Das Zeitalter der Landwirtschaft

Die Entwicklung der Landwirtschaft

Die Landwirte mussten lernen, dass die Landwirtschaft zu Bodenerosion und die Bewässerung zur Bodenversalzung führen kann; neue Werkzeuge, mehr Wissen und die Erkenntnisse der Prinzipien der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit führten aber insgesamt zu stetig steigenden Erträgen in der Landwirtschaft. Schließlich brachte die Entdeckung der "neuen Welt" ertragreiche Pflanzen wie Mais und Kartoffel in die alte Welt, die so immer mehr Menschen ernähren konnte.

Abbildung des Bildes "Die Kornernte" von Pieter Brueghel dem Älteren

Das Bild "Die Kornernte" von Pieter Brueghel dem Älteren aus dem Jahr 1565 zeigt die
Landwirtschaft im Europa des ausgehenden Mittelalters. Abb. aus wikipedia commons,
(abgerufen 11.5.2013), public domain.

Die Landwirtschaft beruhte von Anfang an aus einer komplexen Abfolge von technischen, kulturellen und sozialen Entwicklungen. Zu den technischen Grundlagen gehörte die Verbindung des jungsteinzeitlichen geschliffenen Steins mit einem Holzstiel: damit standen den Bauern Axt und Hacke zur Verfügung. Mit der Axt konnte der Ackerbau auch auf zuvor bewaldete Flächen ausgedehnt werden; es entstand ein auf Brandrodung beruhender Wanderfeldbau: um Fläche für den Anbau zu gewinnen, wurden Bäume zum Absterben gebracht, indem mit einer Axt ein ringförmiger Streifen Rinde entfernt wurde; der abgestor­bene Baum wurde angezündet. Seine Asche düngte den Boden, und an der offenen Stelle konnten Gräser wachsen. Waren die Felder nach einigen Jahren ausgelaugt oder fiel ihr Boden der Erosion zum Opfer, wurden sie durch neue Felder ersetzt.

Bald sorgten neue Entdeckungen dafür, dass die Produktivität der Landwirtschaft zunahm. Zum einen gewannen die Menschen im Lauf der Zeit immer mehr Erfahrungen mit der Land­wirtschaft, und nutzten das Wissen, um den  Anbau Schritt für Schritt zu verbessern und verfeinern. Zum anderen erleichterten neue Erfindungen die Landwirtschaft – oder erhöhten ihren Nutzen. Ein Meilenstein waren die ersten Keramikgefäße vor 8.500 Jahren, in denen man Samen und Lebensmittel sicherer lagern konnte.

Als nächstes kam die Erfindung des Hakenpfluges – vor etwa 6.500 Jahren waren von Ochsen gezogene Pflüge in der Ebene von Euphrat und Tigris weit verbreitet. Mit Ochsen und Pflügen konnten viel größere Flächen bearbeitet werden als zuvor mit Grabstock und Hacke – mit dem Pflug begann die Umgestaltung der Erdoberfläche. Die durch Bewäs­serung und Pflug mögliche Ertragssteigerung ermöglichte eine Bevölkerungsdichte, wie es sie noch nie in der Geschichte der Menschheit gegeben hatte. Bald wurden nicht mehr alle Menschen für die Feldarbeit gebraucht wurden: Handwerker konnten sich ganz darauf konzentrieren, neue Werkzeuge zu entwickeln, mit denen auch die Produktivität der Felder weiter erhöht werden konnte.

Vor über 6.000 Jahren wurde am Indus die Töpferscheibe erfunden, und damit das Prinzip der Bewegung um eine Achse genutzt. Vor ungefähr 5.500 Jahren wurde an mehreren Orten in Europa und Asien – vermutlich unabhängig voneinander – das Prinzip mit älteren Trans­port­mitteln wie Schleifen und Schlitten verbunden: Das (Wagen-)Rad war erfunden. Die ältesten Räder waren aus mehreren Teilen zusammengesetzte Holzscheiben, die auch mit Steinwerkzeugen hergestellt werden konnten. Vor 4.000 Jahren, in der Bronzezeit, ent­standen dann die ersten Speichenräder, deren größter Vorteil das geringere Gewicht war.

Unterdessen führte die Bewässerung der Felder im Süden Mesopotamiens aber zu Prob­le­men: Sie führte dazu, dass Grundwasser durch den Kapillareffekt an die Erdoberfläche gelangen konnte, wo es in der starken Sonnenstrahlung schnell verdunstete. Die im Wasser gelösten Salze blieben zurück. Während vor 5.000 Jahren noch gleich viel Weizen und Gerste geerntet wurden, machte der salzempfindliche Weizen vor 4.500 Jahren nur noch ein Drittel der Ernte aus, vor 4.000 Jahren wurde er in Mesopotamien gar nicht mehr angebaut. Keilschrifttafeln aus dieser Zeit berichteten davon, dass "schwarze Felder weiß wurden" und "Pflanzen an Salz erstickten"; 200 Jahre später betrug die Ernte in Südmesopotamien nur noch ein Drittel der anfänglichen Erträge. Weiter nördlich, wo mehr Regen den Salz zum Teil wieder aus den Feldern wusch, dauerte es länger, bis die Versalzung die Landwirtschaft schädigte, aber auch in Zentralmesopotamien brachen die Erträge vor über 3.000 Jahren ein – aus der einstigen Wiege der Zivilisation wurde eine arme Provinz des Babylonischen Reiches.

In Ägypten verhinderten hingegen die regelmäßigen Überflutungen durch den Nil die Ver­salzung des Bodens, zumal das Wasser genau zur Pflanzzeit im Herbst eintraf und nicht – wie in Mesopotamien – gespeichert werden musste. Der Nilschlamm brachte zudem Humus und Nährstoffe mit sich; die Böden konnte dadurch ununterbrochen genutzt werden, ohne die Bodenfruchtbarkeit zu gefährden. Ägyptens Landwirtschaft sollte 7.000 Jahre lang verschiedene Kulturen ernähren – erst moderne Entwicklungen gefährden die Frucht­barkeit der Böden im Niltal.

Vor rund 2.300 Jahren wurde nahe der Stadt Dujiangyan am Fluss Min (einem Zufluss des Yangzi) mit einem (heute noch funktionierenden) Bewässerungssystem das Becken von Sichuan bewässert und zu einem Zentrum der chinesischen Landwirtschaft gemacht. Im Norden Chinas führte die Abholzung der Wälder für die Landwirtschaft zu besonders starker Bodenerosion, da die Lößböden, die von den Flüssen aus dem Hochland Tibets hier abge­lagert wurden, zwar fruchtbar, aber auch sehr empfindlich sind. Seit die Landwirtschaft aus dem fruchtbaren Tal des Huanghe bei steigender Bevölkerung sich auf die angrenzenden Berghänge ausdehnte, verstärkte die Erosion sich derart, dass damals der Fluss seinen Namen "Gelber Fluss" erhielt. Um das Ackerland zu schützen, bauten die Anwohner Deiche. Dadurch konnten sich aber die Sedimente nicht mehr im Schwemmland ablagern, sondern nur noch zwischen den Deichen – wodurch das Flussbett sich laufend erhöhte. Daher mussten auch die Deiche immer wieder erhöht werden. Das war ein Wettlauf mit der Zeit, den die Menschen nicht immer gewannen: Dann brachen die Deiche, und der hoch über dem Schwemmland fließende Fluss zerstörte Städte und Dörfer und suchte sich ein neues Bett. Dies geschah mehrfach, und bei der bisher schlimmsten dieser Katastrophen starben im Jahr 1852 Millionen Menschen.

Landwirtschaft bei Griechen und Römern

In der Bronzezeit, so zeigen die Beschreibungen der Landwirtschaft aus dem antiken Grie­chen­land, etwa von Hesiod um 800 v. Chr. und Xenophon im vierten Jahrhundert v. Chr., war der einstige Wanderfeldbau hier, wo die Überschwemmungen fehlten, bereits von der Zweifelderwirtschaft abgelöst: ein Feld wurde bestellt, das andere lag brach, damit der Boden sich erholen konnte. Allerdings wurden auch die brachliegenden Felder gepflügt, so dass sie der Erosion ausgesetzt waren: im antiken Griechenland wurde viel fruchtbarer Boden von den Hängen gespült. Bereits 590 v. Chr. wurde dadurch die Ernährung Athens zu einem Problem; die Abholzung der Wälder in vorhellenistischer Zeit und den daraufhin ein­setzenden Verlust an Bodenfruchtbarkeit hat schon Platon als Ursache hierfür erkannt. Heute wissen wir, dass dort, wo heute blanker Fels anstehen oder eine dünne Bodendecke nur magere Vegetation erlaubt, vor der Bronzezeit bis zu einem Meter dicke Waldböden vorkamen. Man kann nur darüber spekulieren, welchen Anteil die nachlassende Boden­fruchtbarkeit daran hatte, dass das antike Griechenland 338 v. Chr. durch Makedonien und 146 v. Chr. vom Römischen Reich erobert werden konnte.

Im frühen Rom hatte ein sehr arbeitsintensive Landwirtschaft geherrscht: in einem cultura promiscua genannten System wurden Oliven, Weintrauben und Getreide auf dem selben Feld angebaut. Dieses war daher ganzjährig bedeckt, die Bodenerosion wurde reduziert. Nährstoffverluste wurden mit sorgfältiger Düngung ausgeglichen. Wenn Felder brach lagen, wurden Hülsenfrüchte angebaut, die mithilfe von Bakterien Stickstoff aus der Luft in den Boden bringen. Die Böden waren so fruchtbar, dass Betriebe mit ein bis zwei Hektar Land groß genug waren, um eine Familie zu ernähren. Ab 300 v. Chr. hielten aber eiserne Werkzeuge Einzug; und zur Ernährung der Ochsen, die Pflüge ziehen konnten, wurde mehr Land gebraucht. Das Pflügen der Böden an den Hängen um Rom verstärkte die Erosion; der Boden wurde ins Tal des Tiber gespült, das dadurch versumpfte – es entstanden die Pontinischen Sümpfe; und ab 200 v. Chr. trat in Rom Malaria auf.

Auch die Römer erkannten das Problem, und versuchten, die Erosion durch die Anpassung des Anbaus an die Böden zu lösen, wie etwa Cato in seinem Werk "De agricultura" be­schrieb – der zudem empfahl, "einen großen Dunghaufen" bereit zu halten. Aber die zunehmende Konzentration des Bodenbesitzes und seine Bewirtschaftung mit Hilfe von Sklavenarbeit verdrängte die arbeitsintensive cultura promiscua; die mehrmals gepflügten Getreidefelder der großen Landgüter wurden weiter von den Hängen abgetragen. Im ersten Jahrhundert n. Chr. warnte der Autor Lucius Columella in seinem zwölfbändigen De re rustica vor der schlechten Bewirtschaftung der Landgüter durch Sklavenarbeit, die die nach seiner Meinung eigentlich von den Göttern gegebene immerwährende Fruchtbarkeit der Böden gefährdete; und Plinius der Ältere prangerte ebenfalls die schlechte Bodenpflege an. Der Historiker Livius fragte sich, wie die Böden Zentralitaliens die Heere ernährt haben sollen, die einige Jahrhunderte zuvor gegen Rom gekämpft hatten. Die Folgen der Erosion sind bis heute sichtbar: der einstige römische Hafen Ostia liegt heute einige Kilometer von der Küste entfernt – die Sedimente des Tiber haben das Meer verdrängt. Bereits um die Zeitenwende musste Rom jedes Jahr 200.000 Tonnen Getreide aus Ägypten und Nordafrika importieren; der Produktion von Getreide und der Anbau von Oliven dort wurde gefördert.

Der Zwang zu hohen Erträgen und die aus diesem Grund intensivierte Landwirtschaft be­droh­te bald auch in Nordafrika und in den Provinzen im Nahen Osten die Bodenfruchtbarkeit, die Probleme des römischen Kerngebietes traten auch in den Kolonien auf. Auch dort entstanden Großbetriebe, auch dort wurden die Böden abgetragen – nur Ägypten entging dank der Überschwemmungen des Nil diesem Schicksal. Die römischen Provinzen im Nahen Osten waren um die Zeitenwende bereits vollständig entwaldet; und auch der um 200 n. Chr. in Karthago lebende Tertullian befand: "Wir sind zu viele auf dieser Erde, die Elemente sind uns kaum Nahrung genug, ...". Als die Vandalen 439 n. Chr. von Spanien aus nach Afrika übersetzten und Karthago einnahmen, hatte die Region ihre besten Zeiten hinter sich – dass sie einst die Kornkammer des römischen Reiches war, ist heute schwer vorstellbar. Welchen Beitrag die nachlassenden Erträge am Siechtum des Römischen Reiches hatte, das schließlich zu seiner Auflösung führte, ist unter Historikern umstritten – dazu beigetragen haben sie wohl auf jeden Fall.

Andere Völker des Mittelmeerraumes machten es nicht besser als Griechen und Römer: Die Phönizier holzten etwa die großen Zedernwälder ab, die auf den Hängen des Libanon einst über 5.000 Quadratkilometer bedeckten, um Ackerland zu gewinnen (und um das Holz nach Mesopotamien und Ägypten zu verkaufen).

Die Landwirtschaft in Amerika

Auch die Landwirtschaft der Maya hatte als Wanderfeldbau begonnen: Ein Stück Urwald wurde abgebrannt, die Asche sorgte für Nährstoffe, um einige Jahre lang Bohnen und Mais anbauen zu können. Nahm die Bodenfruchtbarkeit ab, wurde ein neues Stück Wald gerodet. Mit zunehmender Bevölkerung wurden auch hier immer schlechtere Lagen bestellt, und ab 250 n. Chr. begannen die Maya Terrassen anzulegen, wohl um den Boden vor Erosion zu schützen. Die Bevölkerung stieg bis etwa 900 n. Chr. weiter an, schließlich lebten mehrere Millionen Menschen im zentralen Tiefland des Maya-Gebietes. Ab 600 n. Chr. gibt es aber auch deutliche Anzeichen für starke Bodenerosion – inwieweit diese zum Ende der großen Mayastädte bald nach 900 n. Chr. beigetragen hat, ist umstritten. Eine ebenfalls als Ur­sache diskutierte Dürre dürfte aber durch die Entwaldung und den Bodenverlust zumindest verschlimmert – wenn nicht gar verursacht – worden sein.

Auch die Anasazi-Kultur im Südwester der heutigen USA beruhte auf dem Anbau von Mais, der um 1.500 v. Chr. hierhin gelangte. Lange beschränkte sich der Anbau auf Fluss­läufe und Sümpfe, aber als die Bevölkerung immer weiter wuchs, wurden die Kiefernwälder, die die natürliche Vegetation der Region darstellten, gerodet und Land bewässert, um Mais anbauen zu können. Offenbar waren ab 800 n. Chr. die nutzbaren Böden bebaut, die Menschen wurden zunehmend sesshaft. Zwischen 1250 und 1400 n. Chr. verschwand die Kultur jedoch. Auch hier gab es seit etwa 1150 n. Chr. eine Dürre, die das Ende beschleu­nigt haben mag – aber die einst kultivierten Böden sind auch derart nähr­stoffarm, dass bis heute die natürliche Vegetation nicht zurückgekehrt ist.

Dass Böden aber auch abseits der Überschwemmungsgebiete großer Flüsse ihre Frucht­barkeit nicht zwangsläufig verlieren müssen, zeigen Beispiele aus Südamerika: dort gibt es Terrassen, die seit den Zeiten der Inka vor 1.500 Jahren durchgehend bestellt werden. Brachezeiten, der Anbau von Gründünger und andere Maßnahmen traditioneller Boden­bewirtschaftung haben dieses möglich gemacht. Die Böden sind sogar nährstoffreicher als natürliche Böden.

Die Landwirtschaft in Mitteleuropa

In Mitteleuropa, wo die Landwirtschaft vor etwa 7.500 Jahren angekommen ist, breitete sich die der Wanderfeldbau von den zuerst bewirtschafteten Lößgebieten und den Sand­böden im Nordwesten im Laufe der Bronze- und Eisenzeit auch auf schwerere Böden aus; die Anbaufläche wuchs noch einmal beträchtlich. Mit Eisenwerkzeugen konnte der Wald in Mitteleuropa gerodet werden; Moore wurden trockengelegt, Meere und Flussmündungen eingedeicht. Die eiserne Pflugschar war auch für schwere Böden geeignet und verbesserte den Pflug erheblich. Mit eisernen Sicheln konnte man auch Grasland schneiden; in der Eisenzeit sind wohl auch die ersten Wiesen entstanden. Die Landwirte hielten Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und seit 4.000 Jahren Pferde, die allesamt in den Wäldern um die Siedlungen weideten. Vor 3.400 Jahren wurde die Landwirtschaft zur wichtigsten Nahrungsquelle in Mitteleuropa. Die Beweidung veränderte die nicht gerodeten Wälder, da das Vieh aufkommende Jungbäume abweidete und der Baumbestand daher lockerer wurde; andererseits aber Bäume wie Eichen und Buchen, deren Eicheln und Bucheckern Schweine mästeten, gezielt angepflanzt wurden. Auch Felder wurden beweidet: Getreide wird vor dem Strecken der Triebe, das der Blüte vorausgeht, vom Vieh wenig geschädigt, Unkräuter aber bekämpft und die Felder gedüngt. Auch in Mitteleuropa gingen Landwirtschaft und Bodenerosion Hand in Hand – aber mit geringerem Ausmaß als im Mittelmeerraum und im Nahen Osten, da die Regen hier im Frühsommer fielen und zudem weniger heftig waren.

Um die Zeitenwende war die Landwirtschaft insbesondere in den römischen Gebieten sehr verbreitet (die Römer hatten auch die Zweifelderwirtschaft nach Mitteleuropa gebracht), aber auch auf den Sandböden jenseits dieser Gebiete. Das Ende des Römischen Reichs und die Völkerwanderung führten dazu, dass viele ehemals kultivierte Flächen wieder vom Wald zurückerobert wurden. Verbesserungen der landwirtschaftlichen Technik, insbeson­dere die Übernahme der in China bereits vor der Zeitenwende erfundenen Streichbretter (mit denen beim Pflügen die Erde gewendet und Unkräuter begraben werden) und des Kumts an Stelle des Jochs (mit dem Pferde und Ochsen viel wirkungsvoller Wagen und Pflüge ziehen konnten) sowie das verbesserte Klima der Mittelalterlichen Warmzeit ließen die Einwohnerzahlen ab 800 n. Chr. aber wieder ansteigen. Die Einführung der Dreifelder­wirtschaft (die Anbaufläche wurde in drei Teile geteilt, auf einem wurde Wintergetreide, auf einem Sommergetreide angebaut und das dritte lag brach) und der Stallhaltung halfen, die Erträge der Landwirtschaft weiter zu steigern (die Stallhaltung, weil sie es erlaubte, die nährstoffreiche Gülle zu sammeln und gezielt wieder auf die Felder auszubringen). Daneben wurde systematisch neues Ackerland erschlossen: bis 1200 n. Chr. verdoppelte sich die Anbaufläche, die besten Böden waren bebaut. Die Bedeutung der Städte nahm in ganz Europa zu; in fruchtbaren Regionen wie Holland und Belgien ent­standen mächtige Stadt­staaten. 1300 n. Chr. lebten 80 Millionen Menschen in Europa. In Holland und Belgien entstand eine Fruchtfolgewirtschaft, die ganz ohne Brache auskam – Getreide wurde abwechselnd mit Hülsenfrüchten angebaut (wie wir heute wissen, beherbergen Hülsen­früchte in ihren Wurzeln Rhizobien, Bakterien, die im Unterschied zu Pflanzen den Luftstick­stoff binden können und so die Ackerböden mit dem wichtigen Nährstoff Stickstoff anrei­chern). Zunehmend mussten aber auch schlechtere Lagen bebaut werden.

Eine Hungersnot von 1315 bis 1317 und die Pestepidemie von 1347 verringerten die Bevölkerungszahl in Europa auf 50 Millionen Menschen; die Kleine Eiszeit verkürzte die Vegetationszeit. Die erschwerten Bedingungen führten zu einem verstärktem Interesse an der Landwirtschaft: die Fruchtfolgewirtschaft breitete sich aus; Düngung und Kompost­ie­rung – das römische Agrarwissen – wurden wiederentdeckt. Die Erträge der Landwirt­schaft stiegen an, 1550 lebten wieder 75 Millionen Menschen in Europa. Damit kam die Landwirtschaft erneut an eine Grenze – Nahrung wurde wieder knapp und immer teurer. Fleisch wurde zum Luxus für Reiche.

Um die Erträge zu steigern, wurden in England die zuvor gemeinschaftlich genutzte Vieh­weide zunehmend eingefriedet: Wenn man dort Futterrüben anbaute, konnte das Vieh mit Winterfutter versorgt werden und der Viehbestand erhöht werden, so dass auch mehr Dung zur Verfügung stand. Von diesem Vorgehen profitierten vor allem große Landbesitzer, die von der einstigen Gemeindeweide ausgesperrten Kleinbauern mussten aber auf Vieh dann weitgehend verzichten. Außerdem begannen die Bauern in ganz Europa, immer steilere Berge zu bewirtschaften – mussten aber schnell lernen, dass Rodungen an Steilhängen dazu führten, dass bei starken Regenschauern der Boden abgetragen wurde und schließlich nur der nackte Fels übrigblieb. Wenn die Bäume und der Boden fehlten, hielt auch nichts mehr das Wasser auf, starke Sturzbäche gefährdeten dann auch die Dörfer. So waren bereits im 18. Jahrhundert Teile der Alpen, Apenninen und Pyrenäen wieder aufgegeben.

Gerettet hatte die Europäer (und ihre Gebirge) das Zeitalter der Entdeckungen. Es war der Versuch gewesen, die Vorherrschaft der islamischen Länder im Handel mit den begehr­ten Gewürzen aus Asien gewesen, der zur Entdeckung des Seeweges nach Indien und China und der neuen Welt geführt hatte. Die Reichtümer, die mit den Gewürzen zu verdie­nen waren, weckten aber auch das Interesse an anderen Pflanzen. Bereits Kolumbus hatte (spätestens auf seiner zweiten Reise) Mais nach Europa gebracht; und der erwies sich während der kleinen Eiszeit als bestens für das Klima im Mittelmeerraum geeignet. Er breitete sich schnell aus, gelangte nach Ägypten, die Westküste Afrikas hinunter und war schon nach einigen Jahrzehnten auch in China angekommen. In Ägypten wurde er ab dem 17. Jahrhundert zur wichtigen Kulturpflanze. In Afrika sollte er eine wichtige Rolle als Nahrungsquelle des Sklavenhandels spielen – er lieferte bis zum neunfachen Ertrag von Hirse oder Sorghum. Zur wichtigsten der neuen Pflanzen aus Amerika sollte in Europa aber die Kartoffel werden. Kartoffeln ließen sich auch auf armen Böden anbauen und eröffneten der Landwirtschaft ganz neue Perspektiven, sie sollte ab dem 17. Jahrhundert – aber längst noch nicht überall – zu einem Grundnahrungsmittel werden (hier).

Im 18. Jahrhundert hielt dann die Fortschrittsidee der Aufklärung Einzug auch in die Land­wirtschaft. In England etwa teilten Agrarreformer, von denen einige in die Royal Society aufgenommen wurden, neue Entdeckungen wie die von dem englischen Agrarwissen­schaft­ler Jethro Tull 1708 entwickelte, von Pferden gezogene Drillmaschine  – Saatgut konnte mit ihrer Hilfe in der richtigen Tiefe und geraden Reihen ausgebracht, so dass benachbarte Pflanzen nicht um Nährstoffe konkurrierten und Unkraut leichter zu bekämpfen war. Der britische Politiker Lord Charles Townshend entwickelte nach seinem Rückzug aus der Politik das Vier-Felder-Fruchtwechsel, bei dem Rüben, Klee, Weizen und Gerste im Wechsel angebaut wurden; der britische Landwirt Robert Bakewell begann mit der systematischen Tierzucht. Der Ertrag der Landwirtschaft wuchs schnell – im Mittelalter hatten 4,24 Mio. Hektar Land 1.224 Tonnen Weizen geliefert, 1800 waren es 3.468 Tonnen (von 4,65 Mio. Hektar Land); die Fleischmenge bei Schafen stieg von 10 auf 38 Kilogramm, die von Schweinen von 29 auf 45 Kilogramm (1060). Und nicht nur in England, in ganz Europa gab es Agrarreformer; überall verbesserte sich die Nahrungsmittelversorgung. Das führte aber auch zu einem nie zuvor gesehenen Bevölkerungswachstum – von 1650 bis 1800 verdop­pelte sich dei Bevölkerung Europas. Die neuen Pflanzen und die technischen Verbesserun­gen sorgten dafür, dass immer weniger von diesen Menschen in der Landwirtschaft arbeiten mussten; 1800 arbeiteten in England nur mehr etwa 40 Prozent der Männer in der Land­wirtschaft. Die anderen arbeiteten zumeist als Handwerker; ländliche Manufakturen ließen  eine ganz neue, auf Fabriken beruhende Wirtschaftsform entstehen. So legte die Entwick­lung der Landwirtschaft in Europa, und an erster Stelle in England, die Basis für die nächste Stufe in der Geschichte der Menschheit: der Industriellen Revolution. Diese sollte – sehr verkürzt gesagt – darin bestehen, dass mit Maschinenkraft Industriegüter hergestellt wurden, und diese gegen Nahrungsmittel aus den Überseekolonien ausgetauscht wurden. Damit war man nicht mehr vom Anbau von Nahrungsmitteln abhängig, sondern konnte diese importieren. Diese Entwicklung begann jedoch bereits vor der Industriellen Revolution.

Die Landwirtschaft in den europäischen Überseekolonien

Die europäischen Überseekolonien hatten ebenfalls von den neuen Pflanzen aus Amerika profitiert. So wurde die Erdnuss von Südafrika bis China angebaut; im tropischen Afrika und Asien erhöhte der aus Brasilien stammende Maniok die Ausbeute der Landwirtschaft. Die europäischen Länder brachten auch ihre eigenen Pflanzen in die neu entdeckten Kontinente, vor allem Getreide, aber auch Zitrusfrüchte. Getreide sollte später die Land­wirtschaft in der Pampa Argentiniens und den Prärien Nordamerikas ermöglichen; aber auch Zucker, Kaffee und Baumwolle kamen aus der alten Welt in die neue.

Die Versorgung mit Lebensmitteln aus Kolonien hatte bereits 1649 begonnen, als Irland zur englischen Kolonie wurde. Seither wurde aus der Kolonie Rindfleisch, Getreide und Butter nach England geliefert. Kolumbus hatte dann nicht nur den Mais aus Amerika nach Europa gebracht, sondern auch das Zuckerrohr nach Amerika. Bereits Anfang des 16. Jahrhun­derts wurde es auf Hispaniola und in Brasilien angebaut. Versuche, die Einheimischen für arbeitsintensive Zuckerproduktion zu versklaven, scheiterten (vor allem, da diese gegen europäische Krankheiten nicht immun waren), und so importierten die Kolonialisten Sklaven aus Afrika. Im 17. Jahrhundert errichteten auch Briten, Franzosen und Niederländer Zuckerplantagen in der Karibik; und die zunehmende Produktion senkte den Preis des einstigen Luxusgutes. Zucker passte zudem gut zu den neuen Getränken, die aus den Kolonien kamen – Tee aus Indien und Kakao aus Amerika. Die bei der Zuckerproduktion hergestellte Melasse wurde nach Nordamerika gebracht, wo daraus Rum gebrannt wurde, ebenfalls ein hochprofitables Produkt.

Nicht nur der Anbau von Zucker, sondern auch der von Tabak in Nordamerika (mehr) begründeten die Plantagenwirtschaft und die Sklaverei in Amerika. (Die Sklaverei hatten die Europäer wie das Zuckerrohr von den Arabern übernommen: Die Spanier versklavten die Guanchen auf den Kanarischen Inseln; in den 1540er Jahren starben sie aus. Die Portu­giesen brachten erstmals Afrikaner als Sklaven auf ihre Zuckerrohrplantagen auf Madeira – damit war das System “erfunden”.) Landwirtschaft auf europäische Art und Plantagen­wirtschaft zerstörten die traditionelle Landwirtschaft der eroberten Gebiete sehr weitgehend; der Anbau wurde den europäischen Bedürfnissen angepasst: Zucker in Brasilien und den westindischen Inseln (also in der Karibik), Tabak in Nordamerika, Tee und Kaffee in Ostindien und letzterer später auch in Brasilien, wo auch Kakao angebaut wurde.

Die bei der Zuckerproduktion eingesetzten Maschinen – etwa die Walzmaschine, mit denen der Saft aus dem Rohr gepresst wurde – sollten zu Vorläufern der später in der Textil-, Stahl- und Papierindustrie verwendeten Maschinen werden. Die Arbeit in der Zucker­produktion war aber auch so gefährlich, dass sie zu den angebotenen Löhnen kaum jemand freiwillig machte – auch darum waren die Pflanzer auf Sklaven angewiesen. Die waren leichter zu überwachen, wenn sie sich auf bestimmte Aufgaben spezialisierten – in gewisser Weise wurde die Zuckerproduktion so auch zum Vorläufer der kontinuierlichen Fließband­produktion. Der so produzierte Zucker brachte bereits im Jahr 1800 etwa so viele Nahrungs­kalorien nach England, wie auf 500.000 Hektar mit Weizen bebautem Ackerland erzeugt werden konnten.

Anfänglich wurde der Import dadurch begrenzt, dass die mächtigen Landbesitzer in den "alten" Agrarländer dafür sorgten, dass Importe aus den Kolonien besteuert wurden, so dass ihre Gewinnmargen erhalten blieben. In England legten beispielsweise die Corn Laws die Importzölle fest. Nach einer Hungersnot in Irland im Jahr 1845 mussten diese aber aufgehoben werden, und danach stiegen die Mais- und Weizenimporte aus den USA steil an.
(Mehr zu diesem Thema auf der Seite: Vom Bauern zur Industriellen Landwirtschaft)

Mit der Industriellen Revolution sollten weitere Pflanzen (Baumwolle, Reis, Kautschuk­baum und Ölpalmen) und Anbaugebiete dazukommen; in dieser auf die Bedürfnisse der Kolonialherren ausgerichteten Wirtschaft sehen viele auch eine der wesentlichen Wurzeln für die bis heute anhaltende Unterentwicklung vieler dieser Länder: War eine Wirtschaft erst einmal derartig einseitig auf einen bestimmten Markt ausgerichtet, ist eine Umorien­tierung sehr schwierig.

Nächste Seite:
Die Folgen der Landwirtschaft

oder zur:
Übersicht “Das Zeitalter der Landwirtschaft”

© Jürgen Paeger 2006 – 2022

Hakenpflüge reißen den Boden nur auf, wenden ihn aber noch nicht.

Die Zerstörung der Böden im Norden Chinas untersuchte in den 1920er Jahren der amerikanische Bodenkundler Walter C. Lowdermilk, der später auf den Spuren von George Perkins Marsh auch den Nahen Osten, Nordafrika und Europa besuchte und aufgrund seiner Erkenntnisse 1939 ein 11. Gebot vorschlug: "Du sollst deine Felder vor Bodenerosion bewahren ... und deine Berge vor Überweidung durch deine Herden..."

Catos um 150 v. Chr. entstandene "De agricultura" ist sein einziges vollständig erhaltenes Werk. Es förderte eine kapitalintensive, spezialisierte Landwirtschaft und damit große Landgüter.

1864 veröffentlichte der amerikanische Botschafter in Italien, George Perkins Marsh, sein Buch "Man and Nature", in dem er die kahlen Hänge des Mittelmeerraums als Folge der Abholzung der Wälder und des nachlässigen Umgangs mit Boden beschrieb und vermutete, dass die großen Kulturen des Nahen Ostens durch Entwaldung und Bodenerosion zugrunde gegangen sind. Das Buch fand in den USA große Beachtung und trug zur Entstehung der ersten Nationalparks bei. Heute gilt es als eine der historischen Ursprünge der Umweltbewegung.

Kartoffeln wurden auch deshalb lange nicht ge­gessen, da sie fremd­artig waren. Zudem wurden sie nicht in der Bibel erwähnt, woraus manche Geistlichen schlossen, dass Gott nicht wolle, dass sie gegessen werden.

Auch ihr Aussehen irri­tierte: Sie erinnerten an die Finger von Lepra­kranken, was zu der Vorstellung führte, sie könnten Lepra ver­ursachen.

Mit der Zeit, nachdem Hungersnöte die Menschen zwangen, Kartoffeln zu essen, entdeckten sie, dass diese nahrhaft und gesund waren.