Das Zeitalter der Landwirtschaft

Ernährung, Gesundheit, Bevölkerung

Die Landwirtschaft erlaubte es, wesentlich mehr Menschen zu ernähren. Obwohl die Ernährung einseitiger wurde und die Ausbreitung der Landwirtschaft und die Zunahme des Handels auch viele neue Krankheiten entstehen und sich über große Teile der Erde ausbreiten ließ, wuchs im Laufe der Zeit die Bevölkerung erheblich an.

Das Wachstum der Weltbevölkerung im Agrarzeitalter

Die Entwicklung der Bevölkerung im Agrarzeitalter: Seit der Erfindung der Landwirtschaft bis zum Beginn der Industriellen Revolution wuchs die Menschheit von 4 bis 8 auf 800 Millionen Menschen. Eigene Abbildung.

Frühe Landwirtschaft: Mangelernährung, Krankheiten – und der Weg zur Besserung

Vor der Erfindung der Landwirtschaft hatte im Laufe der menschlichen Evolution der Anteil von Fleisch an der Ernährung ständig zugenommen. Zusammen mit der Nutzung des Feuers hatte es entscheidenden Anteil an der Menschwerdung. Mit dem Übergang zur Landwirtschaft nahm die Bedeutung der angebauten Pflanzen für die menschliche Ernäh­rung zu. Dies waren vor allem Getreidearten: Einkorn, Emmer, Gerste und später Weizen im Fruchtbaren Halbmond, Hirse und Reis in Ostasien, Mais in Mittelamerika. Damit wurde die Ernährung der Bauern aber weniger vielseitig und weniger ausgewogen als die der Jäger und Sammler. Selbst heutige Wildbeuter (die kein guter Vergleich sind, da sie in unwirtliche Regionen abgedrängt worden sind und sehr wahrscheinlich schlechter ernährt sind als früh­ere Jäger und Sammler) sind besser ernährt als frühe Ackerbauern; es gibt bei ihnen keine verbreitete Mangelernährung (wohl aber – und davon kann man auch bei früheren Jägern und Sammlern ausgehen – einen begrenzten Parasitenbefall, der auf ungenügend gekochtes Fleisch und unsauberes Trinkwasser zurückgeht). Mangelernährung scheint es auch früher nicht gegeben zu haben. Die frühen Bauern hingegen waren kleiner als die Jäger und Samm­ler vor ihnen. Man hat bei ihnen zudem horizontale Streifen im Zahnschmelz [404] gefun­den, die auf Ernährungsstörungen hindeuten, und auch anhand der Knochen konnten verschiedene Krankheiten, die auf Mangelernährung zurückgehen, festgestellt werden: Blutarmut durch Eisenmangel ist in Amerika nachgewiesen, seit Mais einen großen Anteil an der Ernährung hat; in China war bereits vor 4.000 Jahren Beriberi verbreitet, eine Mangelkrankheit, die auf Vitamin-B1-Mangel bei Ernährung mit überwiegend geschältem Reis zurückgeht; und Skor­but, ausgelöst durch Vitamin-C-Mangel, ist seit 3.500 Jahren in Ägypten nachgewiesen [406].

Offenbar fehlten in der Nahrung der frühen Ackerbauern Nährstoffe. Wie wir heute wissen, fehlen beispielsweise in Mais die Aminosäuren Lysin und Tryptophan sowie das Vitamin Nia­cin; eine einseitige Maisernährung führt daher zu einer Mangelerkrankung namens Pellagra. Vor spätestens 3.500 Jahren entdeckten die Azteken das Gegenmittel: Wenn Mais mit Calcium­hydroxid (Holzkohlenasche oder zerstoßene Muschelschalen) eingeweicht wird, wird Niacin gebildet; und der gemeinsame Verzehr von Mais mit Bohnen ergänzt die fehlenden Aminosäuren. So wurde schließlich die Entstehung von Pellagra vermieden. Auch anderswo lernten die Bauern im Laufe der Zeit, wie Mangelernährung vermieden werden konnte, und ihre Gesundheit verbesserte sich. In manchen Regionen, etwa im Niltal [408], war sie bereits vor 4.000 Jahren besser als die früherer Jäger und Sammler; anderswo, etwa in Griechenland und der Türkei, sind noch heute die Menschen kleiner als ihre Vorfahren in der Steinzeit [410].

Zu den knappen Nährstoffe gehörte auch Salz, das in pflanzlicher Nahrung nicht ausreich­end vorhanden ist. Salz ist für Menschen lebensnotwendig; es spielt eine zentrale Rolle im Wasserhaushalt, für das Nervensystem und bei der Verdauung. Der Körper eines Erwachs­enen enthält ca. 250 Gramm Salz; ein bis drei Gramm davon – und bei starkem Schwitzen wesentlich mehr – gehen täglich durch Ausscheidungen, etwa mit Urin und Schweiß, ver­loren und müssen ersetzt werden. Bei Wildbeutern reicht die Nahrung hierfür aus. Bei zunehmend pflanzlicher Ernährung sind aber zusätzliche Salzquellen nötig; pflanzen­fressende Tiere suchen daher "Salzlecken" und andere Salzquellen auf (wenn sie vom Menschen in Gehegen gehalten werden, müssen sie ebenfalls mit Salz versorgt werden).

Salz ist aber nicht nur ein Nährstoff, sondern auch eines der ältesten Konservierungsmittel für Nahrung. Manche Nahrungsmittel – wie Getreide – konnten mit einfacher Trocknung haltbar gemacht werden, für andere – Gemüse, Fleisch und Fisch – brauchte man Salz. Beim Herstellen von Sauergemüsen verhindert Salz unerwünschte Fäulnis, bis Milchsäure­bakterien die Glucose aus den Pflanzen in Milchsäure umwandeln, die Gemüse haltbar macht. Auch Fisch und Fleisch können durch Einsalzen haltbar gemacht werden (hier verhindert Salz das Wachstum von Mikroorganismen); mitunter wird auch die Lufttrocknung durch vorheriges Einsalzen erleichtert.

Die Entstehung des Salzhandels

Aber nicht überall, wo der Mensch sesshaft wurde, gab es ausreichend Salz. Salz wurde daher mit dem Übergang zur Landwirtschaft zum ersten Gut, das in großen Mengen über große Entfernungen gehandelt wurde. So wurde am Salzsee von Yuncheng in der chine­sischen Provinz Shanxi schon vor 8.000 Jahren Salz abgebaut [412]. Die alten Ägypter, die wohl als erste Fisch und Fleisch durch Einsalzen konservierten, dampften zur Salz­gewinnung im Nildelta Meerwasser ein, erhielten es auch aus Äthiopien und Libyen; die Phönizier gründeten die Stadt Sfax im heutigen Tunesien als Handelshafen für Salz und Salzfisch [412]. In Nordeuropa war Salz das wichtigste Handelsgut der Kelten (die ebenfalls Fleisch einsalzten und wahrscheinlich den Schinken erfanden). Salz war so wichtig, dass schon frühe Staaten – in China bereits vor 4.000 Jahren – es als Quelle von Einkünften entdeckten: Mit einer Steuer auf Salz war fast jeder gezwungen, sich an der Finanzierung des Staates zu beteiligen.

Neue Krankheiten

Nach der Zähmung und Domestizierung von Wildtieren lebten zudem Menschen eng mit diesen Tieren zusammen, zahlreiche Tierkrankheiten konnten damit auf den Menschen überspringen: Die Pocken beispielsweise haben sich wohl bereits vor 12.000 Jahren [414], also ganz zu Beginn der Landwirtschaft, im Nordosten Afrikas aus den Kuhpocken ent­wickelt. Die sechste der zehn Plagen, die nach der Bibel Ägypten geplagt haben sollen, ein "Geschwür, das Blasen schlägt", dürften die Pocken gewesen sein; die Plagen sind zwar historisch nicht belegt, aber Hautnarben, wie sie die Pocken hinterlassen, wurden an Mumien aus der 18. bis 20. Dynastie sowie an der von Ramses V. gefunden. Von dort sind sie nach Indien gelangt, wo ihre Symptome aus Sanskrit-Texten um 400 v.u.Z. erwähnt werden; China erreichten die Pocken erstmals um 250 v.u.Z. mit den Hunnen; dort heißen sie auch "Hunnenpocken" [416]. Römische Legionäre brachten sie sehr wahrscheinlich im Jahr 165 n. Chr. nach Europa, wo sie die “Antoninische Pest” ("Pest" war damals ein allgemeiner Ausdruck für Seuche) auslösten, die geschätzt 7 bis 10 Millionen Menschen das Leben kostete. (Vermutlich ging sie auf einen Pockenaus­bruch in China 161/162 zurück – ein Hinweis auf die Bedeutung der Handelsrouten auch für die Ausbreitung von Krankheiten.) Wie viele "alte" Epidemien entwickelten sich auch die Pocken im Laufe der Zeit in Teilen ihres Gebietes zu einer endemischen Krankheit, die weniger Menschen tötete (aber immer noch tödlich war, wenn sie auf eine Bevölkerung traf, die sie nicht kannte, wie sich während der Kolonialisierung Amerikas zeigte). Aber im Fall der Pocken wurde diese – aus noch ungeklärten Gründen – ab Mitte des 17. Jahrhunderts wieder gefährlicher: in London verursachten sie acht Prozent der jährlichen Todesfälle, Mitte des 18. Jahrhunderts sogar schon doppelt so viele, sie lösten damit die Pest als gefährlichste Infektionskrankheit ab.

Die Pest ist schon vor einigen Tausend Jahren entstanden [420] und war lange eine Krankheit der Nagetiere in der asiatischen Steppe. Das Pest­bakterium (Yersinia pestis) kann von Flöhen von Ratten auf Menschen übertragen werden; die Pest war vermutlich in den asiatischen Steppen eine endemische (regelmäßig auftretende) Krankheit. Die offene Kulturlandschaft und die gelagerten Vorräte zogen dann mit der Entwicklung der Landwirtschaft auch Tiere nach Europa, die zuvor nicht heimisch waren: so kamen aus Asien die Hausmaus und die Hausratte nach Europa. Hier traf die Pest auf eine Bevölkerung, die ihr noch nie ausgesetzt war, und so konnte sie zur Epidemie werden. Die erste nachgewiesene Pestepidemie ist die Justitianische Pest, die im Jahr 542 in Konstantinopel ausbrach (ver­mutlich wurde sie aus Indien nach Ägypten und von dort mit einem Getreideschiff nach Konstantinopel gebracht). In den rattenverseuchten Hafenstädten des oströmischen Reiches starben ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung. Im Jahr 610 erreichte die Pest mit einem Schiff aus Indien den chinesischen Hafen Kanton: ein Viertel der Bevölkerung starben. Die verheerendsten Folgen hatte aber die Pestepidemie im Mittelalter. Sie war in Zentralasien ausgebrochen und breitete sich von dort nach China aus, und von dort über Krim und Mittelmeer nach ganz Europa. In Europa starben etwa ein Drittel der damaligen Bevölkerung am “Schwarzen Tod” – 20 bis 25 Millionen Menschen. Für die nächsten 350 Jahre kehrte die Pest regelmäßig wieder.

Die Masern sind nach genetischen Analysen wohl im 4. Jahrhundert v.u.Z. aus dem Erreger der Rinderpest entstanden [430]; Beschreibung der Masern finden sich seit dem 7. Jh. Der persische Arzt Rhazes beschrieb sie im 10. Jahrhundert als "gefürchteter als die Pest" [432]. Da die Krankheit sich durch direkten Kontakt oder Tröpfcheninfektion ausbreiten, profitierten sie von der hohen Bevölkerungsdichte in den entstehenden Städten. Immer wieder gab es im Mittelalter Masernepidemien mit vielen Todesopfern, wobei lange die Abgrenzung von anderen Krankheiten mit ähnlichen Symptomen wie den Röteln schwierig war; sie gelang erst im 17. Jahrhundert dem englischen Arzt Thomas Sydenham während einer Masernepidemie in London.

Die älteste bekannte Infektionskrankheit ist jedoch die wahrscheinlich von der Rinder­tuberkulose abstammende Tuberkulose. Eine verwandte Form ist möglicherweise schon beim Homo erectus aufgetreten und die heutige Tuberkulose hat dem modernen Menschen schon bei seinem Auszug aus Afrika begleitet. Am häufigsten ist die Lungentuberkulose, und da sie durch eingeatmete Aerosole übertragen werden kann, profitierte sie der Sesshaftig­keit des Menschen und der Entstehung immer größerer Städte. Im 17. Jahrhundert war die Schwindsucht, wie sie damals genannt wurde, in großen Städten wie London vermutlich schon für etwa 20 Prozent der Todesfälle verantwortlich. Da die Krankheit sich wesentlich langsamer entwickelt als etwa die Pest und unauffälliger ist als die Pocken, rief sie viel weniger Schrecken hervor – aber an ihr starben mehr Menschen. Ebenso vom Rind stammte die als "Würgeengel der Kinder" bekannte Diphterie (eine Erkrankung der oberen Atem­wege) ab; die Grippe stammt von Schweinen und Vögeln ab (Grippeepidemien gab es seit dem 16. Jahrhundert – il male mattone (die "wütende Krankheit") in Italien), die seit 4.000 Jahren bekannte Lepra ("Aussatz") vom Wasserbüffel. Das seit dem 16. Jahrhundert in Europa als "Kriegs-und Elendsseuche" gekannte Fleckfieber wird von Läusen übertragen.

Auch die häufigste Tropenkrankheit, Malaria, ist in ihrer heutigen Ausprägung eine Folge der Landwirtschaft. Die Malaria kommt in vier Formen vor, die alle von einzelligen Parasiten der Gattung Plasmodium verursacht werden. Die gefährlichste Form, "Malaria tropica", die für die allermeisten Todesfälle durch Malaria verantwortlich ist, wird durch Plasmodium falciparum verursacht. Dieser Parasit begleitet den Menschen vermutlich seit der Zeit der Vormenschen. Größere Malariaepidemien konnten aber erst entstehen, nachdem der Mensch begonnen hatte, in den tropischen Wäldern Westafrikas Feldbau zu betreiben [442]. Hier entstanden besonnte Pfützen, in denen Mückenlarven der Gattung Anopheles heranwachsen konnten. Diese Mücken fanden im tropischen Regenwald aber kaum Säugetiere, bei denen die Weibchen Blut saugen konnten, das sie für die Entwicklung ihrer Eier brauchen, dafür aber – bedingt durch den Feldbau – immer mehr Menschen. Die Art Anopheles gambiae spezialisierte sich daher auf den Menschen als Blutlieferanten. Anopheles-Mücken sind aber nebem dem Menschen der zweite Wirt im komplexen Vermehrungszyklus von Plasmodium falciparum; und bei diesem Erreger profitierten nun aggressive Varianten von dem großen "Angebot" an Menschen: erst jetzt wurde "Malaria tropica" zur gefährlichen heutigen Form. Anopheles gambiae gelang es auch, sich in Savannengebiete auszubreiten (möglicherweise nach einer Kreuzung mit Anopheles arabiensis, die ebenfalls Plasomodium falciparum übertragen kann) – und konnte sich in die asiatischen Tropen und Subtropen ausbreiten. Schließlich schaffte es die Malaria tropica auch in Regionen rund um das Mittelmeer, kurz vor der Zeitenwende erreichte sie Italien. Im 5. Jh. gab es eine Malaria-Epidemie bei Rom. Im Mittelalter breitete sich die Krankheit über Mitteleuropa bis nach Südengland aus, in Deutschland waren vor allem das Oberrhein- und das Bodenseegebiet betroffen. Entweder schon durch europäische Seeleute oder durch afrikanische Sklaven gelangte die Malaria im 16. Jahrhundert auch nach Amerika, wo sich der Erreger schnell verbreitete. Mit dem Vordringen der Landwirtschaft nach Westen in Nordamerika gelangte auch die Malaria etwa in das Tal des Mississippi, mit den Goldsuchern im 18. Jahrhundert ins Innere Brasiliens.

Die tropische Wurmkrankheit Schistosomiasis (Bilharziose) wird durch Larven von Pärchen­egeln übertragen und hat durch die Bewässerungslandwirtschaft (Arbeit in Bewässerungskanälen) stark zugenommen – heute sind etwa 250 bis 300 Millionen Menschen davon befallen.

(Siehe auch: Der Kampf gegen die Infektionskrankheiten im Industriezeitalter.)

Bevölkerungswachstum, neue Essgewohnheiten
– und immer wieder Hunger

Der Nährstoffmangel angebauter Nahrung konnte mit zunehmendem Wissen und Handel weitgehend ausgeglichen werden; und die Menschen entwickelten im Laufe der Zeit Abwehrkräfte gegen die neuen Krankheiten, die mit der Tierhaltung und der höheren Bevölkerungsdichte einhergingen. Daher wurde die Bevölkerungsentwicklung auf längere Sicht von der Produktivität des Ackerbaus bestimmt: Die Landwirtschaft konnte im Vergleich zur Wildbeuterei mehr Menschen von einem gegebenen Stück Land ernähren (hier). Diese erhöhte “Tragfähigkeit” des Landes wurde auch genutzt: bekamen die Frauen der Jäger und Sammler nur alle drei bis vier Jahre ein Kind (mehr kleine Kinder hätten die Nomaden auf ihren Wanderungen behindert), nahm die Kinderfolge bei den sesshaften Bauern zu – hier waren viele Kinder ein Vorteil; Arbeitskräfte wurden immer gebraucht. Im Zeitraum von vor 9.000 Jahren bis vor 6.500 Jahren verdoppelt sich die Menschheit. Und die Landwirtschaft wurde immer produktiver: Die nächste Verdoppelung der Bevölkerung dauerte nur noch 2.000 Jahre, die darauf folgende 1.500 Jahre.

Mit dem Entstehen hochentwickelter Zivilisationen veränderten sich auch die Essgewohn­heiten besonders der Eliten: Brot, Getreidebrei und Bier waren in Mesopotamien und im alten Ägypten Grundnahrungsmittel, darüber hinaus wurden in Mesopotamien schon vor 3.700 Jahren Äpfel, Birnen, Feigen, Dattel, Trauben und Gewürze wie Koriander und Kümmel auf dem Markt gehandelt; in Ägypten waren vor 4.000 Jahren schon sechs Rebsorten bekannt. Im antiken Griechenland waren ebenfalls Brot und Getreidebrei sowie Gemüse die wichtigsten Nahrungsmittel, dazu kamen als Eiweißquelle (im Landesinneren gesalzene) Fische und die Fischsauce gáros, die zugleich als Salzquelle diente: sie wurde aus Fisch und Salz hergestellt (das Salz verhinderte ähnlich wie bei der Herstellung von Sauergemüse, dass der Fisch faulte). Fleisch spielte eine geringe Rolle, und wurde meist gekocht, um den Verlust des nahrhaften Fettes zu reduzieren. Ähnlich sah die Küche der Römer aus: Ein­fache Römer lebten von Brot und Getreidebrei, Oliven und Gemüse, dazu Käse, gesalzenem Fisch und der Fischsauce garum, eine weiterentwickelte Variante der griechischen gáros. Aber die wohlhabenden römischen Patrizier liebten eine Küche mit exotischen Zutaten, die ihren Wohlstand zeigte – so wurde diskutiert, ob die Geschlechtsorgane einer jungfräulichen Sau besser seien als die einer Sau, die schon einmal Ferkel geworfen hat. Schinken wurden aus Frankreich und Deutschland, Austern aus Britannien und Stör aus dem Schwarzen Meer eingeführt. Begehrt war bei sehr reichen Römern auch die Purpurschnecke, aus der eigent­lich der begehrte Purpur-Farbstoff gewonnen wurde – dieses hatten die Römer von den Phöniziern gelernt.

Salz blieb weiter eine begehrte Zutat: Oliven müssen in eine Salzlake eingelegt werden, um genießbar zu werden; und Salzfisch wurde entlang der gesamten Mittelmeerküste herge­stel­lt: besonders beliebt war der nach phönizischem Vorbild in Andalusien, Sizilien und am Schwarzen Meer hergestellte eingesalzene Rote Thunfisch, aber auch Arten wie die Sardine (die ihrem Namen der Insel Sardinien verdankt, wo sie in großen Mengen eingesalzen wurde). An der Mittelmeerküste, vor allem in Nordafrika, Spanien und Portugal wurde die salzige Fischsauce garum hergestellt: kleine Fische und die Innereien von Fischen wurden mit Salz vermischt und mit verschiedenen Kräutern in die Sonne gestellt; nach zwei bis drei Monaten wurde der vergärte Brei ausgefiltert – die verbleibende Flüssigkeit war die be­gehrte Fischsauce. Garum galt im römischen Reich fast als Medizin, und in der Regel wurden Speisen nicht mehr am Tisch gesalzen (zumal Gemüse ohnehin durch Einsalzen konserviert wurden), sondern mit garum beträufelt.

Salz war auch für die Herstellung zweiter Spezialitäten aus Norditalien notwendig, die wohl ebenfalls bereits seit römischen Zeiten hergestellt wurden: Parmesan und Parmaschinken. Das Weideland der Po-Ebene bildet die südliche Grenze der Milchproduktion in Europa. Das Geheimnis der Käseherstellung – die Zugabe von Lab – wurde vermutlich früh entdeckt, da Flüssigkeiten (also auch Milch) früher oft in Tierhäuten transportiert wurden; und schon die Römer kannten viele verschiedene Käsesorten. Neben Frischkäse (Ricotta) wurden dabei durch Tunken in Salzlake dauerhaft haltbare Hartkäse hergestellt, darunter ein Käse, der als Reggiano-Parmigiano (nach der Herkunft aus der Region zwischen Reggio und Parma, dt. Parmesan) bekannt wurde. Die Molke aus der Käseherstellung wurde zur Schweinemast verwendet; und da in der Region um Parma trockene Luft eine Lufttrocknung der eingesalz­enen Schinken ermöglichte, entstand hier eine besondere, als Parmaschinken bekannt­gewordene Spezialität. Für den Parmaschinken konnte Salz aus der Region genutzt werden (der Ort Salsomaggiore war die wichtigste Salzquelle, heute ist er ein Kurort), für die Parmesanherstellung wurde Meersalz bevorzugt. Der Handel mit Salz und den Produkten der Region bildete die Grundlage für den Reichtum benachbarter italienischer Handelsstädte wie Venedig und Genua – Venedig verkaufte Salz aus der Lagune von Chioggia, Genua brachte Salz aus Sardinien in die Poebene.

Die allererste "Globalisierung"

Ab dem 7. Jahrhundert brachte die Ausbreitung des Islams einen verstärkten Austausch zwischen den Landwirtschaftsregionen in Asien und Europa. Die wichtigste Pflanze für die Zukunft der Landwirtschaft sollte das Zuckerrohr werden, dass mit den Arabern nach Europa gelangte (mehr). Aber auch Hartweizen sollte in Nordafrika (Couscous) und Italien (Nudeln) eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie Zitrusfrüchte (Orangen, Zitronen, Limetten), die im 10. Jahrhundert Spanien erreichten, und neue Gemüsearten wie Spinat und Auberginen.

Ohnehin waren die Jahre ab dem ausgehenden 8. Jahrhundert eine gute Zeit für die Land­wirt­schaft: Die mittelalterliche Warmzeit, die bis ins 13. Jahrhundert anhielt, ließ die Erträge wachsen; die Norweger konnten Island und Grönland besiedeln und dort Land­wirtschaft betreiben; in England wurde Wein angebaut, der Ackerbau breitete sich (zum Leidwesen der Schafhirten) bis nach Schottland aus.

Nord- und Mitteleuropa

Im Nordeuropa der Germanen und Kelten – zu dem die Po-Ebene überleitete – spielte Fleisch eine größere Rolle als im Mittelmeerraum: Neben den in Wäldern gemästeten Schweinen wurde auch intensiv gejagt und gefischt. Mit den Völkerwanderungen nahm die Bedeutung des Getreideanbaus in Nordeuropa und die des Fleischverzehrs im Süden zu. Im Frankenreich lebten der arme Teil der Bevölkerung von Roggenbrot, aber auch Gerste- und Hirsebrei (mit Getreidebrei konnte man das herrschaftliche Mühlen- und Backofen­monopol umgehen), Fisch und Geflügel sowie auf dem Land Speck ergänzten die Nahrung. Je reicher die Menschen waren, desto mehr Fisch und Fleisch aßen sie. Dabei nahm auch die Rinderhaltung – und die Bedeutung von Milch und Käse – zu. Aber die schnelle Ent­wicklung der Landwirtschaft im Hochmittelalter (mehr) führte auch dazu, dass die Ab­hängigkeit der Menschen von der Landwirtschaft und vor allem dem Ackerbau stieg: immer mehr Menschen waren von immer weniger Pflanzen abhängig. Schlechtes Wetter und eine schlechte Ernte konnten schon eine Hungersnot bedeuten, zwei schlechte Ernten hinter­einander eine Katastrophe.

Hunger

Der Hunger war noch lange nicht besiegt; Details über diese Entwicklung sind am ehesten aus Europa, aber auch aus China bekannt. In Frankreich hatte es zwischen 970 und 1100 – also während der eigentlich ertragreichen mittelalterlichen Warmzeit – 60 Hungerjahre gegeben; in China gab es im Zeitraum von 108 v. Chr. bis zum Jahr 1910 in genau 1.828 Jahren in mindestens einer Provinz eine Hungersnot – also in mehr als 9 von 10 Jahren; Hungersnöte waren fast eine Konstante.

Die Abhängigkeit der Menschen von der Landwirtschaft zeigte sich besonders deutlich, als die mittelalterliche Warmzeit zu Ende ging: In China starben zur Zeit der Mongolen­herrschaft mehrere Millionen Menschen an einer Hungersnot. In Mitteleuropa verdarb im Jahr 1315 Regen die Frühjahrsaussaat, die Ernte war nur halb so gut wie üblich. Die Menschen mussten im Winter ihr Saatgut essen, und selbst wer einen Teil davon verschon­te, war nicht gerettet: Auch das Jahr 1316 war verregnet, und die Hungersnot hielt bis 1317 an. Es war die größte des europäischen Mittelalters; die Preise für Weizen stiegen auf ein Mehrfaches, Tiere wurden geschlachtet, da es keine Futtermittel mehr gab, und verendete Tiere wurden gegessen – mit der Folge von Krankheitsausbrüchen. Das war noch nicht das Schlimmste: Zahlreiche Berichte zeugen von Kannibalismus, der mitunter organi­siert war – in Schlesien beispielsweise wurden hingerichtete Gefangene verspeist. Am Ende hatte auch in Europa die Hungersnot Millionen Menschen das Leben gekostet.

Anschließend ging es Mitteleuropa besser – was aber auch daran lag, dass nach der Pest­epidemie von 1347 bis 1352 die Bevölkerungszahl stark zurückgegangen war. Zwischen 1430 und 1850 führte die Abkühlung in Europa zur sogenannten "Kleinen Eiszeit"; diese führte zur Aufgabe der Landwirtschaft auf Grönland und zur Halbierung der Bevölkerung Islands, in Schottland wurde der Ackerbau und in England der Weinanbau aufgegeben. Die Bevölkerung wuchs dennoch weiter. Der Hunger kehrte zurück: in der Toskana litten die Menschen zwischen 1351 und 1767 in 111 Jahren Hunger. (Und in China führten Krankheits­epidemien von 1586-89 und 1639-44 jeweils zum Tod eines Fünftels der Bevölkerung.)

Die Bevölkerung wächst

Die Landwirtschaft schrie geradezu nach mehr Menschen – mehr Menschen konnten größere Flächen beackern und mehr ernten, führten also zu höheren Erträgen. Höhere Erträge erlaubten wieder höhere Bevölkerungsdichten. Gemeinschaftsarbeiten machten große Bewässerungsanlagen möglich, die weiter die Erträge steigerten – je nach Intensivierungsgrad konnten nun zehn, fünfzig, einhundert Mal so viele Menschen von einem Stück Land leben wie zu Zeiten der Jäger und Sammler. Im Jahr 1500 lebten 400 bis 500 Millionen Menschen auf der Erde – und die Menschheit wuchs (mit einer Wachstumsrate von gut 0,1 Prozent im Jahr, die einer Verdoppelung der Weltbevölkerung in 900 Jahren entspricht) weiter.

Die Folgen des Zeitalters der Entdeckungen

Im 15. Jahrhundert begann ein Zeitalter der Entdeckungen, in dessen Folge Europäische Seefahrer den Seeweg nach Indien und Amerika entdeckten. Hintergrund war, dass der lukrative Handel mit Gewürzen aus "Indien" in der Hand zahlreicher, überwiegend arabischer Zwischenhändler war, die alle mitverdienen wollten und Gewürze im Verlauf ihrer langen Reise nach Europa sehr teuer machten.

Die Anziehungskraft der Gewürze

Schon im Jahr 408, als die Westgoten Rom belagerten und die Stadt nur gegen ein Lösegeld wieder freigaben, bestand dieses Lösegeld nicht nur aus Gold, Silber und Seide, sondern es gehörte auch eine Tonne Pfeffer dazu. Pfeffer war in Rom so wertvoll, dass die Pfefferkörner pro Stück verkauft wurden. Die Nutzung von Gewürzen ist uralt: In Mexiko ist die Verwendung von Chili schon vor 9.000 Jahren belegt; Gewürze wie Knoblauch, Oregano oder Myrrhe wurden schon in Sumer und im alten Ägypten verwendet. Nach Europa sind sie über die Griechen und die Römer gelangt. Im Mittelalter wurden ein­heimische Gewürze und viele von den Römern eingeführte Kräuter in Klostergärten und Reichshöfen angebaut, die Gewürze aus dem Orient blieben aber weiter begehrt und ließen Handelsstädte wie Venedig, die nach den Kreuzzügen zu einem wichtigen Handelsplatz für Orientgewürze geworden war, aufblühen.

Was aber hat die Gewürze so beliebt gemacht, dass die Leute bereit waren, fast jeden Preis für sie zu bezahlen? Dazu gibt es zwei Erklärungen (die sich gegenseitig nicht ausschließen): Zum einen gaben die Gewürze den faden und wenig abwechslungsreichen Gerichten des Mittelalters Geschmack. Menschen können nicht lange immer die gleichen Lebensmittel essen können – ein sinnvoller Schutz vor einseitiger Ernährung; und Gewürze halfen den Menschen daher, mehr Gefallen an ihrer Nahrung zu finden. (Nebenbei, so wird manchmal ergänzt, konnten sie auch den Geschmack von möglicherweise verdorbenem Fleisch überdecken, das man sonst nicht mehr runtergekriegt hätte – aber das erscheint angesichts des hohen Preises von Gewürzen eher unwahrscheinlich: wer sich Gewürze leisten konnte, konnte sich auch frisches Fleisch leisten). Die andere Erklärung vermutet, dass möglicherweise gesunde Inhaltsstoffe in den Gewürzen für ihre Beliebtheit gesorgt hätten – insbesondere die Fähigkeit, Bakterien und andere Krankheitserreger abzutöten. Diese ist etwa bei Knoblauch, Zimt und Kumin nachgewiesen. Das könnte auch erklären, warum oftmals in heißen Ländern besonders scharf gewürzt wird – dort ist die Wahrscheinlichkeit, dass Krankheitserreger in den Lebensmitteln sind, deutlich größer.

Der hohe Preis könnte aber auch dazu geführt haben, dass manchmal Gewürze einfach als Statussymbol verwendet wurden.

Die auf die Entdeckung folgende Eroberung Amerikas war nur möglich, weil die Erreger von Pocken, Masern und Fleckfieber, die die europäischen Eroberer mit sich brachten, bei den Ureinwohnern Amerikas, die diese nicht kannten, verheerende Folgen hatten. Mit den Sklaven aus Afrika gelangten später unter anderem auch Gelbfieber (und setzte etwa in der Karibik vor allem der europäischstämmigen Bevölkerung zu), Denguefieber und Malaria nach Amerika. Umgekehrt hat den Weg nach Europa wohl nur die beim Geschlechtsverkehr übertragene Syphilis genommen – und sogar hier ist der amerikanische Ursprung mittlerweile umstritten [480].

Krankheitserreger waren nur die erste Stufe des beginnenden Austausches, ihnen folgte – angeregt durch die enormen Gewinne im Gewürzhandel – die Pflanzen. Die Entdecker brachten in Amerika angebaute Pflanzen nach Europa; und diese veränderten die Land­wirtschaft und damit die Ernährung. Mais wurde in Südeuropa sehr schnell populär, da er schon im Sommer reif wurde; die Ernährung insbesondere der Armen verbesserte sich deutlich. Aber der zunehmende Maisverzehr schuf auch Probleme nach Europa gebracht; viele Menschen litten unter der (erst im 18. Jahrhundert erkannten) Mangelkrankheit Pellagra: das Wissen der Azteken über die richtige Zubereitung von Mais war nicht mit nach Europa gelangt (wo es erst in den 1970er Jahren verstanden wurde). In Afrika sollte Mais eine wichtige Rolle als Nahrungsquelle des Sklavenhandels spielen – er lieferte bis zum neunfachen Ertrag der einheimischen Getreide Hirse oder Sorghum. Ebenso schnell wie Mais verbreitete sich der Chili. Chili wurde von den Portugiesen nach Asien gebracht; und da die Pflanze sich – anders als Pfeffer – leicht in anderen Regionen anbauen, aber ähnlich ver­wenden ließ, wurde sie in Asien schnell sehr populär. (Heute gehören Chili und der ebenfalls aus Südamerika stammende Koriander zu den "typisch" asiatischen Gewürzen und ist etwa Bestandteil der indischen Curry-Zubereitungen.) In Europa wurden mildere Paprikasorten bevorzugt, die vor allem die südeuropäische Küche veränderten – in Ungarn wurden sie als Bestandteil von Gulasch gar zum Nationalgericht.

Andere Pflanzen brauchten länger, bis sie akzeptiert wurden. Die Kartoffel etwa wurde zunächst wegen ihrer schönen Blüten nur als Topfpflanze gehalten; sie galt als ungeeignet zum Verzehr, da sie zu den giftigen und rauschauslösenden Nachtschattengewächsen gehört und es immer wieder zu Vergiftungen durch den Verzehr von Beeren oder Blättern kam. Aber es gab auch das Gerücht, dass sie ein Aphrodisiakum sei, und daher bauten Pfarrer und Apotheker sie an, um ihre Heilwirkung zu erforschen. Dabei erkannten sie auch die Eignung der gekochten Knollen als Nahrungsmitte. Spätestens seit Beginn des 17. Jahrhunderts wurde sie in Irland angebaut, für dessen ärmere Böden sie bestens geeignet war. Nachdem Irland 1649 von den Engländern erobert und in Plantations eingeteilt wurde, belieferten die neuen Landbesitzer vor allem die Überseekolonien mit Lebensmitteln (und später England mit Rindfleisch); die irischen Bauern wurden auf diese schlechten Böden verdrängt. So wurde die Kartoffel bis Ende des 17. Jahrhunderts zum Hauptnahrungsmittel der Iren. Von hier aus breitete sich ihre Gebrauch in Teile Englands, Frankreichs, der Niederlande, des Rheinlands und Preußens (wo Friedrich der Große nach einer Missernte 1740 den Kartoffelanbau forderte) aus. Im Siebenjährigen Krieg, als Österreich, Frankreich und Russland gegen Preußen kämpften, erkannten auch deren Soldaten den Wert der Kartoffel – ein Apotheker der französischen Armee, Antoine-Augustin Parmentier, erhielt später sogar von Napoleon den neu eingeführten Orden der Ehrenlegion für seine Verdienste um die Verbreitung der Kartoffel in Frankreich.

Auch die Tomate, ebenfalls ein Nachtschattengewächs, stieß zunächst in Europa auf Misstrauen – zumal sie auch noch in Verdacht stand, der Apfel gewesen zu sein, von dem einst Eva im Paradies gekostet hatte. Als erste trauten sich wohl die Italiener, sie Mitte des 17. Jahrhunderts zusammen mit Chili als Gewürz zu verwenden, und erst im späten 18. Jahrhundert tauchte die Tomate in ersten Rezepten auf. (So "typisch italienische" Gerichte wie Tomatensaucen zu Nudeln oder Pizza mit Tomatensaucen wurden erst im 19. Jahrhun­dert entwickelt.) Mit Italienern ist die kulinarische Nutzung der Tomate dann auch in die USA gelangt (wo sie 1872 von dem Deutschamerikaner Henry John Heinz zur Grundzutat seines Ketchup-Rezeptes gemacht wurde. Bis dahin war Ketchup in den USA eine Sammel­bezeichnung für alle Saucen, die mit Essig herstellt wurden – der historische Ursprung liegt im China des 16. Jahrhunderts, wo ke-tsiap eine dunkle Sauce aus eingelegten Schalentieren bezeichnete).

Aber im Laufe der Zeit führten diese Pflanzen aber zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge. Kartoffeln ließen sich auch auf armen Böden anbauen und eröffneten der Land­wirtschaft ganz neue Perspektiven; in manchen Regionen Europas (etwa in Irland) lösten sie das Brot in seiner Bedeutung ab.

Diese Zunahme an landwirtschaftlichen Nutzpflanzen verringerte die Abhängigkeit von einzelnen Pflanzen; und manche der neuen Pflanzen waren auch vitaminreich, so dass sie gegen Mangelkrankheiten wirkten. Auch in den Kolonien angebaute und eingeführte Genuss­pflanzen wie der Kakao und der Tabak veränderten die (Ernährungs-)Gewohnheiten der Menschen und gewannen große wirtschaftliche Bedeutung.

Aber nicht nur Pflanzen wurden zwischen den Ländern ausgetauscht, auch Nutztiere. Diese veränderten in den neu entdeckten Ländern das Leben der Ureinwohner: Schafe wurden in den Anden und Mexiko allgegenwärtig, in Australien lebten Ende des 19. Jahr­hunderts 100 Millionen dieser Tiere. Rinder weideten in den Grasländern Südamerikas und Australiens; alleine in der südamerikanischen Pampa waren es um 1700 geschätzte 50 Millionen Tiere. Pferde machten es in Nordamerika möglich, sogar Bisons zu hüten: So entstand die Pferde-Bison-Kultur der Prärieindianer. Die eingeführten Tiere trugen aber gleichzeitig zu einer massiven Umweltveränderung bei: Einheimische Gräser konnten die Beweidung meist nicht aushalten und wurden durch europäische Gräser ersetzt (siehe auch hier).

Immer noch Hunger in Europa

Währenddessen war Europa weiter im Griff der “Kleinen Eiszeit”, und trotzt der neuen Pflan­zen kam es immer wieder zu Hungersnöten: so in den Jahren 1594 bis 1597 zu einer ganz Europa umfassenden Hungersnot; 1693/94 verhungerten in Nordfrankreich 10 Prozent der Bevölkerung. Besonders betroffen von dieser Kältephase waren die skandinavischen Länder, in Finnland verhungerte 1696/97 ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung. Die Hungersnot 1709/10 wirkte sich bis nach Preußen aus; und 1739-41 führte schlechtes Wetter in Irland zu Ernteausfällen, die 500.000 Menschen das Leben kosteten. Auch wenn die Menschen nicht hungerten, litten sie unter Mangelernährung – die Folgen sind noch heute an den niedrigen Türen und Decken von Häusern aus dieser Zeit zu erkennen. In Südeuropa wurden vor allem die Winter kälter (was auch sein Gutes hatte, denn die kalten Winter töteten Schädlinge ab). Die letzte große ganz Europa umfassende Hungersnot gab es 1816/17, als der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien den Sommer zusätzlich abkühlte und die Folgen der Napoleonischen Kriege die Situation weiter verschärfte.

Im Juni 1845 wurde aus Amerika die Kartoffelfäule eingeschleppt, die im Jahr 1846 zu einem völligen Ernteausfall in Irland führte. Die Folgen wurden durch politische Fehlentscheidungen noch verstärkt (die Regierung wollte nicht in die Selbstregulierungsmechanismen des freien Marktes eingreifen), und über eine Millionen Menschen starben entweder an Hunger oder den darauf ausbrechenden Krankheiten. Eine weitere Million Menschen wanderte aus, ihnen folgten bis Ende des Jahrhunderts noch drei Millionen Menschen (mehr).

Die Menschheit wächst weiter

Für die Bevölkerung der Erde brachte das Zeitalter der Entdeckungen also zwei folgenreiche Entwicklungen mit sich: Die europäischen Seefahrer trugen Krankheitserreger mit sich, die die Ur­einwohner in Nord- und Südamerika sowie in Australien in großer Zahl töteten; zum anderen brachten sie Feldfrüchte in alle Weltgegenden, was die Nahrungsmittelversorgung verbesserte und etwa in Europa die Folgen der “Kleinen Eiszeit” abmilderten. Zunächst glichen sich diese beiden Entwicklungen weitgehend gegenseitig aus, das Wachstum der Bevölkerung blieb langsam; zu Beginn der Industriellen Revolution lebten etwa 800 Millionen Menschen auf der Erde. Auch diese gehörte indirekt auch zu den Folgen der Landwirtschaft.

Zum Verlauf der Bevölkerungsentwicklung im Industriezeitalter:
Die Bevölkerung der Erde

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Umweltveränderungen im Zeitalter der Landwirtschaft

© Jürgen Paeger 2006 – 2020

Um das knappe und teure Salz zu sparen, wurde in China zum Würzen von Speisen eine Sauce verwendet, die aus in Salzlake fermentiertem Fisch bestand – ähnlich dem garum aus dem Mittelmeerraum. In China wurden dem Gemenge aber Soja­bohnen zugegeben, und als später der Fisch weggelassen wurde, war die Sojasauce erfunden [412]. Die Herstellung beruht auf der Milchsäuregärung, mit der in der chinesi­schen Küche auch zahlreiche andere Gemüsearten haltbar gemacht wurden (und werden). Auch "Tau­send­jährige Eier" werden in einer Salzlake fermentiert.

Im Becken von Sichuan gab es auch Solequel­len: hier wurde vor 1.800 Jahren erstmals Erdgas, das aus eini­gen Brunnen aufstieg, zum Eindampfen der Salzsole eingesetzt – die älteste bekannte Nutzung dieses Brenn­stoffs.