Hintergrundinformation

Von Newton zu Einsteins Universum

Galilei, Newton und die klassische Physik

Im Jahr 1687 hatte Isaac Newton in seiner bahnbrechenden Philosophiae Naturalis Principia Mathematica, mit der er die klassische Mechanik und die moderne Physik begründete, aufbauend auf den Ergebnissen von Kepler und Galilei die Bewegung von Körpern auf der Erde und die Bahn der Planeten um die Sonne erklärt: Newton sah, dass Aristoteles sich geirrt hatte, der glaubte, dass (bei "bei erzwungenen Bewegungen") eine Kraft notwendig war, um einen Gegenstand (Körper) in Bewegung zu bringen und zu halten. Aristoteles Meinung entspricht zwar der Alltagserfahrung (ein rollender Wagen kommt zum Stehen, wenn er nicht weiter angeschoben wird), aber Newton merkte, dass es Kräfte waren, die den Wagen abbremsen (Reibung und Luftwiderstand). Er erkannte, dass Körper eigentlich ihre Bewegung immer beibehalten (062), und daher eine Kraft notwendig ist, um ruhende Körper in Bewegung zu versetzen oder die Geschwindigkeit oder Richtung bewegter Körper zu ändern. Die entscheidende Größe war für Newton damit die Beschleunigung (das Abbremsen eines Körpers ist nichts anderes als eine negative Beschleunigung); diese wurde von einer "Kraft" ausgelöst. Newton erkannte auch, dass die Beschleunigung bei gleichbleibender Kraft von der Masse des Körpers abhängt (510). Woher kamen aber diese "Kraft", die Körper in Bewegung setzen konnten? (Es war der berühmte, von einem Baum fallende Apfel, der Newton ursprünglich zu der Beschäftigung mit dieser Frage gebracht haben soll.) Newton vermutete, dass Körper sich gegenseitig anziehen: der Apfel wird von der Erde angezogen, und die Erde vom Apfel. Die Anziehung ist proportional zu der Masse, deshalb fällt der Apfel in Richtung Erde. Newton fragte sich auch, wie diese Anziehungskraft sich mit zunehmender Entfernung veränderte – würde sie auch bis zum Mond reichen? Er berechnete, dass sie dies tat (wobei sie mit dem Quadrat ihres Abstandes abnahm). Warum aber blieb der Mond, viel größer und schwerer als ein Apfel, dann nicht auf die Erde, sondern blieb am Himmel? Newton vermutete, eine andere Kraft ziehe den Mond hinaus in All; und die beiden Kräfte höben sich auf, weshalb der Mond auf seiner Bahn blieb. Diese "andere Kraft" fand er, indem er sich mit der Bahn des Mondes beschäftigte: Auch eine Kreisbahn (515) erfordert eine Beschleunigung, da sich der Körper ohne die ständige Richtungsänderung geradlinig bewegen würde. Mit der Kreisbewegung hatte sich Christiaan Huygens beschäftigt, daher konnte Newton die Beschleunigung berechnen: sie beträgt 9,8 m/s² – exakt der gleiche Wert, den Galilei für den freien Fall auf der Erde ermittelt hatte. Das konnte kein Zufall sein, sondern zeigte für Newton, dass die ins All ziehende Gegenkraft, die "Zentrifugalkraft" tatsächlich die gesuchte Kraft war, die die "Schwerkraft" aufhob und somit den Mond auf seiner Bahn hielt. Und nicht nur den, sondern auch die anderen Planeten auf ihrer Bahn um die Sonne und die Monde des Jupiter auf der Bahn um diesen. Mit dieser Kräften konnte Newton das Verhalten von Körpern überall im bekannten Universum beschreiben, von fallenden Äpfeln auf der Erde bis zur Bahn von Planeten. Sie erklärte Keplers Planetenbahnen, die jetzt aber mit den von Newton aufgestellten drei Bewegungsgesetzen leichter zu berechnen und vorherzusagen waren.

Auf Galileo Galilei geht auch das klassische Relativitätsprinzip zurück, auf dem Newtons Vorstellungen aufbauten: Dinge bewegen sich immer relativ zueinander, ihre Geschwindigkeiten können addiert werden - wenn sich zwei Autos mit jeweils 50 km/h begegnen, beträgt die relative Geschwindigkeit zwischen ihnen 100 km/h. Ein zentraler Aspekt des Relativitätsprinzips ist, dass in jedem gleichmäßig bewegten System (z.B. auf einem fahrenden Schiff) die gleichen Naturgesetze wie in einem ruhenden Körper gelten und es keinen "bevorzugten Ruhezustand" gibt. Dies hat aber eine logische Folge: Es gibt auch keinen absoluten Raum. Um dieses zu verstehen, hilft ein Gedankenexperiment in der Art, wie es später Albert Einstein anstellen sollte (Abb. 1): Ein Tischtennisball, der in einem fahrenden Zug immer wieder auf dieselbe Stelle eines Tisches springt, würde sich für einen Beobachter auf dem Bahnsteig, da der Zug sich in der Zwischenzeit ja bewegt, in einer Zickzacklinie bewegen:

Abb. 1: Skizze (a) zeigt die Bewegung eines Tischtennisballs in einem fahrenden Zug, wie sie ein Beobachter im Zug sieht. Skizze (b) zeigt denselben Tischtennisball aus der Sicht eines Beobachters am Bahnsteig: Er sieht einen Ball, der sich in einer Zickzacklinie fortbewegt.

Da keiner der Zustände bevorzugt ist, sind beide Beschreibungen richtig: der Ball springt immer wieder auf dieselbe Stelle, bzw. die Aufschlagstelle bewegt sich vorwärts – der Raum ist also keine absolute Bezugsgröße. Newton selbst weigerte sich, diese Konsequenz seiner Gesetze hinzunehmen, er glaubte noch an einen absoluten Raum als Bezugssystem aller Bewegungen; ein absoluter Raum ist eine großer, leerer Behälter, eine Art Riesenschachtel für das Universum, in dem Orte mit dem (von dem französischen Mathematiker und Philosophen René Descartes entwickelten) kartesischen Koordinatensystem eindeutig bestimmt werden konnten. In diesem verläuft die Zeit gleichförmig, und tatsächlich war die Zeit die einzige feststehende Größe in Einklang mit Newtons Gesetzen. Es ist aber verzeihlich, dass Newton das Problem nicht sah: er starb noch vor der Erfindung der Eisenbahn; einem Verkehrsmittel, in dem man Tischtennis spielen könnte. Sie wäre aber wohl ohnehin zu langsam gewesen, als dass der Effekt irgendjemanden aufgefallen wäre.

Das änderte sich erst, als schnellere  Bewegungen ins Spiel kamen – was bei der Beschäftigung mit Elektronen und der Lichtgeschwindigkeit geschah. Schon Newton hatte durchaus gewusst, dass seine Schwerkraft nicht die Erklärungen für alle Bewegungen war: Dinge bewegen sich auch dann, wenn sie nicht fallen. So konnten etwa Glasstäbe, die gerieben wurden, Papierschnipsel anziehen; Magnete konnten sich anziehen oder abstoßen (diese Phänomene wurden Anfang des 18. Jahrhunderts gerne von Gauklern auf Jahrmärkten vorgeführt). Beide Phänomene schienen zusammenzuhängen: 1820 hatte der dänische Naturforscher Hans Christan Ørsted bemerkt, dass eine Kompassnadel ausschlug, wenn ein elektrischer Strom eingeschaltet wurde. Es gab also offenbar eine Kraftübertragung, ohne dass Strom und Kompassnadel verbunden waren. Der britische Naturforscher Michael Faraday erklärte dieses durch unsichtbare Felder, die er durch Eisenfeilspäne sichtbar machte (genauer dargestellt ist diese Entdeckung auf der Seite Der Aufbau der Materie).

1864 gelang es dem englischen Physiker James Clerk Maxwell, Faradays Felder physikalisch zu deuten. Mit seinen Gleichungen beschrieb er die elektromagnetischen Felder; damit hatte er Elektrizität und Magnetismus zur elektromagnetischen Wechselwirkung (eine der vier Grundkräfte) zusammengeführt und die "Klassische Elektrodynamik" begründet; gleichzeitig hatte er erkannt, dass auch Licht eine elektromagnetische Welle ist. Die von Maxwell errechnete Geschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen war aber eine Konstante; Licht bewegten sich also nach Maxwell im Vakuum mit einer konstanten "Lichtgeschwindigkeit". Und dies passte nicht zu Newtons Theorie, nach der es keine absolute (sondern nur relative) Geschwindigkeit geben konnte. Um diesen Widerspruch zu lösen, arbeiteten die meisten Wissenschaftler (auch Maxwell) mit einer Hilfskonstruktion namens „Äther“, der das ganze Universum durchdringen sollte; die Lichtgeschwindigkeit sollte relativ zu diesem Äther zu verstehen sein. Daraus folgte aber, dass nach dem klassischen Relativitätsprinzip Licht seine Geschwindigkeit ändern müsste, je nachdem, ob es sich mit, gegen oder quer zum den Äther bewegte. Dies wurde aber 1887 von Michelson und Morley widerlegt: Sie zeigten in einem Experiment, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Richtungen gleich war - der Äther hatte offenbar keinen Einfluss. (Oder er war nicht zu messen: der niederländische Physiker Hendrik Lorentz vermutete, dass von der Erdbewegung ausgelöste "Ätherwinde" die Messgeräte mechanisch zusammendrückten, und zwar im gleichen Maßstab wie die Lichtgeschwindigkeit, so dass deren Änderung nicht zu messen wäre.)

Dann kam Einstein: Die Spezielle Relativitätstheorie

1905 (530) erklärte dann Albert Einstein, die ganze Vorstellung vom Äther und Ätherwinden sei überflüssig, und die konstante Lichtgeschwindigkeit sei mit der klassischen Relativitätstheorie vereinbar, wenn man die Vorstellung von der absoluten Zeit aufgibt: Zwei Beobachter können nämlich unabhängig von ihrer eigenen Geschwindigkeit gegenüber der Lichtquelle die gleiche Lichtgeschwindigkeit messen, wenn die Zeit bei beiden unterschiedlich schnell vergeht. Im Prinzip kann man dieses wieder mit dem Gedankenexperiment von oben verstehen; diesmal wird aber der Tischtennisball durch einen Lichtstrahl ersetzt, der zwischen zwei Spiegeln hin und her springt (Abb. 2): Dieser bewegt sich für einen Beobachter im Zug mit Lichtgeschwindigkeit, für den Beobachter auf dem Bahnsteig legt er jedoch in der gleichen Zeit eine längere Strecke zurück, wäre also schneller:

Abb. 2: Bei diesem Szenario würde das Licht für den Beobachter vom Bahnsteig einen längeren Weg zurücklegen, sich also in Skizze (b) mit höherer Geschwindigkeit als in Skizze (a) ausbreiten. Abbildung nach Singh, Big Bang, S. 121.

Das ist aber mit der konstanten Lichtgeschwindigkeit nach Maxwell ausgeschlossen; Einsteins Lösungsvorschlag hieß: Im Zug muss die Zeit langsamer vergehen. Zu dieser Erkenntnis kann man noch auf einem anderen Weg gelangen: Dass Licht eine gewisse Zeit braucht, um vom Bild zum Auge eines Betrachters zu kommen, hatte schon im 17. Jahrhundert der dänische Astronom Ole Rømer erkannt. Von der Sonne zur Erde braucht es beispielsweise acht Minuten. Würde die Oberfläche der Sonne die Zeit anzeigen, würde sich das Bild auf dem Weg zur Erde nicht verändern und auf der Erde eine Zeit anzeigen, die acht Minuten hinter der Zeit auf der Erde zurück wäre. Die Zeit reist gewissermaßen mit dem Licht; bei Lichtgeschwindigkeit bleibt die Zeit stehen! (Schneller als die Zeit kann das Licht sich nicht bewegen, denn sonst könnten wir in die Zukunft sehen – und deswegen kann es in diesem Universum auch keine Bewegung schneller als die Lichtgeschwindigkeit geben.) Was durch Einstein neu hinzukommt, ist dass mit zunehmender Geschwindigkeit die Zeit immer langsamer vergeht, bis sie eben bei Lichtgeschwindigkeit stehenbleibt.

Aber das ist noch nicht alles: Wenn der Beobachter im Zug einen Lichtstrahl betrachtet, der auf dem Bahnsteig zwischen zwei Spiegeln hin und her springt, sieht er den längeren Weg. Aus seiner Sicht müssen die Uhren auf dem Bahnsteig langsamer gehen! Entscheidend ist also die Geschwindigkeit gegenüber dem Beobachter, oder in der Sprache der Physik: die relative Bewegung zwischen Beobachter und gleichmäßig bewegtem Bezugssystem. Je größer die relative Bewegung ist, desto langsamer verstreicht die Zeit. Dieser Vorgang wird Zeitdehnung oder Zeitdilatation genannt (533). Aus ähnlichen Überlegungen ergibt sich noch eine weitere Konsequenz: Da Geschwindigkeit Strecke pro Zeit ist (und daher z.B. in Einheiten wie Kilometer pro Stunde (km/h) gemessen wird), muss bei langsamer verlaufender Zeit die Strecke kürzer werden; Längen verkürzen sich also ebenfalls mit zunehmender Geschwindigkeit – dieses Phänomen (das wir oben schon am Beispiel des Tischtennisballs erahnt haben) wird Längenverkürzung oder Längenkontraktion genannt (535). Zeitdehnung und Längenverkürzung gelten in beide Richtungen; es ist egal, ob der Beobachter oder der Bezugszeitraum (oder beide) sich bewegen. Zeit und Raum sind also beide relativ, und ihre Veränderbarkeit ist miteinander verknüpft.

Eine vierdimensionale Raumzeit

Hieraus ergab sich für Einstein (mit Unterstützung seines früheren Lehrers, dem Mathematiker Hermann Minkowski) eine logische Konsequenz: Er verknüpfte Raum und Zeit zu einem vierdimensionalen, Raumzeit genannten Gebilde. Aus der relativen Zeit ergäbe sich nämlich andernfalls eine Folge, die auch Einstein lange Zeit Probleme bereitete: Wenn einer von zwei Zwillingen mit einer Rakete für zwei Jahre fast mit Lichtgeschwindigkeit durch das Weltall flöge, wäre er hinterher zwei Jahre älter - sein auf der Erde zurückgebliebener Zwillingsbruder aber um 20 Jahre gealtert. Dies erstaunt ihn sehr, denn für den Reisenden vergeht ja die Zeit auf der Erde langsamer, wie für den Zugreisenden im Beispiel oben die Zeit auf dem Bahnsteig - müsste daher nicht sein Bruder jünger geblieben sein? Dieses Beispiel ist als Zwillingsparadox bekannt geworden; die mathematische Lösung des Problems fand aber jener Hermann Minkowski mit der vierdimensionalen Raumzeit. Den Raum kann man mit drei Koordinaten (Länge, Höhe, Breite) beschreiben (Abb. 3), bei der Raumzeit kommt eine vierte, die Zeit, dazu. Der Clou: Wenn man sich nur in einer Dimension bewegt, wird die gesamte Bewegung nur dort erkennbar. Steigt etwa ein Luftballon in einem Raum um einen Meter nach oben, ändert sich nur die Höhenkoordinate – das gesamte „Guthaben“ an Strecke wird hier verbraucht.

Abb. 3: Dreidimensionales Koordinatensystem. Ein aufsteigender Ballon ändert nur seine Höhenkoordinate, die anderen Werte bleiben gleich.

Genau so funktioniert es auch in der vierdimensionalen Raumzeit: Wer sich sehr schnell bewegt, verbraucht viel „Raumzeit-Guthaben“ an Länge, Höhe oder Breite; aber wenig an Zeit – daher bleibt der reisende Zwilling jünger. Wer dagegen ruht, verbraucht ausschließlich „Zeit-Guthaben“, er wird schneller älter. (Wobei mit “sehr schnell bewegen” Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit – 300.000 km/s – gemeint sind; auf der Erde verjüngen daher selbst häufige Flugreisen nicht... Aber dass wir uns im Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit nur langsam bewegen können, sorgt im Zusammenspiel mit der Entropie dafür, dass wir stetig älter werden.)

E = mc²

Ein paar Wochen nach seiner ersten Arbeit reichte Einstein noch einen dreiseitigen Text nach, der die wohl berühmteste Gleichung der Welt enthielt: E = mc² (550). Auch diese Formel ergab sich rein logisch aus der Speziellen Relativitätstheorie im Zusammenhang mit Maxwells Gleichungen, und sie zeigt, dass massehaltige Körper nie Lichtgeschwindigkeit erreichen können: Bei sehr hohen Geschwindigkeit nimmt durch die Bewegungsenergie die Masse eines Körpers stark zu, nahe der Lichtgeschwindigkeit würde die notwendige Energie für eine weitere Beschleunigung unendlich. Die Masse ist also ein Maß für die im Körper enthaltene (aber so gut versteckte, dass sie bis dahin nicht entdeckt wurde) Energie. Einstein berechnete auch, wie viel Energie in einem Gramm Masse steckt: die Menge war gigantisch. Diese Erkenntnis sollte unter anderem die Grundlage für die Atombombe und die Atomkraft werden.

Einsteins Artikel zur Relativitätstheorie machten nach ihrem Erscheinen Furore. Die lange bekannten Widersprüche zwischen der Newtonschen Physik und den Maxwell-Gleichungen wurden damit höchst elegant aufgelöst. Die Newtonsche Mechanik musste neu formuliert werden (in dem Zuge wurden auch das elektrische und das magnetische Feld zu einem elektromagnetischen Feld verschmolzen, Maxwells vier Gleichungen konnten vereinfacht werden). Obgleich hieran beteiligt, grübelte Einstein schon an dem nächsten Problem: die Theorie war mit einem weiteren Aspekt von Newtons Gravitationstheorie unvereinbar – wenn plötzlich die Sonne verschwände, würde die Erde nach Newton augenblicklich aus ihrer Bahn fliegen. Das Verschwinden der Sonne wäre also ohne Zeitverzögerung zu spüren; nach der Speziellen Relativitätstheorie kann sich aber nichts, auch nicht die Schwerkraft, im Universum schneller als das Licht ausbreiten. Diesen Widerspruch sollte erst die Allgemeine Relativitätstheorie von 1915 lösen.

Auf dem Weg zur Allgemeinen Relativitätstheorie

Einstein hatte aber noch eine anderes Anliegen: die Spezielle Relativitätstheorie gilt nur für gleichbleibende Bewegungen (daher auch der spätere Zusatz “Spezielle”. Physiker reden übrigens statt von gleichbleibenden Bewegungen meist lieber von “inertialen Bezugssystemen”). Einstein wollte nun aber auch nicht gleichbleibende – also beschleunigte – Bewegungen in die Theorie einbeziehen. Beschleunigung ist nach Newton das Ergebnis einer Krafteinwirkung. So eine Kraft erzeugt beim Auto ein Motor, beim freien Fall die Schwerkraft. Die ist aber anders: je schwerer ein Auto ist, desto mehr Kraft braucht der Motor; die Schwerkraft, so hatte Galilei gezeigt, beschleunigt alle Gegenstände unabhängig von ihrem Gewicht gleich stark. Wie kann das sein? Um dieses herauszufinden, nahm Einstein die Schwerkraft genauer unter die Lupe: Sie kommt, wie Newton ja erkannt hatte, in zwei Formen vor: beim freien Fall oder bei den Fliehkräften. Fliehkräfte bewirken auf Spielplätzen, dass Kinder auf einer sich drehenden Scheibe nach außen gedrückt werden. Mit beiden Formen der Beschleunigung beschäftigte sich Einstein. Newtons Erklärung dafür, dass unterschiedlich schwere Gegenstände gleich schnell fallen, war die Einführung einer "trägen Masse", die sich der "schweren Masse", die die Schwerkraft erfuhr und von ihr beschleunigt wurde, ntgegen richtet. Da beide Massen immer gleich groß sind, mussten unterschiedlich schwere Gegenstände gleich schnell fallen.

Einstein machte (wieder) ein Gedankenexperiment: Er stellte sich einen Menschen vor, der in einem fensterlosen Fahrstuhl eingesperrt auf die Erde fiel. Dieser würde gar nicht merken, dass er fiele, er würde in seinem Bezugssystem, dem gleichmäßig beschleunigt (wie Galilei herausgefunden hatte) fallenden Fahrstuhl, schweben. Das hieße aber, die Schwerkraft wäre aufgehoben – daraus schloss Einstein, dass Beschleunigung und Schwerkraft sich in ihrer Wirkung gleichen (diese Erkenntnis wurde als "Äquivalenzprinzip" bekannt); und in der Konsequenz, dass schwere und träge Massen identisch sind, nicht zwei verschiedene Dinge mit zufällig identischem Wert. (Im Zeitalter der bemannten Raumfahrt wurde dieses Gedankenexperiment Wirklichkeit; tatsächlich schweben Raumfahrer, da sich Raumstationen im freien Fall um die Erde befinden, siehe unten.) Das so entdeckte Äquivalenzprinzip ist eine der beiden zentralen Grundlagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Mit dem fallenden Fahrstuhl entdeckte Einstein gleich noch einen Effekt der Beschleunigung und damit der Schwerkraft: Wenn ein Lichtstrahl durch ein Loch in den Fahrstuhl fällt, muss dieser aufgrund des Äquivalenzprinzips geradlinig verlaufen und genau auf der gegenüberliegenden Seite auf die Fahrstuhlwand treffen (sonst hätte ein Beobachter im Fahrstuhl ja eine Möglichkeit, die Bewegung des freien Falls zu erkennen). Wäre an der Stelle ein Loch, würde es dort wieder austreten. Für einen Beobachter von außen aber, für den der Fahrstuhl fällt, läge die Austrittsstelle tiefer: der Lichtstrahl wäre also nicht geradlinig verlaufen, sondern gekrümmt (Abb. 4, Skizze b, zur Verdeutlichung hochgradig übertrieben). Das bedeutet, dass Beschleunigung das Licht krümmet; und entsprechend dem Äquivalenzprinzip die Schwerkraft ebenso.

 

Abb. 4: Skizze (a) zeigt des Weg des Lichtstrahls aus der Sicht eines Beobachters im Fahrstuhl, Skizze (b) - in der der gestrichelte Fahrstuhl die Stelle anzeigt, an der sich der Fahrstuhl am Ende des betrachteten Falls befindet - den Weg des Lichtstrahls aus der Sicht eines Beobachters, der den Fahrstuhl von außen betrachtet.

Die zweite Grundlage der Relativitätstheorie hat mit der rotierenden Scheibe zu tun: Der Rand einer Scheibe bewegt sich schneller als das Zentrum; nach der Speziellen Relativitätstheorie müssten Uhren dort langsamer gehen. (Dies ist tatsächlich so: Uhren am Äquator bleiben hinter Uhren am Nordpol ein wenig zurück.) Da die Uhren am Rande einer Beschleunigung ausgesetzt sind, müsste diese also die Zeit beeinflussen - und nach dem Äquivalenzprinzip müsste dann auch die Schwerkraft dies tun. Und noch weiter: Nach der Speziellen Relativitätstheorie gehen im bewegten System nicht nur Uhren langsamer, sondern Strecken verkürzen sich. Für die Scheibe gilt dann: Der Radius (r) bleibt gleich, aber der Umfang (U) verändert sich. In der Schule haben wir gelernt, dass der Umfang eines Kreises U = 2Πr (wobei Π die berühmte Kreiszahl 3,14159… ist) beträgt; dies kann aber nicht gelten, wenn der Umfang sich verändert, die anderen Werte aber nicht – unter dem Einfluss der Schwerkraft gilt also auch die klassische Geometrie nach Euklid nicht mehr.

Dass es auch eine nichteuklidische Geometrie gab, hatte Mitte des 19. Jahrhunderts der deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß erkannt. Womit Einstein es nun zu tun hatte, verdeutlicht ein Blick auf den Globus: Längen- und Breitengrade sind nicht parallel, die Ecken nicht rechtwinklig. Die Summe der Winkel in einem Dreieck, das auf den Globus gelegt wird, sind nicht 180 Grad, sondern immer größer. Dies führt unter anderem dazu, dass ebene Darstellungen in einem Atlas die Größenverhältnisse immer verzerren; meist ist Afrika zu klein und Grönland zu groß. Dabei ist der Globus nur eine gekrümmte zweidimensionale Fläche (die sich korrekt berechnen ließ, seitdem Gauß eine Mathematik zur Beschreibung solcher Flächen, die nicht-euklidische Geometrie, entwickelt hatte). Einstein hatte es aber mit der (wie seit seiner Speziellen Relativitätstheorie bekannt war) vierdimensionalen Raumzeit zu tun. Die mathematische Lösung dieses Problems sollte Einstein und viele seiner Kollegen (vor allem den eng mit Einstein zusammenarbeitenden Züricher Mathematikprofessor Marcel Grossmann) mehrere Jahre beschäftigen. Die Grundlage war die Riemann’sche Geometrie,  entwickelt von Bernhard Reimann, der als Doktorand von Gauß dessen nicht-euklidische Geometrie zur Anwendung auf drei- und mehrdimensionale Räume weiterentwickelt hatte und damit die Basis der modernen Differenzialgeometrie – jenem Teilgebiet der Mathematik, das Oberflächen und Geometrie erforscht – begründen sollte. 1915 war es dann so weit: Einstein veröffentlichte mehrere Arbeiten (560), die letzte erhielt die >> korrekten Feldgleichungen der Gravitation - und machte damit Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie komplett.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie

Wie zuvor die absolute Zeit, so hat Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie die Schwerkraft als „Kraft“, bei der Körper sich gegenseitig anziehen, abgeschafft: Er konnte zeigen, dass die Schwerkraft wie der Elektromagnetismus von einem Feld getragen wurde, also eine Eigenschaft der Raumzeit ist. Wie ist Einstein auf diese Idee gekommen? Zum einen hat ihn, dessen Vater Kraftwerke baute, der Elektromagnetismus und das elektromagnetische Feld schon lange beschäftigt, so dass die Idee von einem "Schwerefeld" nahe lag, zumal schon Newton sich gefragt hatte, wie denn die Schwerkraft wohl über die Distanz zwischen Körpern wirkte. Zum anderen war das die Frage, was der Raum eigentlich war. Newtons Annahme von einem leeren Raum ging auf Demokrit zurück, der nicht nur die Existenz von Atomen vorhergesagt hatte, sondern auch, dass diese sich in einem unendlich großen "leeren Raum" befänden. Auch diese Annahme war von Aristoteles kritisiert worden, war doch die Ausdehnung eine Eigenschaft von Dingen und überhaupt ein leerer Raum noch nie gesehen worden – leerte man etwa einen Becher voll Wasser, füllte sofort Luft den Raum. Die Zweifel blieben, noch René Descartes zweifelte im 17. Jahrhundert die Möglichkeit eines leeren Raumes an. Als Newton Demokrits Annahme aufgriff, stieß dieses zunächst auf Skepsis, die Treffsicherheit seiner Gleichungen ließ die Kritiker aber schweigen. Aber Einstein, der gerne die Philosophen las, kannte die Diskussion, und fragte sich, ob der Raum wirklich leer war, oder eben von gravitativen Kraftlinien erfüllt war. Aber er dachte noch weiter: Was, wenn der Raum (bzw., wie die Spezielle Relativitätstheorie gezeigt hatte, die Raumzeit) und das Gravitationsfeld ein und dasselbe wäre? Diese Idee sollte sich als genial erweisen.

Mit ihr konnte Einstein die "Schwerkraft" einzig in Begriffen der Raumzeitgeometrie formulieren: Diese Raumzeit ist nicht eben, sondern wird durch die in ihr enthaltenen Massen und Energien gekrümmt; und dadurch bewegen sich Körper wie die Erde auf gekrümmten Bahnen (Abb. 5):

Abbildung 5: Zweidimensionale Darstellung des vierdimensionalen Raums. Skizze (a) stellt den leeren Raum dar, Skizze (b) zeigt, wie der Raum durch einen Planeten gekrümmt wird und Skizze (c) zeigt den Umlauf eines Mondes um diesen Planeten entlang einer Geodäten.

(In gekrümmten Räumen sind nicht Linien, sondern so genannte Geodäten die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten; auch auf der Erde sind nicht Linien, sondern als gekrümmter zweidimensionaler Raum so genannte Großkreise die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten auf dem Globus. Und daher "fallen" Raumstationen um die Erde fallen – sie folgen einer geodätischen Bahn wie in Abbildung 5 c.) Damit ist auch sofort ersichtlich, warum die Schwerkraft unabhängig von der Masse der Körper wirkt – die Krümmung der Raumzeit ist für alle Körper gleich.

Und mit den Geodäten erklärt sich eigentlich alles. Kommen wir etwa auf das Zwillingsparadoxon zurück: Der reisende Zwilling weicht von seinem geodätischen Weg ab, legt also einen längeren Weg zurück, womit mehr Zeit übrig bleibt - er bleibt jünger. Das heißt auch, auf dem geodätischen Weg, also im Schwerefeld, gehen Uhren langsamer – die Erklärung für Einsteins Gedankenexperiment mit der rotierenden Scheibe. (Übrigens ein Beispiel, das relativistische Effekte auch praktische Folgen haben: Satelliten-Navigationssysteme wie GPS benutzen heute Uhren in großer Höhe, ohne die Korrektur der Einflusses des Schwerefelds der Erde würde alle Positionsangaben um Kilometer daneben liegen! Solche Bestätigungen sind der Grund für die heutige Akzeptanz der Allgemeinen Relativitätstheorie: Alle praktischen Voraussagen, auch solche, deren Überprüfung erst in jüngster Zeit messtechnisch möglich wurde, trafen bisher ein.) Einstein selber war endgültig von seinen Formeln überzeugt, als es ihm gelang, die leicht von den Newtonschen Vorhersagen abweichende Bahn des Merkur mit ihnen genau zu berechnen; viele Wissenschaftlerkollegen und die Öffentlichkeit erst, nachdem 1919 eine britische Expedition unter Arthur Eddington bei einer Sonnenfinsternis nachwies, dass die Sonne tatsächlich Licht von Sternen in genau dem Maß ablenkt, das Einstein (das Fahrstuhl-Gedankenexperiment...) vorhergesagt hatte.

Einsteins Relativitätstheorien veränderten also unser Bild vom Universum grundlegend: Raum und Zeit sind nicht voneinander unabhängig und nicht absolut (unveränderlich), sondern ein verformbares vierdimensionales Raumzeitgefüge, in dem Masse und Energie (die sich ineinander umwandeln lassen) die Krümmung der Raumzeit beeinflussen – und die Krümmung der Raumzeit die Bewegung von Masse/Energie beeinflussen; Raumzeit und Masse/Energie sich also gegenseitig beeinflussen. Ob und wie stark das Universum selbst gekrümmt ist, ist noch unklar; die Antwort hängt unter anderem von der noch unbekannten Materiemenge im Universum ab. Auf jeden Fall wurde mit der Allgemeinen Relativitätstheorie aus einem stabilen Weltall ein äußerst dynamisches Universum; über diese Diskussion berichtet wieder der Hauptbeitrag.

Nebenbei zeigt die Relativitätstheorie auch die Natur wissenschaftlichen Fortschritts: Newtons Bewegungsgesetze wurden dadurch nicht “falsch”, sie funktionieren im Alltagsleben immer noch sehr gut und werden oft angewendet, zumal sie viel einfacher sind als Berechnungen mit Hilfe der Relativität. Sie versagen aber bei Extremen, etwa bei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit; dies fiel daher erst auf, als Maxwells Gleichungen mit solchen Größen arbeiteten. Mit Einsteins Arbeiten entstand eine Theorie, die auch bei extremen Geschwindigkeiten oder großen Massen funktioniert, und damit ist sie zweifellos die grundlegendere Theorie, die der Wahrheit näher kommt.

Die letzte Bestätigung: Gravitationswellen

Als Konsequenz aus seiner Erklärung der Gravitation in der Allgemeinen Gravitationstheorie leitete Albert Einstein 1918 ab, dass auch die Schwerkraft sich als Welle mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Diese "Gravitationswellen" sind äußerst schwierig nachzuweisen, Einstein selbst fürchtete, dies werde nie möglich sein. Tatsächlich waren sie das letzte Element der Allgemeinen Relativitätstheorie, das durch Messungen bestätigt werden konnte. Ein indirekter Nachweis gelang bereits 1979 den US-amerikanischen Physikern Russell Hulse und Joseph Taylor, die zeigten, dass ein Neutronensternpaar sich im Laufer der Zeit immer enger umkreiste, also offenbar Energie verlor - vermutlich, da es Gravitationswellen abstrahlte. Dafür erhielten sie 1993 den Physik-Nobelpreis.

Inzwischen ist auch ein direkter Nachweis geglückt: Vier Detektoren - zwei in den USA, einer in Italien und einer in Deutschland, versuchten seit 2005, mit Laserinterferometern die Gravitationswellen nachzuweisen. Mit immer weiteren Aufrüstungen könnte ein immer größerer Anteil des Weltalls überwacht werden. Und im Herbst 2015 gelang am amerikanischen LIGO-Detektor der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen: ein Signal, das von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern stammt (die damit ebenfalls endgültig nachgewiesen wurden) (590). In Zukunft sollen Gravitationswellen auch - mit neuen Möglichkeiten - aus dem Weltall aufgespürt werden: mit dem >> eLisa-Projekt der Europäischen Weltraumagentur, mit dem ab 2034 fernab aller irdischen Störungen nach Gravitationswellen gesucht werden soll.

Weitere Information: Welt der Physik -> Gravitationswellen

Mehr zum Thema:
Einstein online (ein Webangebot des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik, Angebot von allgemeinverständlicher Einführung bis Vertiefungsthemen.

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