen) Werkzeuge entgegen. Aber auch die Brandrodung über Hunderte von Generationen wirkte sie sich schließlich deutlich aus. Von den Entstehungsgebieten breitete sich die Landwirtschaft entlang gut nutzbarer, feuchter Böden an Flüssen und Seen aus. Dank der Landwirtschaft nahm die Bevölkerung zu, und in weniger guten Jahren wurden auch nicht so gute Böden bebaut. Auf all diesen Flächen hatte zuvor Wald ge­standen. Im Laufe der Zeit wurde zudem die Metallverarbeitung erfunden (siehe hier), die einerseits selber große Mengen an Holz zur Herstellung von Holzkohle erforderte, anderer­seits metallene Werkzeuge ermöglichte, mit denen immer größerer Anteil der Naturland­schaft schließlich in Kulturlandschaft umgewandelt wurde, in der diejenigen Pflanzen vor­herrschten, die der Mensch haben wollte. Pflanzen wurden weit über ihre ursprünglichen Verbreitungsgebiete hinaus angebaut; Wildkräuter folgten ihnen – einer der Einwanderer bei uns in Mitteleuropa ist zum Beispiel der Klatschmohn. Das Ausmaß der Entwaldung ist etwa im Mittelmeerraum deutlich zu erkennen – noch zu Zeiten der Römer konnte mit den Worten des römischen Geographen Strabo ein Eichhörnchen Spanien von den Pyrenäen bis Gibraltar durchqueren, ohne den Boden zu berühren; heute sind große Teile der Länder rund ums Mittelmeer baumlos (siehe etwa das Beispiel Andalusien). So verschwanden auch die einst berühmten Zedernwälder des Libanons und Syriens, deren Holz zu Zeiten der Phönizier ein hoch begehrtes Handelsgut war. Auch in Afrika hat die Entwaldung für die Eisen­verhüttung ein erhebliches Ausmaß erreicht. Für die gesamte Welt wird geschätzt, dass vor Beginn der Industrialisierung zwischen 7 und 8 Millionen Quadratkilometer geschlossener Wald abgeholzt wurden, und dazu noch einmal 2 bis 3 Millionen Quadratkilometer offenes Wald- und Gebüschland, insgesamt also fast 30mal die Fläche von Deutschland. Diese Waldvernichtung beeinflusste möglicherweise bereits das Klima der Erde (mehr).

Schon vor der Industrialisierung waren 10 Millionen Quadratkilometer Wald abgeholzt.

Aber die Vernichtung der Wälder war nicht die einzige Umwandlung von Natur- in Kultur­landschaft. Die meisten Entstehungsgebiete der Landwirtschaft lagen in trockenen Regionen (wo es die besonders geeigneten Gräser gab); hier erkannten die Menschen bald die ertragssteigernde Wirkung der Bewässerung (siehe auch Die ersten Staaten). Auch die großen Bewässerungsprojekte wandelten Land in Ackerflächen um. Die tiefgreifendsten Umwandlung war die um die Zeitenwende beginnende Terrassierung von Reisfeldern im heutigen China und Bali; oder die Anlage von schwimmenden Anbauflächen an den Ufern flacher Seen durch die Maya in Mittelamerika. Andere Feuchtgebiete wurden trockengelegt, um Fläche für die Landwirtschaft zu gewinnen (etwa große Teile der Niederlande); und so wurden die Feuchtgebiete nach den Wäldern zum zweiten großen Verlierer der Landwirtschaft.

Webtipp: Aktuelle Kartierungsprojekte zur Darstellung des menschlichen Einflusses auf die Erde sind in einem Beitrag von Spiegel online dargestellt.

Die Landnutzung in Mitteleuropa

In Mitteleuropa nutzten die frühen Ackerbauern bevorzugt die Lössstandorte. Vor 5.000 Jahren etwa begann eine erste intensivere Lichtung der Wälder; um diese Zeit gab es auch die ersten Dörfer (siehe auch hier). Hauptgetreide war Emmer; im Norden spielte wohl die Viehhaltung eine wichtigere Rolle als der Ackerbau. 60 bis 80 Prozent des verzehrten Fleisches stammten, so wird aus Knochenfunden errechnet, vom Rind. In der Bronzezeit, die in Mitteleuropa vor etwa 4.200 Jahren begann, fielen der Brennstoff­beschaffung für die Verhüttungsindustrie große Waldflächen in den Mittelgebirgen zum Opfer. Mit der Eisenzeit und neuen Erfindungen wie dem Pflug konnte der Ackerbau auch auf lehmige Böden ausgedehnt werden; angebaut wurden nun Weizen und Gerste, Hülsen­früchte, Hanf und Lein. Nach dem Ende der römischen Kaiserzeit nahm die Bevölkerungs­dichte in Mitteleuropa wieder ab; das hat vermutlich auch mit dem damals kühler werden­den Klima zu tun. Am Ende der Völkerwanderungszeit waren wieder mehr als 90 Prozent der Fläche in Mitteleuropa mit Wäldern bestanden.

Im Mittelalter begann dann die kontinuierliche Ausbreitung der Landwirtschaft, die bis Ende des 13. Jahrhunderts anhielt. Jetzt fand die eigentliche Vernichtung der Wälder in Mitteleuropa statt: Ihr Anteil ging bis auf 20 Prozent der Fläche zurück, die zudem intensiv genutzt wurden. Nur in höheren Berglagen blieben sie erhalten, ebenso wie Moore und Sumpfgebiete sowie die überschwemmungsgefährdeten Flussniederungen. Damals scheint Mitteleuropa auch an die Grenze seiner Tragfähigkeit angekommen zu sein, pro Kopf standen gerade zwei Hektar Ackerland zur Verfügung. Das Spätmittelalter mit seiner “kleinen Eiszeit” brachte dann Mangeljahre und Hungersnöte. Die unterernährten Menschen wurden dann ein leichtes Opfer der Pestepidemie von 1348 bis 1350 zum Opfer, sie reduzierte die Bevölkerungsdichte wohl um etwa ein Drittel; viele Siedlungen wurden aufgegeben. Die Waldfläche nahm wieder auf etwa 45 Prozent der Landfläche zu. Nach dieser Zeit wurden wieder neue Wälder gerodet: Die Bevölkerung nahm wieder zu, dazu kam der Holzbedarf von Glashütten, Ziegeleien, Salzgewinnung und Köhlereien. Die Waldfläche pendelte sich schließlich auf etwa 30 Prozent ein, was auch etwa der heutige Wert ist.

Auswirkungen auf die Umwelt

Bodenerosion

Die Abholzung der Wälder setzte die Böden der Erosion aus: Starke Regenfälle konnten jetzt den Boden abtragen, der vorher von Bäumen geschützt war. Die Wälder hatten dafür gesorgt, dass Bodenerosion zuvor nur im Hochgebirge oder in Wüsten eine Rolle gespielt hatte; mit der Landwirtschaft wurde sie zu einem weitverbreiteten Phänomen, das die Land­wirtschaft selbst gefährdet (siehe auch Die Gefährdung der Böden). Bodenerosion könnte dazu beigetragen haben, dass die Zivilisation der Maya unterging: Die Maya­siedlungen lagen an Stellen mit fruchtbaren, aber erosionsempfindlichen Böden. Mit den Waldgärten entwickelten die Maya eine angepasste Landwirtschaft, aber mit steigender Bevölkerung wurde dieses System offenbar überfordert: Zu viele Wälder wurden abgeholzt, die Erosion begann und Schlamm veränderte das Bewässerungssystem. Als dann Trocken­heiten dazukamen (die auch von der Abholzung [mit-]verursacht sein könnten), war das Ende der Maya besiegelt.

Auslaugung der Böden

Die Landwirtschaft veränderte die Böden auch direkt: Ihnen wurden mit der Ernte orga­nische Substanz und Mineralstoffe entzogen. Wenn sie nicht über Düngung wieder zuge­führt wurden, verarmten die Böden. Nährstoffarmut der Böden war für die Menschen wahrscheinlich das Umweltproblem der vorindustriellen Zeit! In der Umgebung der Orte wurde das organische Material den Äckern wieder zugeführt; das dichtbesiedelte China entwickelte ein System der Fäkaliennutzung, die in den Städten in Behältern bereitgestellt und nachts abtransport wurden (weshalb sie auch “Nachterde” genannt wurden). In manchen Regionen entwickelten sich Lösungen, die über tausende von Jahren funktionier­ten, selbst in empfindlichen Gegenden: Ein Beispiel ist das Gartenbausystem, das die Chinesen im Lössplateau Nordchinas entwickelten und das 4.700 Jahre lang funktionierte. Eine dauerhafte Landwirtschaft entwickelte sich auch im Tal des Nils, das durch Schlamm aus den jährlichen Nilfluten gedüngt wurde. (Außerdem fiel der Grundwasserspiegel nach der Flut schnell genug, um eine Versalzung wie in Mesopotamien zu vermeiden.)

Überschwemmungen und Hochwasser

Mit der Abholzung veränderte sich auch der Kreislauf des Wassers: Auf Weiden und Äckern versickert mehr Wasser als in Wäldern, so dass das Grundwasser anstieg und die Flüsse mehr Wasser führten, wodurch insgesamt der Abfluss anstieg – in Mitteleuropa, so schätzt man, verdoppelte er sich vom waldreichen 6. Jahrhundert zum waldarmen 14. Jahrhundert. Zudem traten im bewaldeten Mitteleuropa außerhalb der Gebirge kaum Über­schwemmungen auf; Hochwasser sind in vielen Regionen daher ebenfalls eine Folge der Landwirtschaft. Das katastrophalste Hochwasser der Geschichte war das “tausendjährige Hochwasser” von 1342, das alle großen Flüsse Deutschlands betraf und noch viel höhere Abflussmengen als die “Jahrhunderthochwasser” an Oder (1997) und Elbe (2002, 2006) brachte – damals war auch der historisch kleinste Waldanteil in Deutschland erreicht.

Besonders drastisch waren die Auswirkungen der Entwaldung im dichtbesiedelten China: Die Hirse in Nordchina wurde auf einem Lößplateau angebaut, das leicht erodierte, nachdem die Wälder erst einmal abgeholzt waren. Riesige Mengen an Sediment gelangten so in den Huang Ho – den “Gelben Fluß”, so genannt wegen der Färbung durch die Sedimente. Im Unterlauf lagerten die Sedimente sich ab, wodurch der Fluss mehrmals seinen Lauf verän­der­te und die dadurch verheerenden Hochwasser vielen Menschen das Leben kostete.

Der frühe Schutz der Wälder

Dass Waldvernichtung zu Überschwemmungen führen kann, wurde natürlich auf früher schon bemerkt, und manchmal wurden auch Konsequenzen gezogen: So wurde im gebirgigen Japan schon im 17. und 18. Jahrhundert begonnen, das Abholzen von Wäldern an steilen Hängen zu verbieten und abgeholzte Hänge wieder aufzuforsten. Damals wurde die Grundlage für die “grünen Inseln” gelegt – Japan ist heute zu über zwei Dritteln seiner Fläche von Wäldern bedeckt.

In Europa stand hinter dem Schutz der Wälder dagegen oft die Jagd: Für den Adel wurde der Jagd ein beliebter Zeitvertreib, und zu diesem Zweck wurden Wälder geschützt. So gehen etwa der Londoner St. James Park und der Hyde Park auf königliche Jagdwälder zurück.

Bodenversalzung durch Bewässerung

Die meisten Entstehungsgebiete der Landwirtschaft lagen in trockenen Regionen (wo es die besonders geeigneten Gräser gab); hier erkannten die Menschen bald die ertragssteigernde Wirkung der Bewässerung (siehe auch Die ersten Staaten). Bewässerung kann aber langfristig katastrophale Folgen haben: Wenn durch die Bewässerung der Grundwasser­spiegel steigt, verdunstet viel Wasser – dabei bleiben die im Wasser enthaltenen Salze im Boden zurück. In trockenen Regionen kann sich eine weiße Salzschicht an der Oberfläche ablagern, die letztlich die Landwirtschaft dort beendet. Als der britische Archäologe Leonard Woolley seine Ausgrabungen in Mesopotamien begann, fragte er sich, wie das zu seiner Zeit so karge Land eine so großartige Zivilisation hervorgebracht haben sollte. Der Grund heißt vermutlich Versalzung. Darauf deuten unter anderem Keilschrifttafeln hin, die berichteten, dass “schwarze Felder weiß wurden” und “Pflanzen an Salz erstickten”. Diese Versalzung spiegelt sich auch in der zunehmenden Bedeutung der salztoleranteren Gerste: Vor 5.500 Jahren wurden Weizen und Gerste in gleicher Menge angebaut, vor 4.500 Jahren betrug der Anteil von Gerste 85 Prozent und vor 4.100 Jahren wurde nur noch Gerste angebaut. Auch die Produktionsmenge insgesamt viel, im Zeitraum von vor 4.400 bis vor 3.700 Jahren um zwei Drittel. Das historische Geschehen hatte sich längst nach Norden verschoben, wo die Landwirtschaft dank Regen weniger auf Bewässerung angewiesen war.

Auch die Induskultur litt vermutlich unter Versalzung – da ihre Schrift noch nicht entziffert ist, sind weniger Detail als zu Mesopotamien bekannt. Dazu kam dort eine starke Ent­waldung für die Anlage von Feldern und Brennholz (unter anderem für das Trocknen von Lehmziegeln): Diese Entwaldung förderte Überschwemmungen und Erosion. Fehlende Nahrungsüberschüsse machten es unmöglich, ausreichend Soldaten zu ernähren – die Induskultur wurde vor 3.900 Jahren von den Ariern besiegt (mehr).

Eine Botschaft von der Osterinsel

Auf der mitten im Pazifik gelegenen Osterinsel gab es einst eine große Kultur: Ihre Steinfiguren ziehen noch heute Touristen an. Als die Europäer die Osterinsel entdeckten, war diese Kultur aber längst untergegangen: Sie hatte ihre Lebensgrundlage, die Palmwälder, abgeholzt und versuchte nun mühsam, mit Steinen auf den Feldern den Verlust des Bodens zu stoppen. Der Mensch war auch im Zeitalter der Landwirtschaft schon in der Lage, den Ast abzusägen, auf dem er saß...
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Aussterben

Die Vernichtung ihrer Lebensräume setzte auch der ursprünglichen Tier- und Pflanzenwelt zu. Besonders auffällig war das Verschwinden der großen Tiere, die große Lebensräume brauchten: Im alten Ägypten waren bereits von 5.000 Jahren Elefanten, Nilpferde und Giraffen aus dem Niltal verschwunden, vor der Zeitenwende Tiger in Mesopotamien und Löwen und Leoparden aus Griechenland. In Europa starben mit der Ausbreitung des Ackerbaus im Mittelalter Auerochse und Wisent aus, Raubtiere wie Wölfe und Braunbären wurden in unzugängliche Bergländer zurückgedrängt.

Klimafaktor Landwirtschaft?

Möglicherweise hat der Mensch mit der Landwirtschaft auch bereits das Klima tief­greifend verändert – dies ist jedenfalls die These des emeritierten Umweltwissenschaftlers William F. Ruddiman. Danach ist die Abholzung für die Landwirtschaft dafür verantwortlich, dass seit 8.000 Jahren der Kohlendioxidgehalt der Luft entgegen dem natürlichen Trend (der vom Taumeln der Erdachse bestimmt wird) leicht ansteigt; und dass seit 5000 Jahren auch der Methangehalt ansteigt (ebenfalls entgegen dem natürlichen Trend), liegt vor allem an der in Asien beginnenden Überflutung von Feldern für den Reisanbau. Der Mensch beeinflusst also nach Ruddiman seit 8.000 Jahren das Klima, ohne diesen Einfluss wäre die Erde um fast 2 °C kühler, vermutlich hätte längst eine neue Eiszeit begonnen. Ruddiman zufolge war es also nicht der “lange Sommer”, der den Siegeszug der Landwirtschaft ermöglichte, sondern der Siegeszug der Landwirtschaft führte zum “langen Sommer”.

Der Pelzhandel

Schon die Römer hatten mit nomadischen Völkern im Gebiet des späteren Russland gehan­delt, um Pelze aus diesen Gebieten zu bekommen. Bedeutung gewann der Pelzhandel aber erst im Mittelalter: Als die Wälder Mitteleuropas in Acker- und Weideland umgewandelt wurden, wurden die großen Wälder im Norden und Osten zur Quelle für Pelze. Seit dem 9. Jahrhundert handelten die Wikinger in Kiew, und auch bei der Hanse machten Pelze einen erheblichen Anteil es Handels aus. Die Jagd auf Pelztiere war so intensiv, dass sie auch in den russischen Wäldern bald nicht mehr lohnte, und so wurden die zuvor weitgeheund unbekannten sibirischen Wälder erschlossen (mehr). Ende des 18. Jahrhunderts waren auch die sibirischen Wälder weitgehend ausgebeutet, so dass Pelze auf den nordpazifischen Inseln erbeutet wurden.

Das Zeitalter der Entdeckungen

Als die europäischen Eroberer, die aus seit Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzten Regionen kamen, neue Länder und Kontinente entdeckten – eine Entwicklung, die aus ökologischer Sicht vom Zusammenkommen von großer Bevölkerungsdichte und Ressourcen­mangel in Europa angetrieben war -, waren sie vom dortigen Wildreichtum überrascht. Wild und Vögel war für sie eine willkommene Quelle von Proviant, und so folgte auf die Ent­deckung zumeist gleich eine Aussterbewelle. Das bekannteste Beispiel ist die Ausrottung des Dodo auf Mauritius, eines einen Meter großen, flugunfähigen Vogels, der seine Entdeckung keine 100 Jahre lang überlebte.

In Nordamerika spielten auch Fallenstellerei und der Pelzhandel eine Rolle, die bald nach der Entdeckung begannen. Das Muster entsprach dem in Eurasien: War ein Gebiet ausgebeutet, zog die Fallensteller und Händler weiter, so wurde der Pelzhandel zum Motor der Erschlie­ßung des amerikanischen Westens (mehr). Ende des 18. Jahrhunderts wurden Pelztiere in Amerika so selten, dass die Exporte sanken. Ein Aufschub brachte die Erschließung des Westen bis an die Pazifikküste in Folge der Expedition von Lewis und Clark im Jahr 1805, die neuen Gebiete waren reich an Bibern und Ottern. Aber schon Mitte des 19. Jahrhunderts lohnte sich die Jagd in Nordamerika kaum noch. Als Alternative begann die Robbenjagd. Zunächst wurden in den 1780er – 1820er Jahren die Südlichen Seebären der Südhalbkugel intensiv bejagt, als diese selten wurden, kam die Reihe an Sattelrobben und Nördliche Seebären im Nordatlantik. (Daneben wurden, nachdem die Wale selten wurden, auch See­elefanten ihres Trans wegen gejagt.) Die Seebären stehen heute unter Schutz, während die Jagd auf Sattelrobben vor allem an der Nordostküste Kanadas bis heute fortgesetzt wird. Auf dem Land erfasste der Pelzhandel Südamerika (Chinchilla) und Australien (Schnabel­tiere, Beutelratten und verschiedene Wallaby-Arten); als auch diese Gebiete ausgebeutet waren, blieb nur noch die Zucht von Nerzen: Aus dieser Quelle stammen die die meisten der heute noch gehandelten Pelze.

Zu den Auswirkungen der Jagd siehe auch: Eine kleine Geschichte des Walfangs, und zum Beispiel des Bisons und der Wandertaube in Nordamerika: Eine kleine Kolonial­geschichte der USA. In Amerika trafen die Einwanderer dabei auf indigene Kulturen, die sie aber nicht verstanden: In den späteren USA bauten die Indigenen Mais, Bohnen und Kürbis in Mischkultur an, für die an den getrennten Anbau von Nutzpflanzen in ordentlichen Reihen gewohnten Einwanderer ein Beweis, dass die "Indianer", wie sie die Indigenen nannten, nichts von Ackerbau verstanden. Heute wissen wir, dass die Kombination außerordentlich clever war: Der Mais bot den Bohnen ein Gerüst, an dem sie ranken konnten, die Bohnen mit ihren stickstoffbindenden Bakterien in den Wurzeln wiederum versorgten Mais und Kürbis mit dem wichtigen Stickstoff, und der Kürbis bedeckte den Boden und hielt die Unkräuter in Schacht. Auch ergänzten sich ihre Nährstoffe: Der Mais bot den Menschen Kohlenhydrate, die Bohnen Proteine und der Kürbis Vitamine; zusammen boten die drei Pflanzen eine vollwertige Ernährung. Aber die Einwanderer hielten sich für überlegen, vertrieben die Indigenen in immer entlegenere Regionen und versuchten schließlich, ihre Kultur ganz zu vernichten (was ihnen nicht gelang, so dass die Indigenen sich heute wieder zu Wort melden – siehe hierzu zum Beispiel Robin Wall Kimmerer: Geflochtenes Süßgras.)

Zur Vernichtung der Tier- und Pflanzenwelt trugen auch die von den Europäern mitgebrach­ten Tiere bei. Vor allem Schweine verwilderten und breiteten sich in den Wäldern aus (siehe auch hier); in Australien beispielsweise leben heute über 20 Millionen wilde Schweine. Ein berühmtes Beispiel ist die Einführung des Kaninchens in Australien: Aus den 1859 ins Land gebrachten Kaninchen wurden innerhalb weniger Jahrzehnte Millionen Tiere, die zu erheb­lichen Ernteverlusten führten. Australien versuchte, mit einem den ganzen Kontinent durch­ziehenden Kaninchenzaun die Ausbreitung der Plage zu verhindern und scheiterte mit mehreren Ausrottungskampagnen. Ähnliche Folgen hatte die unbeabsichtigte Einschleppung von Mäusen und Ratten mit den Schiffen der Eroberer, so war Peru bereits in den 1570er Jahren einer regelrechten Rattenplage ausgesetzt.

Große Schäden richteten mitgebrachte Krankheitserreger nicht nur beim Menschen (mehr), sondern auch in der Natur an: So brachten italienische Truppen 1889 den Erreger der Rinderpest nach Afrika, wo er die Weidewirtschaft verheerte – etwa zwei Drittel der Massai verhungerten als Folge. In Amerika wurde die Amerikanische Kastanie beinahe ausgerottet, nachdem mit chinesischen Zierkastanien aus Asien ein Pilz eingeschleppt wurde, der den “Baumrindenkrebs” auslöst. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die amerikanische Reblaus nach Europa eingeschleppt und führte zu dramatischen Verwüstungen im europäischen Weinbau.

Umweltverschmutzung in vorindustriellen Städten

In den Städten gab es ganz eigene Umweltprobleme, die wichtigsten waren die Versor­gung mit Wasser, die Abwässer, die Abfälle und der Rauch aus den Feuerstätten. Städte konnten nur dort entstehen, wo ausreichend Wasser zur Verfügung stand. Aber schon die ersten Städte der Menschheitsgeschichte nutzten ihre Flüsse, um auf einfache Weise Abfälle zu beseitigen. Menschliche Fäkalien, Urin, tote Tiere, Abfälle – alles landete im Wasser. Der Preis dafür war hoch: Verschmutztes Wasser konnte Krankheitserreger enthalten, und bedeutete dann Krankheit und Tod. Der Zusammenhang entging den Menschen nicht, und bereits vor 4.600 Jahren finden sich im Bereich der Induskultur Kanalisationen. Auch bei der bronzezeitlichen minoischen Kultur auf Kreta gab es offenbar schon eine Kanalisation, die alten Ägypter kannten schon die Abwasser­verrieselung. Vor allem mussten Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung getrennt werden, in vielen Städten wurde daher das Wasser aus dem Umland genutzt; auch hierfür sind die minoischen Wasserleitungen eines der ältesten Beispiele, die Äquadukte der Römer das bekannteste. Später nutzte man Wasserleitungen aus Blei (in London z.B. ab 1236) oder offene Leitungen aus Holz (Breslau ab 1479). Mit dem Wasser wurden öffentliche Brunnen versorgt, von denen die Einwohner ihr Wasser holten.

In Asien sahen die Städte besser aus: Europäische Reise wunderten sich im 18. Jahr­hundert, dass die Einwohner von Peking ihre Abfälle nicht auf die Straßen schmissen, sondern in Kübeln sammelten. Diese wurden zur Düngung in der Landwirtschaft verwen­det, die so wertvolle Nährstoffe zurückbekam (siehe oben; aber auch dafür sorgte, dass Würmer und Parasiten einen geschlossenen Kreislauf nutzen konnten: Anfang des 20. Jahrhunderts litten 90 Prozent der Chinesen unter Wurmbefall). Auch die Azteken sam­melten Fäkalien für die Landwirtschaft.

Neben den Abfällen produzierten die Städte erheblichen Rauch. Offene Holzfeuer und die in England im Mittelalter beginnende Nutzung von Kohle (mehr) sorgten dafür, dass über den Städten im Winter eine Rauchwolke hing. Schon 1307 wurden die Verbrennung von Kohle in London verboten (wo sich mangels anderer Brennstoffe kaum jemand dran hielt); der Rauch in den Städten löste Augen- und Lungenkrankheiten aus.

Zu diesen Umweltproblemen kamen die der wirtschaftlichen Tätigkeiten noch hinzu: Gerbereien etwa erzeugten erhebliche Mengen an Säuren, Kalk, Alaun und Öl, die mit den nicht verwertbaren Resten der Tierhäute in den Flüssen landeten.

Die Umweltfolgen des Bergbaus

Der Bergbau brauchte nicht nur enorme Holzmengen für die Verhüttung der Erze, sondern er verwüstete auch die Landschaft (zumal in vorindustrieller Zeit vor allem Tagebau betrieben wurde) verschmutzte die Luft und vergiftete das Wasser. Diese Folgen hat auch der Vater der Mineralogie, der Naturforscher Georgius Agricola, in seinem De Re Metallica aus dem Jahr 1556 beschrieben. Noch heute kann man in der Eisdecke Grönlands die Kupfer­emissionen aus der Einführung der Kupfermünzen im Mittelmeerraum, die Bleiemissionen aus der Römerzeit und aus der Kupferverhüttung der chinesischen Song-Dynastie messen. Die 1610 eröffente Ashio-Kupfermine, die während der Tokugawa-Zeit (1603 – 1868) Japan mit einem Großteil seines Kupfers versorgte, ist ein Beispiel für die vorindustrielle Abwasser­belastung: Die Abwässer vergifteten den Fluss Watarase, der wiederum bei Überschwem­mungen 40.000 Hektar Land vergiftete.

Die Auswirkungen auf den Menschen

Neben den gesundheitlichen Folgen hatten die Veränderungen im Zeitalter der Landwirt­schaft – wie auch später während der Industriellen Revolution – auch eine oft übersehende Auswirkung auf den Menschen: Die Veränderung des Seins hat auch Auswirkungen auf das Bewusstsein. Die Arbeitsteilung, die viele Menschen von grundlegenden Aktivitäten der Lebenserhaltung abschneidet und sie von den Verteilungssystemen der Gesellschaft abhän­gig macht, fördert auf subtile Weise Konformität und Unterordnung; der Gebrauch des Geldes fördert quantifiziertes Denken und eine Einstellung, die natürliche Ressourcen und andere Menschen nach ihrem Nutzen bewertet; die Technik des Schreibens fördert die Fähigkeit zum abstrakten Denken, verringert aber das Vertrauen in das eigene Gedächtnis. Es begann eine geistige Entkoppelung des Menschen von seinen biologischen Wurzeln.

Siehe auch:
Die Industrielle Landwirtschaft
Die Umweltfolgen der Industriellen Landwirtschaft

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