Das Zeitalter der Industrie

Dunkle Wolken im "großen Luftozean"
Eine kleine Geschichte der Luftverschmutzung

Luftverschmutzung in Santiago de Chile

Luftverschmutzung in Santiago de Chile, Winter 2003. Foto: Michael Ertel, aus >> wikipedia, abgerufen 5.3.2010. Lizenz: >> FDL 1.2.

Vorindustrielle Luftverschmutzung

Die Geschichte der Luftverschmutzung begann, als die Menschen das Feuer bändigten: Die Rußschichten in prähistorischen Höhlen und geschwärzte Lungen bei mumifizierten Leichen aus der Steinzeit beweisen, dass die Luft in den Höhlen unserer Vorfahren nicht immer die beste war. (Noch heute ist die >> Luftverschmutzung durch offene Feuer – die vor allem in armen Entwicklungsländern zum Kochen genutzt werden – eines der drängendsten Umweltprobleme.) Die teils durch Brandrodung betriebene Vernichtung der Wälder seit Erfindung der Landwirtschaft war ein Beitrag zur möglicherweise >> ersten großflächigen Umweltveränderung, in jedem Fall aber eine Quelle der Luftverschmutzung. Als der Mensch >> lernte, Metalle zu verarbeiten, trugen auch diese zur Luftverschmutzung bei: In Proben aus dem Grönlandeis lassen sich noch heute Spuren von Blei- und Kupferemissionen aus vorindustrieller Zeit nachweisen; die Luftverschmutzung beim Bergbau wurde bereits von Agricola in seinem De Re Metallica aus dem Jahr 1556 beschrieben. Auch die >> Luftqualität mittelalterlicher Städte ließ oftmals zu wünschen übrig, wie historische Schilderungen sowohl aus der arabischen als auch aus der christlichen Welt belegen. Die vorindustrielle Luftverschmutzung war aber in ihren Auswirkungen auf die unmittelbaren Entstehungsorte beschränkt.

Eine neue Dimension: Die Kohleverbrennung

Ganz neue Dimensionen nahm die Luftverschmutzung mit der >> Industriellen Revolution an. Kohle wurde zum wichtigsten Brennstoff; um 1870 besaß Großbritannien ca. 100.000 kohlebetriebene Dampfmaschinen. Mit sinkenden Transportkosten konnte Kohle auch in die Städte transportiert werden und dort sowohl für Öfen und Herde als auch für Industrieanlagen genutzt werden. Im Viktorianischen England waren etwa ein Viertel aller Todesfälle auf Lungenkrankheiten zurückzuführen. Mit der zweiten Phase der industriellen Revolution ab 1870 entstanden Schwerindustrien – Eisen, Stahl, Chemikalien – mit riesigem Kohleverbrauch auch in anderen europäischen Ländern sowie in den USA und Japan, im 20. Jahrhundert dann auch in Russland, Kanada, Lateinamerika und Asien. Die Luft um die Hüttenwerke, in den Städten und Industriegebieten war katastrophal schlecht, schien aber der unvermeidliche Preis des entstehenden Wohlstands zu sein. Industrielle, Arbeiter und Staatsminister sahen in rauchenden Schornsteinen ein Symbol für Fortschritt, Wohlstand und Macht.

Die erste Folge waren verschmutzte Kohlestädte wie London. 1880 gab es in London 3,5 Millionen Feuerstellen, der hauptsächlich im Winter auftretende Smog (das Wort verbindet smoke, Rauch und fog, Nebel; es wurde 1905 auf dem in London stattfindenden Hygiene-Kongress geprägt) wurde zum regelmäßigen Ereignis. Dabei sollen sogar Fußgänger in die Themse gefallen sein, weil sie den Fluss nicht sahen; in der Londoner Innenstadt lag in den 1920er bis 50er Jahren die Zahl der Sonnenstunden 20 Prozent niedriger als in den Vorstädten. Auch im Ruhrgebiet wurde Kohle schon vor der Industrialisierung genutzt. Bei Dortmund war bereits im 13. Jahrhundert Kohle gefunden worden, 1578 begann im Muttental bei Witten der Stollenbergbau – zunächst in waagerechten Stollen. Auch hier war die dreckige Kohle eigentlich unbeliebt, aber in Essen waren bereits 1794 die Häuser aufgrund der zahlreichen Kohleöfen schwarz "als hätte man sie mit Absicht geschwärzt" (1203).

Irgendwann ließen sich die Folgen der Luftverschmutzung bei allem Fortschrittsglauben nicht mehr übersehen. Die ersten Bemühungen zur Reinhaltung der Luft begannen in den USA, in St. Louis und Pittsburgh, wurden aber während des Krieges nicht fortgeführt. Im Dezember 1952 kam es in London während einer Kälteperiode zu einem einwöchigen Smog, der so dicht war, dass die andere Straßenseite nicht mehr zu erkennen war, örtlich betrug die Sichtweite zeitweise sogar nur 30 Zentimeter. Eine Aufführung der Oper "La Traviata" musste abgebrochen werden, da die Zuschauer die Bühne nicht mehr sehen konnte – im Theaterinnenraum! In dieser Woche starben in London etwa 4.000 Menschen mehr als gewöhnlich, und die Todesrate blieb noch drei Monate lang erhöht – insgesamt hat "the Great Smog" (wie er später benannt wurde) wohl 12.000 Menschen das Leben gekostet (1205). Obwohl die Regierung, wie der damalige Kommunal- (und spätere Premier-)minister Harold Macmillan sagte, neue Gesetze nicht für nötig hielt (1206), sorgte öffentlicher Druck dafür, dass 1956 in einem "Clean Air Act" (Luftreinhaltungsgesetz) die häusliche Kohlefeuerung streng geregelt. Hilfreich kam hinzu, dass seit 1950 zunehmend >> Öl und Gas an die Stelle der Kohle traten, deren Verbrennung weniger Schadstoffe, vor allem Rauch und Ruß, erzeugen. Bis 1970 sank der Rauchgehalt der Londoner Luft um 80 Prozent, bis 2005 um 98 Prozent.

Industrielle Luftverschmutzung

England, Westeuropa, Amerika

Luftverschmutzung ging auch von der Metallverhüttung und der Chemieindustrie aus. Die chemische Großindustrie entstand mit der Herstellung von Natriumcarbonat für die Glas- und Seifenherstellung sowie die Textilindustrie. Dabei entstand ätzender Chlorwasserstoff, der in die Umgebung abgegeben wurde. Die auf Grundlage des 1863 verabschiedeten britischen Alkali Act im Jahr 1865 gegen diese Verschmutzung gegründete Alkali-Aufsichtsbehörde gilt als erste “Umweltbehörde” der Geschichte. (Sie bewirkte wenig; besser wurde die Situation erst, als das heute genutzte Solvay-Verfahren eingeführt wurde.) Mit der >> zweiten Phase der industriellen Revolution nahm der Bedarf an Kupfer zu. Kupferminen wie die 1873 von einem britischen Konsortium übernommene, schon seit phönizischen Zeiten genutzte Mine am Río Tinto in Andalusien lieferten auch Schwefelsäure für die chemische Industrie; bei der (in England verbotenen) Verhüttung im Freien wurde aber ein Teil des Schwefels aus dem Erz als >> Schwefeldioxid freigesetzt, das mit dem Wasser in der Luft zu "saurem Regen" reagiert. Ein britischer Handelsagent berichtete, dass "Augen und Kehlen schmerzen, und alles Eisen korrodiert". 1888 streikten die Bergarbeiter gegen die Minenbetreiber, unterstützt von den Bauern aus der Umgebung. Bei einer Protestkundgebung erschoss die Polizei 45 Menschen (1215). Auch die Abgase der im 20. Jahrhundert wichtig werdenden Nickelproduktion (Nickel wird zur Stahlveredelung verwendet) schädigten die Umgebung der Hüttenwerke in weitem Umkreis. In den Nickel-Kupfer-Hüttenwerken im kanadischen Sudbury etwa wurde das Erz ebenfalls unter freiem Himmel verhüttet; als 1920 der erste Schlot gebaut wurde, war die Umgebung bereits in eine schwarze Wüste verwandelt (1215).

Am schlimmsten aber war die Luftverschmutzung in den Industriegebieten, die gleichzeitig über Kohle- und Erzvorkommen verfügten, wie im Ruhrgebiet, im “Schwarzen Land” (Black Country) in Mittelengland oder in der Region der Großen Seen in Nordamerika. Eine der ersten Umweltkrisen war der Oktobersmog in der Kleinstadt Donora (Pennsylvania, USA), wo im Oktober 1948 eine Inversionswetterlage verhinderte, dass die Rauchwolken der örtlichen Stahl- und Zinkhütten abzogen; rund die Hälfte der 14.000 Einwohner erkrankte an Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 40 Menschen starben. Die Stahlgesellschaft "American Steel" gab der Inversionswetterlage die Schuld an den Schäden und stritt jedwede Mitschuld ab; nach diesem und ähnlichen Ereignissen begann aber die wissenschaftliche Erforschung der Zusammenhänge zwischen Luftverschmutzung und Gesundheitsschäden.

Beispiel Ruhrgebiet

In Europa wurde das Ruhrgebiet zum Sinnbild für Umweltverschmutzung. In der kohlereichen Region wurde 1756 die erste Eisenhütte in Betrieb genommen; die eigentliche Industrialisierung begann aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts. 1834 wurde auf der Zeche Franz bei Essen-Borbeck erstmals die Mergelschicht durchteuft, die weiter nördlich im Ruhrgebiet die verkokbare Fettkohle bedeckte, und mit der Einführung des Kokshochofens, der Dampfmaschine und der Erschließung des Ruhrgebiets durch Eisenbahnen begann um 1850 die eigentliche Industrialisierung (1219). Klagen hierüber gab es vor allem von Nachbarn, etwa Bauern, denen die giftigen Abgase aus Metallhütten oder chemischen Betrieben die Ernten verdarben. Die meisten Einwohner waren aber "stolz auf die amerikanisch genannte Entwicklung des Heimatortes und seiner Nachbarschaft" und fühlten sich "als Angehörige eines zielstrebigen Gemeinwesens voller Arbeitszähigkeit und Schaffensfreude" (1220). Auch im Ruhrgebiet wurden bei der Verhüttung von Erzen enorme Mengen schwefliger Säure freigesetzt, und die Ruhrkohle enthielt ebenfalls zwischen 0,5 und 3 Prozent Schwefel, die ebenfalls bei der Verbrennung freigesetzt wurden – im Ruhrgebiet wurde sogar bevorzugt besonders schwefelhaltige Kohle eingesetzt, da diese billiger war und sich weniger zum Export eignete. Die 1847 bei Essen-Borbeck errichtete Zinkhütte etwa verfeuerte 1884 täglich 105 Tonnen Kohle und setzte 3.700 kg schweflige Säure frei.

Im Jahr 1900 war das Ruhrgebiet bereits die größte Industrieregion Europas, und wohl auch die am stärksten verschmutzte (1215). In Essen berichteten Behördenvertreter 1912, dass in der Nähe der Kruppschen Fabrik und der Zechen zweimaliges Staubwischen am Tag in den Wohnungen das mindeste sei, was geschehen muss, und dass der Staub fast nur aus Kohle und Rußpartikeln "manchmal von erheblicher Größe" bestehe. Da die Stahl- und Eisenwerke von Krupp und Thyssen für die deutsche Rüstungsindustrie von zentraler Bedeutung waren, hatten ernsthafte Umweltauflagen kaum eine Chance, obwohl es bereits rechtliche Möglichkeiten hierzu gab (1230). Auch für die Industriegewerkschaften zählten Arbeitsplätze mehr als die Umwelt. So kam es zur dann doch allerorts beklagten Ruß- und Rauchplage, die auch der Bau höherer Schornsteine (1232) kaum änderte, da die ständig zunehmende Zahl der Fabriken deren Effekt zunichte machte (die im Rauch aus Eisen- und Stahlindustrie enthalten giftigen Stoffe wie Blei, Kadmium, Arsen und Fluoride wurden erst allmählich als Problem wahrgenommen; die damalige Medizin vermutete zwar Zusammenhänge zwischen Luftverschmutzung und Erkrankungen, konnte diese aber mangels Kenntnissen der Ausbreitungs- und Wirkungsmechanismen noch kaum beweisen [1233]). Das Ausmaß der Luftverschmutzung im Ruhrgebiet wurde deutlich, als 1923 nach der Besetzung durch französische Truppen (wegen ausgesetzter Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg) Streiks die Kohle-, Koks- und Stahlgewinnung lahmlegten: Der Himmel wurde wieder sichtbar; die Ernten erhöhten sich um die Hälfte, die Jahresringe an den Bäumen waren dicker als in den Jahren davor und danach. Die Arbeiterfamilien litten aber in dieser Zeit Hunger und Elend, und so wurde die Luftverschmutzung weiter als notweniges Übel akzeptiert (1235). Besser wurde die sichtbare Lage in den Städten mit dem elektrischen Strom: zahllose Dampfmaschinen konnten durch außerhalb der Städte gebaute Kraftwerke ersetzt werden. Auch diese verschmutzten ihre Umgebung erheblich, das Anfang der 1920er Jahre am bei Wetter gelegenen Harkortsee gebaute Kraftwerk etwa stieß soviel Asche aus, dass bei nebligem Wetter der See vollständig von einer Ascheschicht bedeckt war (von Auflagen zur Reduzierung der Rauchintensität hatte der zuständige Kreisausschuss "im Lebensinteresse" des Werkes abgesehen), die Verschmutzung traf aber weniger Menschen.

Als 1927 in Sodingen bei Herne das damals modernste Zechenkraftwerk ohne Rauchgasentstaubung in Betrieb genommen wurde, musste aufgrund des enormen Flugaschenauswurfs die benachbarte Schule geschlossen werden – sie wurde nie wieder eröffnet, dafür wurden dort, nachdem zwei der drei Kessel des Kraftwerks aufgrund der Wirtschaftskrise stillgelegt wurden, 1930 vorübergehend obdachlose Menschen untergebracht (1220). In der Weltwirtschaftskrise wurde zudem die Erforschung der Frage, ob Industrieluft Menschen und Umwelt schädigt, aus Geldmangel eingestellt. Die Haltung gegenüber der Luftverschmutzung änderte sich auch unter den Nazis nicht, die Rüstungskonjunktur und die Kriegsvorbereitung verschärften die Lage sogar noch (“Die Leidenschaft der Nazis galt wohl dem deutschen Blut und deutschen Boden, nicht aber der deutschen Luft.” [John R. McNeill, 1215]). So durfte das Kraftwerk am Harkortsee, über das sich mittlerweile auch andere Industrieunternehmen beschwerten und das den Fremdenverkehr stark beeinträchtigte, keinen höheren Schornstein errichten, da dieser das Werk "für die Lufterkundung zu auffällig mache", die daraufhin beschlossenen Elektrofilter konnten nicht eingebaut werden, da der Antrag auf Zuteilung für Eisen zugunsten der Rüstungsindustrie abgelehnt wurde. Immerhin: Rauch und Dunst über dem Ruhrgebiet führten im Zweiten Weltkrieg dazu, dass hier die Bombenabwürfe der Alliierten weniger zielgenau waren als anderswo. Die meisten Industriebetriebe wurden dennoch zerstört – und wieder ging die Luftverschmutzung zurück.

Aber im Kalten Krieg brauchte Europa deutsche Kohle, deutsches Eisen und deutschen Stahl; das Ruhrgebiet wurde schnell als Industriegebiet wieder aufgebaut. Mit dem Wirtschaftswunder erreichte die Eisen- und Stahlproduktion neue Rekorde, die chemische Industrie wurde ausgebaut. In den 1950er Jahren gingen über das Ruhrgebiet weit über 300.000 Tonnen Staub pro Jahr hinab, Messungen in den (besonders belasteten) nördlichen Stadtteilen von Duisburg ergaben Staubbelastungen von bis zu 6,8 kg je 100 Quadratmeter im Monat. Anträge, dass die Stadt Musterprozesse gegen besonders luftverschmutzende Betriebe finanziere, wurden vom Oberstadtdirektor abgewiesen, aber zur systematischen Luftuntersuchung 51 Messstellen eingerichtet: und Spitzenwerte von 20,2 kg Staub je 100 Quadratmeter im Monat gemessen. Der Unmut über nahezu unerträgliche Rauchwolken, gegen die es praktisch keine Klagemöglichkeiten gab, führte 1952 zur Gründung gegründete "Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft" (IPA), die sich ab Mitte der 1950er Jahre auch für ein Gesetz zur  Luftreinhaltung einsetzte. Beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) wurde eine Kommission zur Reinhaltung der Luft gegründet, die hierzu Vorschläge erarbeiten sollte. Aber die Bevölkerung war mehr am "Wirtschaftswunder" als an sauberer Luft interessiert; das Grundgesetz trug ebenfalls nicht dazu bei, den Umweltschutz weiterzuentwickeln, da der Bund hier kaum Gesetzgebungskompetenzen hatte (1240). Immerhin trugen die Arbeiten dazu bei, dass die Möglichkeit von Nachbarn und Geschädigten, Schadenersatz einzufordern, verbessert wurden: 1959 entfiel die bis dahin im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthaltene Pflicht, "ortsübliche" Belastungen ersatzlos zu dulden (1241). Aber damit konnte nicht verhindert werden, dass Luftverschmutzung entstand. Mit der im gleichen Zug stattfindenden Änderung der  Gewerbeordnung wurde aber die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung geschaffen, der den Behörden zumindest theoretisch ein Werkzeug zur Verbesserung der Luftqualität in die Hand gab. Aber als die Kohle aus dem Ruhrgebiet gegenüber der billigeren (weil nicht so tief unter der Erde geförderten) Kohle aus dem Ausland (und auch gegenüber dem billigeren Öl) Ende der 1950er Jahre nicht mehr konkurrenzfähig ist, wird ihr Abbau mit Subventionen gefördert, das alte Denken in Gewerbesteuern und Arbeitsplätzen setzt sich durch.

Der Umschwung, der sich leise anzukündigen begann, verstärkte sich in den 1960er Jahren. Ein Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums ließ erstmals die Grenzen des "Wirtschaftswunders" erkennen und skeptische Stimmen wurden zunehmend gehört. 1961 griff Kanzlerkandidat Willy Brandt diese Stimmung auf einem Parteitag auf und redete davon, dass der Himmel über dem Ruhrgebiet wieder blau werden müsse. Brandt wollte hiermit die SPD über die Arbeiterschaft hinaus wählbar machen, der Slogan wurde aber kaum ernst genommen (ein Politiker, der das Blaue vom Himmel versprach...); und Brandt wurde auch nicht gewählt. Aber 1962 schuf Nordrhein-Westfalen (ohne Gegenstimme) das erste Landes-Immissionsschutzgesetz, ein "modernes" Gesetz zur Luftreinhaltung, das zum Vorbild für das spätere Bundes-Immissionsschutzgesetz wurde. In den Verwaltungsbehörden wurde dieses Gesetz und spätere Umweltgesetze aber nicht umgesetzt (1245), und so bestand der praktische Umweltschutz oft weiterhin im Bau hoher (und noch höherer) Schornsteine, so dass die verschmutzte Luft vom Wind weiter verteilt werden konnte.

Japan

Die japanische Industrialisierung ab der >> Meiji-Zeit brachte ebenfalls stark verschmutzte Industriegebiete hervor, etwa die Hanshin-Region (Osaka-Kobe). Hier entstanden ab 1880 Eisen- und Stahlwerke, Zement- und Chemiewerke; bis 1900 vervierfachte sich die Einwohnerzahl von Kobe und Osaka. Ab 1912 wurde die Luftverschmutzung gemessen: sie war so schlimm wie in London. Produktion und Luftverschmutzung stiegen weiter (angeblich stürzten sogar Flugzeuge wegen schlechter Sicht ab), bis im Zweiten Weltkrieg die amerikanische Luftwaffe die Industrie der Region in Schutt und Asche legte. Aber die Amerikaner halfen auch bei Wiederaufbau, und 1955 lag der Staubniederschlag über den Vorkriegswerten. Mit der einsetzenden Motorisierung wuchs die Region mit dem Großraum Kyoto zu einem Ballungsraum zusammen, in dem über zehn Millionen Menschen von der Luftverschmutzung betroffen waren.

Ein anderer Schwerpunkt der japanischen Umweltverschmutzung war Ube im Nordwesten, ein Zentrum für Zement, Chemie und Kohle. Nachdem Wissenschaftler der Universität von Ube die gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung gezeigt hatten, begann 1954 der Kampf gegen die Luftverschmutzung – auf Initiative des Vorsitzenden des lokalen Industrieverbandes, Kanichi Nakayasu! Bei einem Besuch in Pittsburgh erkannte er, dass die Region das Problem lösen kann, und setzte sich für strenge Grenzwerte ein. 1965 war der Himmel über Ube wieder blau; und die Stadt wurde zum Vorbild für andere Regionen Japans (>> mehr) – 1968 wurde in Japan ein Gesetz zur Luftreinhaltung verabschiedet, in dem vor allen den lokalen Präfekten Spielraum zur Festlegung von Grenzwerten gegeben wurde.

Sowjetunion und Osteuropa

Die >> sowjetische Industrialisierung ab 1927 wiederholte das Muster des Westens und übertraf es bei der Umweltverschmutzung sogar – hier konnte man sich auf Marx und Engels berufen, die das Bild vom Menschen als Naturbeherrscher gezeichnet hatten. Wie die Natur der Gesellschaft nutzbar gemacht werden konnte, war den Staatslenkern klar: Priorität hatte immer die Produktion. Das wohl dreckigste Hüttenwerk der Welt war das sowjetische von Norilsk in Sibirien, von Stalins Geheimpolizei geführt und von Gulag-Arbeitern errichtet: Es stieß in den 1980er Jahren mehr Schwefeldioxid aus als ganz Italien. (Norilsk gehört noch heute zu den zehn dreckigsten Orten der Welt, >> mehr.) Die Luft in Moskau verschlechterte sich ab den 1930er Jahren, und in den 1960er Jahren waren die Werte von Schwefeldioxid und Stickoxiden in einigen Vororten weit jenseits jeden Grenzwerts. Noch schlimmer war die Lage in den Industriegebieten von Donezk und Magnitogorsk.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das sowjetische Modell auf Osteuropa übertragen. Eine Folge war die Entstehung des “Schwefeldreiecks” zwischen Dresden, Prag und Krakau. Die Braunkohlekraftwerke hier erzeugten drei Viertel des Strombedarfs Polens und zwei Drittel des Bedarfs in der Tschechoslowakei und in der DDR, die Konzentration an  Schwefeldioxid in der Atemluft übertraf die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation um das Zwanzigfache. Auf Krakau gingen jedes Jahr 170 Tonnen Blei und 7 Tonnen Cadmium nieder. Die DDR entwickelte sich in der Folge – etwas verzögert – ganz ähnlich wie die Bundesrepublik (nur dass hier – siehe oben – die noch umweltschädlichere Braunkohle zur Basis der Energiewirtschaft wurde). Ende der 1950er Jahre begann der Ausbau der Chemieindustrie: Plaste und Elaste aus Schkopau (Werbeslogan für die Chemischen Werke Buna) wurden zur Basis einer Industrieproduktion, die oftmals auf Anlagen aus der Zwischenkriegszeit erfolgte. Die Luft im "Chemiedreieck" zwischen Merseburg, Halle und Bitterfeld wurde sprichwörtlich schlecht: "Bitterfeld, Bitterfeld, wo der Dreck vom Himmel fällt...". Die Fünfjahrespläne und die Jahrespläne, die für die betriebliche Planung verbindlich waren, enthielten ausschließlich Vorgaben zur Produktivität, eine Verminderung der Luftverschmutzung war kein Planziel.

Andere Regionen

Die anderen Regionen, in denen die Industrialisierung einsetzte, hatten alle ähnliche Probleme: in Brasilien etwa wurde die Umgebung von Cubatão im Bundesstaat São Paulo auch “Tal des Todes" genannt – die Kindersterblichkeit lag hier zehnmal höher als im Durchschnitt des Bundesstaates..

Umweltbewegung und Gesetze zur Luftreinhaltung

Deutschland stand mit seiner ab Mitte der 1960er Jahre zunehmenden Aufmerksamkeit für Fragen der Umweltverschmutzung nicht allein: überall in den Kernländern der Industialisierung – Nordamerika, Europa und Japan – begannen wirksame Proteste der Bevölkerung gegen diese Verschmutzung. Japan war wie oben dargestellt das erste Land, das ein im gesamten Land geltendes Gesetz zur Luftreinhaltung erließ. 1966 erinnerte ein Smogalarm in New York – ausgerechnet zum Thanksgiving-Fest – die Amerikaner an den Londoner Smog; und nachdem am 22. Juni 1969 der schwer verschmutzte Fluss Cuyahoga in Brand geraten war, organisierte der US-Senator Gaylord Nelson am 22. April 1970 den ersten Earth Day: 20 Millionen Amerikaner demonstrierten an diesem Tag gegen die Umweltverschmutzung; vor allem gegen die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke. 20 Millionen Menschen – das Signal war so deutlich, dass auch eine konservative Regierung wie die von Richard Nixon es nicht überhören konnte: 1970 begann mit dem Clean Air Act das Zeitalter der modernen amerikanischen Umweltgesetzgebung (1250), das Umweltamt Environmental Protection Agency wurde gegründet. Auch in Deutschland begann mit dem Amtsantritt der sozialliberalen Koalition und dem Entstehen zahlreicher Bürgerinitiativen für Umweltschutz die moderne Entwicklung des staatlichen Umweltschutzes. 1971 verkündete die Bundesregierung das erste Umweltprogramm, 1972 wurde das Grundgesetz geändert und im Jahr 1974 erhielt auch Deutschland mit dem mit dem nach dem nordrhein-westfälischen Modell erarbeiteten Bundesimmissionsschutzgesetz (1255) ein Gesetz zur Luftreinhaltung. Mit ihm Gesetz wurde die Genehmigungspflicht für umweltbelastende Betriebe aus dem Gewerberecht herausgelöst und in das neue Gesetz überführt. Im gleichen Jahr wurde auch in Deutschland ein Umweltbundesamt gegründet.

Bis das neue Recht zur Luftreinhaltung greifen konnte, dauerte es allerdings (1258). Dabei war inzwischen die Verteilung der Luftverschmutzung durch hohe Schornsteine zu einem nicht mehr zu leugnende Problem geworden: Rauch und Ruß als lokale Probleme wurden so zwar verringert, aber Schwefel- und Stickstoffoxide konnten sich über Tausende Kilometer verbreiten und bildeten den Hauptbestandteil des „Sauren Regens“, der in den 1980er Jahren zum >> länderübergreifenden Umweltproblem wurde. In Deutschland wurden die Waldschäden, für die der saure Regen als Hauptverursacher galt, unter dem Schlagwort "Waldsterben" zum politisch brisanten Thema. Es wurde klar: hohe Schornsteine sind keine Lösung, die Emissionen mussten reduziert werden. In Deutschland zwang eine 1983 erlassene Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (1260) die hauptsächlich für die Schwefel- und Stickoxidemissionen verantwortlichen Betreiber von Großkraftwerken zum Einbau von wirksamen Filteranlagen. Zusammen mit Effektivitätssteigerungen beim Energieeinsatz sowie der Ersatz von Kohle durch Öl und Gas führten solche auch in anderen Ländern erlassenen Regelungen mittlerweile zu deutlichen Verringerungen der Schwefeldioxid-Emissionen – in den Kohlestädten Nordamerikas, Westeuropas und Japans nahm der Gehalt an Rauch, Ruß und Schwefeldioxid wie zuvor in London um 70 bis 95 Prozent ab. Weniger erfolgreich waren die Ansätze zur Verringerung der Stickstoffoxid-Emissionen, die zudem noch zur Bildung des >> Sommersmogs beitragen, der auch heute noch ein Problem der Großstädte auch der westlichen Welt ist. Verursacher für diese Belastung ist auch der >> Autoverkehr.

Schwefeldioxidkonzentration im Rhein-Ruhr-Gebiet von 1964 bis 2005

Die Entwicklung der Schwefeldioxid-Konzentration in der Luft im Rhein-Ruhr-Gebiet von 1964
bis 2005
zeigt beispielhaft die Verbesserung der Luftqualität in dieser Industrieregion seit Beginn
der Umweltschutzaktivitäten in den 1960er Jahren. (Zuverlässige ältere Werte dieses im Ruhrgebiet
schon lange (>> 1235) als "schweflige Säure" (die in der Luft aus >> Schwefeldioxid entsteht)
bekannten Verursachers schwerer Schäden sind leider nicht verfügbar. Abb.: siehe >> 1264.

Weniger Gehör fanden die Proteste der Umweltschützer dagegen in den nicht-demokratischen Ländern. Dort änderte sich die Situation erst nach dem Fall der jeweiligen Regime: In Brasilien nach dem Ende der Militärdiktatur 1984; in der Sowjetunion und den Ländern Osteuropas nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 – hier zum größten Teil nicht durch sauberere Produktion, sondern durch den Zusammenbruch der Wirtschaft nach dem Wegfall der Subventionen. In Indien und China werden die Bemühungen um Umweltschutz oftmals vor Ort nicht umgesetzt (>> mehr).

Das Zeitalter des Öls

Seit 1920 wurde in den USA, seit 1950 im Rest der Welt zunehmend Kohle durch Öl ersetzt. Dies hatte weitreichende Folgen: Öl konnte leichter transportiert und genutzt werden als Kohle, und daher wurde die relativ konzentrierte (aber damit auch durch zentrale Maßnahmen leichter zu bekämpfende) Luftverschmutzung durch Kohleverbrennung durch eine weiträumigere Luftverschmutzung durch die Verbrennung von (dafür jedoch etwa saubererem) Öl abgelöst. Ein Symbol für dieses neue Zeitalter ist das Auto, das die Eisenbahn als technisches Transportmittel Nr. 1 verdrängte.

Luftverschmutzung durch Autos

Die entscheidende Entwicklung war die Einführung des Fließbands: Es ließ Autos erschwinglich werden, und die Massenmotorisierung begann – zuerst in den USA, dann in Europa und zuletzt in Japan und Ostasien. 1900 waren Automobile noch eine Seltenheit, 1996 gab es weltweit 500 Millionen von ihnen. Sie lösten ab den 1960er Jahren die Kohlefeuerung als schlimmste Verschmutzungsursache ab. Autos geben vor allem Kohlenmonoxid, Stickstoffoxide und Kohlenwasserstoffe ab, die zum “Sommersmog” beitragen. Dieser wurde seit den 1940er Jahren – zuerst in Los Angeles – beobachtet, er entsteht, wenn leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe und Stickoxide unter intensiver Sonneneinstrahlung Ozon bilden (>> Die wichtigsten Schadstoffe).

Seit den 1920er Jahren wurde dem Benzin Tetraethylblei zugesetzt, um unkontrollierte Selbstentzündungen des Benzins (“Klopfen”) zu verhindern. Dies führte im Laufe der Zeit zu hohen Bleikonzentrationen im Boden entlang der Straßen und zu erhöhten Bleiwerten im Blut. Blei wird in Knochen eingelagert und reichert sich daher im Laufe der Zeit an; eine chronische Bleivergiftung kann zu Schädigungen der Blutbildung, des Nervensystems und von Embryos führen. 1967 wurde verbleites Benzin in den Großstädten der Sowjetunion verboten, in den USA begann der Übergang zu bleifreiem Benzin in den späten 1970er Jahren, und in Europa in den 1980er Jahren. Die Bleikonzentration in der Luft sank in den USA zwischen 1977 und 1994 um etwa 95 Prozent, auch die Werte im Blut sanken deutlich. (Als Parallele zum heutigen Widerstand gegen den Klimaschutz (>> mehr) verkündete die Autoindustrie damals ein Massensterben der Motoren, falls Blei verboten werden sollte; und die ersten Hersteller, die Motoren für bleifreies Benzin anboten, kamen aus Japan. Die vergleichsweise unbedeutende Autoindustrie in der Sowjetunion erleichterte wahrscheinlich deren ungewohnte Vorreiterrolle.)

Bleifreies Benzin war auch die Voraussetzung für den Einsatz von Katalysatoren, mit denen in den letzten Jahren die Schadstoffmengen der Autoabgase verringert wurde. Ein Teil des erreichten Fortschritts wurde aber durch die zunehmende Anzahl an Autos sowie durch höhere Fahrleistungen wieder aufgehoben. In anderen Fällen setzt die Automobilindustrie bestehende Techniken zur Abgasreinigung nicht konsequent um: So können Stickoxide, in aufgrund der höheren Verbrennungstemperaturen vor allem in Dieselmotoren gebildet werden, mittels eines selektiver katalyischer Reduktion (SCR) genannten Verfahrens (in Deutschland als "AdBlue" bekannt) zu 90 Prozent aus den Autoabgasen entfernt werden. 2003 wurde aber bekannt, dass LKW-Hersteller ihre Fahrzeuge so einstellen, dass die Grenzwerte außerhalb des Testzyklus überschritten werden; nach Aufdeckung des VW-Abgasskandals im Jahr 2015 wurde bekannt, dass dieses auch bei PKW üblich ist (im Falle von VW sogar mittels Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften [1270]).

Globale Luftverschmutzung

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Luftverschmutzung zu einem länderübergreifenden Phänomen. Dabei spielte die “Politik der hohen Schornsteine” eine zentrale Rolle, aber auch die zunehmende Bevölkerung und ihre Verstädterung: 1950 gab es drei Ballungsgebiete mit mehr als 10 Millionen Einwohnern auf der Welt (sogenannte Megacities), 1997 bereits zwanzig.

Saurer Regen

In den 1960er Jahren erkannten skandinavische Wissenschaftler, dass die Versauerung der Flüsse und Seen Südschwedens und Norwegens durch Schwefel- und Stickstoffoxide aus England verursacht wurde ("Saurer Regen", der durch die Reaktion dieser Stoffe mit Wasserdampf in der Atmosphäre entsteht); Luftverschmutzung wurde als globales Problem erkannt. Entstanden war das Problem durch höhere Schornsteine, die lokale Umweltprobleme minderten, aber die Schadstoffe höher aufsteigen, länger in der Atmosphäre bleiben und weiter verteilt werden ließen. Bald zeigte sich, dass auch in Kanada (durch Abgase aus den USA) und in Japan (durch Abgase aus China) die Seen versauerten. Mit Messinstrumenten auf Satelliten konnten die Schwefeldioxid- und Stickstoffoxidwolken ab den 1990er Jahren dann auch direkt erfasst werden. Saurer Regen schädigte ausgedehnte Waldgebiete (“Waldsterben”) und die Lebensgemeinschaften der Flüsse und Seen; er ließ auch Kalkstein und Marmor verfallen, wovon einige der bedeutendsten Kulturdenkmäler der Welt, aber auch Brücken und andere Gebäude betroffen waren.

Mit der Verringerung der Emissionen an Schwefeldioxid und Stickstoffoxid ging das Problem im Westen zurück; allerdings steigen in China die Emissionen durch die zunehmende Kohleverbrennung an: 60 Prozent des Landes sind von Saurem Regen betroffen, ebenso wie Japan, Taiwan, Korea und die Philippinen.

Das Ozonloch

Die 1929 erstmals hergestellten “FCKW” (Fluorchlorkohlenwasserstoffe, chemische Substanzen, die Fluor, Chlor und Kohlenstoff enthalten) haben viele gute Eigenschaften: Sie sind ungiftig, nicht entzündlich, leicht zu verarbeiten und reagieren nicht mit anderen Stoffen. So wurden sie bald vor allem als Kühlmittel in Kühlschränken und Klimaanlagen, als Treibgas in Spraydosen und als Lösemittel verwendet. 1971 entdeckte der Chemiker James Lovelock (siehe >> hier) diese FCKW in der Atmosphäre. Lovelock hatte sie nur als Marker für andere Formen industrieller Luftverschmutzung betrachtet, die FCKW selbst hielt er für ungefährlich. Dem amerikanischen Chemiker Sherwood Rowland fiel aber auf, das die gemessenen Konzentrationen in etwa der weltweiten Produktion bis zu diesem Zeitpunkt entsprachen. Was, fragte er sich, würde schließlich mit ihnen passieren? Er setzte seinen aus Mexiko stammenden Kollegen Mario Molina auf die Frage an, und im Juni 1974 veröffentlichten beide die Hypothese, dass die FCKW in die Stratosphäre aufsteigen können, dort von kurzwelligem Sonnenlicht aufgebrochen werden und dass das dabei freigesetzte Chlor Ozon-Moleküle der Ozonschicht (siehe >> hier) zerstört.

Dieser Beitrag blieb zunächst fast unbeachtet. Die FCKW-Industrie machte mittlerweile acht Milliarden Dollar Umsatz im Jahr und griff Rowland und Molina als Panikmacher an, und im Laufe der Jahre geriet das Thema von der Tagesordnung. Erst 1985 erschien eine Publikation des britischen Geophysikers Joe Farman, dass die Ozonschicht über der Antarktis ausdünnte – schon seit 1977. Farman hatte die Veröffentlichung hinausgezögert, da er seinen eigenen Erkenntnissen nicht recht traute –  zumal ein NASA-Satellit seit fünf Jahren ebenfalls den Ozongehalt gemessen hatte und keinen Rückgang feststellte. (Nach Farmans Veröffentlichung überprüfte die NASA ihre Daten: Die eigentlichen Satellitendaten zeigten seit Jahren die gleiche Tendenz – waren aber vom Computer als Fehler aussortiert worden, weil sie nicht den Erwartungen entsprachen.) Der gemessene Rückgang war noch schlimmer als der von Rowland und Molina erwartete.

Bald wurden auch “Ozonlöcher” über Chile und Australien entdeckt. Als Ursache wurden im Jahr 1987 von einer NASA-Expedition in die Antarktis die von Rowland und Molina verdächtigten FCKW bestätigt. Warum aber der gemessene Rückgang soviel stärker war als der von Rowland und Molina erwartete, wurde von dem in Deutschland tätigen niederländischen Meteorologen Paul Crutzen entdeckt: Es lag an den stratosphärischen Eiswolken der Antarktis. Deren Oberfläche erleichterte Reaktionen, bei denen Chlor freigesetzt wurde. Dieses Chlor konnte dann mit der aufgehenden Sonne im Frühjahr seine zerstörerische Wirkung entfalten – ein einziges Chloratom kann bis zu 100.000 Ozonmoleküle vernichten. (Rowland und Molina sowie Crutzen sollten 1995 für ihre Forschungen den Nobelpreis für Chemie erhalten.) Die Folgen der ausgedünnten Ozonschicht wurden auch immer klarer: Verstärkte UV-Strahlung schädigt Plankton und damit die Nahrungskette in den Meeren, schädigt Pflanzen und damit die Nahrungsmittelproduktion, verursacht Hautkrebs und Grauen Star beim Menschen.

Das “Ozonloch” rief eine ungewöhnlich schnelle politische Antwort hervor: Das Protokoll von Montreal (1987) und darauf folgende Zusatzvereinbarungen führten ab 1988 zu einem Rückgang der FCKW-Produktion um rund 80 Prozent. Das Protokoll von Montreal wurde noch vor dem endgültigen Nachweis der FCKW als Verursacher des Ozonlochs verabschiedet, insofern ist es das erste Beispiel des Vorsorgeprinzips im Umweltschutz. Anderseits waren sie der Beweis, dass der Mensch globale Umweltveränderungen auslösen kann. Und: FCKW sind in der Atmosphäre sehr stabil, so dass die Ozonschicht in der Stratosphäre nur langsam heilt und wohl noch bis ins Jahr 2070 ausgedünnt bleiben wird. Insbesondere hellhäutige Menschen in sonnigen Ländern wie Australien sind hiervon durch höheres Hautkrebsrisiko betroffen.

Weblink: >> In letzter Minute – Ein Beitrag der ZEIT zum Montrealer Protokoll.

Megacities

In den Megacities sind die Menschen besonders von den Auswirkungen des Rauches und des Autoverkehrs betroffen; die zehn Städte auf der Erde mit der schlechtesten Luftqualität sind nach Angaben der Weltbank Kairo (Ägypten), Delhi und Kolkata (Kalkutta) in Indien, Tianjin und Chongqing in China, Kanpur und Lucknow (Indien), Jakarta (Indonesien) sowie Shenyang und Zhengzhou (Gina). 2007 schätzte die WHO, dass die Luftverschmutzung jedes Jahr 865.000 Menschen tötet, dazu kommen Millionen von Menschen, bei denen sie Atemwegserkrankungen auslöste oder verschlimmerte oder gar Krebs auslöste. Die zehn am meisten verschmutzten Orte der Erde nach Angaben des Blacksmith Institute (eine private Organisation, die Schwerpunkte der Verschmutzung identifiziert und Programme zu deren Sanierung anregt, www.blacksmithinstitute.org), sind auf der folgenden Karte dargestellt.

Luftverschmutzung: Die zehn meist verschmutzten Orte der Welt

Die zehn meist verschmutzten Orte der Welt im Jahr 2007. Nach Angaben des Blacksmith Institute. Mehr Informationen, auch zu den einzelnen Orten, auf der Webseite www.worstpolluted.org (englischsprachig).

Lichtverschmutzung

Von vielen noch nicht als Problem erkannt: Auch Licht “verschmutzt” die Umwelt. Ein Fünftel der Menschheit (darunter die meisten Deutschen) kann nachts die Milchstraße nicht mehr erkennen, da der Nachthimmel von künstlichem Licht überstrahlt wird. Die Folgen für den Menschen sind neben eingeschränkter Beobachtungsmöglichkeit für Hobbyastronomen wohl vor allem spiritueller Natur (der Blick in den Nachthimmel kann uns unseren Platz im Universum zeigen und könnte so vielleicht so manchen menschlichen Größenwahn korrigieren); aber viele Tiere leiden konkret: So laufen etwa frisch geschlüpfte Meeresschildkröten in Hotels statt ins Meer, da sie vom Licht angezogen werden (das früher nachts auf der Meeresoberfläche reflektierte und damit die richtige Richtung wies); Insekten und Vögel fliegen (“angezogen wie die Motten vom Licht”) gegen hell erleuchte Häuser.

Die Erde bei Nacht: Die Städte leuchten ins All

In einer klaren Nacht sind auf Satellitenaufnahmen die Leuchtflecken der Städte
deutlich zu erkennen. Foto: NASA

Abhilfe wäre einfach: Für die Außenbeleuchtung gibt es längst ausschließlich nach unten strahlende Lampen. Immerhin wächst langsam ein Bewusstsein für das Problem: In den USA gibt es erste Dark-Sky-Parks, der englische Peak District National Park bewirbt sich um einen solchen Titel.

Die Folgen der Luftverschmutzung

Zuverlässige Statistiken aus der Frühzeit der Industrialisierung gibt es nicht, mögliche Folgen der Luftverschmutzung interessierten erst ab den 1950er Jahren. Aber einen Eindruck können die Zahlen aus den osteuropäischen Städten geben, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zugänglich wurden und deren Belastung den frühindustriellen Städten ähnlich ist: In Oberschlesien betrug die Kindersterblichkeit 44 von 1000 Kindern und drei Viertel aller zehnjährigen Kinder brauchten ständige ärztliche Behandlung. In den tschechischen Industriegebieten lag die Lebenserwartung um 4 Jahre unter dem Durchschnitt.

Es gibt Schätzungen, nach denen die Luftverschmutzung im 20. Jahrhundert insgesamt 40 Millionen Menschenleben forderte, zur Zeit kommen nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation 865.000 Menschen im Jahr vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern dazu – zwar ist die Luftqualität insgesamt besser geworden, die Verschmutzung trifft aber mehr Menschen. Nach über 30 Jahren Umweltpolitik sind dagegen in den reichen Industrieländern die offenkundigsten Belastungen heute beseitigt, die Atemluft ist wieder relativ sauber. Auch wenn einzelne Probleme (>> Stickstoffoxide, >> Feinstaub; siehe auch >> Chemikalien in der Umwelt) akut bleiben: Das größte Problem sind hier heute die nicht unmittelbar zu erkennenden Belastungen wie der >> Klimawandel, der etwa zur gleichen Zeit wie das Ozonloch in den Blickwinkel der Öffentlichkeit geraten ist – wahrscheinlich das wichtigste Umweltthema der kommenden Jahrzehnte. Da die nötigen Maßnahmen auch die Industrien der Entwicklungs- und Schwellenländer betreffen (>> mehr), würde sich bei ihrer Umsetzung auch die Luftverschmutzung reduzieren.

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© Jürgen Paeger 2006 – 2020

 

Mehr zu diesem Thema auf der Seite: >> Die wichtigsten Luftschadstoffe.

Der "klassische" Smog Londoner Art wird heute auch als Wintersmog bezeichnet, um ihn vom "modernen" >> Sommersmog zu unterscheiden.

Für ihre Anstrengungen für die Beseitigung sowjetischer Altlasten in den Nachfolgestaaten wurde die russische Physikerin Olga Speranskaya von der Umweltorganisation Eco-Accord Center (>> website) im Jahr 2009 unter anderem einen Goldman Prize und wurde vom Time-Magazine zum Hero of the Environment gekürt.