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Das Leben

Hintergrundinformation

Massenaussterben

Kurz vor Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte der Naturforscher Georges Cuvier, dass es vor der heutigen Welt andere Welten gegeben hat: ihre Bewohner waren "untergegangen". Seine Vermutung, dass "irgendeine Katastrophe" hierfür verantwortlich war, führte zur Entdeckung von Massenaussterben, die die Geschichte des Lebens begleiteten.

Ichthyosaurierfossil

Fossilien nie gesehener Tiere (hier: eine "Fischechse") ließen Georges Cuvier auf die Idee
"untergegangener Welten" kommen. Heute wissen wir, dass gelegentlich Massenaussterben
die Karten der Erdgeschichte neu mischen. Foto: "Ballista", aus >> wikipedia commons
(abgerufen 28.06.2015), Lizenz: >> cc-by-sa 3.0.

Das Rätsel der "untergegangenen Arten"

Im Laufe der >> Geschichte des Lebens auf der Erde ist eine enorme >> biologische Vielfalt entstanden. Aber dieses erfolgte nicht ohne Rückschläge: über 99 Prozent der Arten, die jemals gelebt haben, sind heute ausgestorben. Dass Arten aussterben können, konnten sich selbst Naturforscher lange Zeit nicht vorstellen – warum sollte Gott Arten schaffen, die er dann wieder aussterben lässt? Noch als >> Carl Linnaeus 1758 sein Systema naturae veröffentlichte, enthielt dieses nur lebende Arten. Zwar kannte man längst Überreste unbekannter Tiere, darunter die heute als Trilobiten, Belemniten und Ammoniten bekannten, und seit dem 17. Jahrhundert gelangten auch Mammutknochen aus Sibirien nach Europa. Diese wurden aber als Elefantenknochen gedeutet, und da es in Sibirien keine Elefanten gab, schloss man, dass diese mit der Sintflut nach Sibirien gespült worden sein mussten.

Erst der im Pariser Naturkundemuseum arbeitende französische Naturforscher Georges Cuvier vermutete 1796, dass Knochen, die der spätere Gouverneur von Neufrankreich, Charles III le Moyne, 1736 im heutigen Ohio gefunden hatte, zu "untergegangenen Art" (espèce perdue) gehört haben – und erkannte auch, dass die Knochen aus Sibirien "nicht exakt jenen eines Elefanten glichen", also ebenfalls zu einer untergegangenen Art gehörten. Cuvier hatte sein Thema gefunden. Er vermutete, dass es noch weitere untergegangene Arten geben müsse und begann eine systematische Suche. Mit großem Erfolg: Im Jahr 1800 hatte er bereits 23 ausgestorbene Tierarten identifiziert, im Jahr 1812 dann schon 99. Und diese Tierarten wurden immer seltsamer: Ein Stich eines Fossilienfundes aus Bayern identifizierte er als fliegendes Reptil und nannte es seiner langen Arme und Finger wegen Pterodactylus ("Flugfinger"). Cuvier, der heute als Begründer der Paläontologie gilt, machte die Vorstellung, das Tiere aussterben können, salonfähig. In England wurde das Sammeln von Fossilien so populär, dass der Beruf des "Fossilisten" entstand, der für reiche Auftraggeber Fossilien suchte. Sie fanden noch seltsamere Tiere, die als Fischechsen (Ichtyosaurier) und Fast-Echsen (Plesiosaurier) bezeichnet wurden, sowie riesige Kieferknochen (die später als die eines Dinosauriers identifiziert wurden).

Cuvier, der diese Funde aufmerksam verfolgte, machte eine weitere Entdeckung: die untergegangenen Arten, die nahe an der Erdoberfläche gefunden wurden, ähnelten noch lebenden Tieren. Je tiefer unter der Erde die Fundorte lagen – es war bereits bekannt, dass dies bedeutete, dass sie älter waren – desto fremdartiger wurden sie. Für Cuvier wurde damit offensichtlich, dass es vor der heutigen Welt bereits andere Welten gegeben haben musste, die ganz anders ausgesehen hatten. Damit stellte sich aber die Frage, was denn diese Welten so verändert hatte. Eine Theorie hatte Cuviers Kollege >> Jean-Baptiste de Lamarck: Arten würden sich im Laufe der Zeit verändern und immer komplexer werden. Cuvier hielt nichts von dieser Theorie (unter anderem untersuchte er eine einbalsamierte ägyptische Katze, die bei Napoleons Ägyptenfeldzug "erbeutet" worden war – die antike Katze unterschied sich anatomisch nicht von einer Pariser Straßenkatze, was seiner Ansicht nach Lamarcks Theorie von einer "Transformation" widerlegte). Cuvier vermutete stattdessen, dass in der Vergangenheit gewaltige Katastrophen Arten ausgelöscht hätten; eine Annahme, deren Glaubwürdigkeit sein eigener Erfolg untergrub – Kritiker spotteten, dass es ziemlich viele Katastrophen gegeben haben musste, um die große Zahl unterschiedlich alter ausgestorbener Tiere zu erklären.

Einer der schärfsten Kritiker von Cuviers Katastrophentheorie war der britische Geologe Charles Lyell. Dieser gab 1830 bis 1833 seine dreibändigen Principles of Geology heraus, deren grundlegende Annahme – geologische Vorgänge, die heute zu beobachten sind, reichen aus, um die Vergangenheit zu erklären –  die Arbeit ganzer Generationen von Geologen prägten. Auch Lyell wusste, dass die Fossilienzusammensetzung unterschiedlicher Gesteinsschichten sich unterschied – er hatte selbst das Tertiär mit Hilfe von fossilen Muschelschalen in Pliozän, Miozän und Eozän gegliedert -, erklärte dies aber mit der Unvollständigkeit der Fossilienfunde. Lyells Werk hatte einen großen Einfluss auf >> Charles Darwin – es gibt Forscher, die glauben, dass Darwin ohne Lyells Idee, dass heutige Vorgänge auch die Vergangenheit erklären können, kaum auf die >> Evolutionstheorie gekommen wäre. In Darwins Theorie über die Entstehung der Arten steckte auch eine Theorie des Aussterbens von Arten – ausgestorbene Arten waren schlicht Verlierer im "Kampf ums Dasein". Man brauchte keine Katastrophen im Cuvier'schen Sinne, um ihr Verschwinden zu erklären. Auch Darwin wandte sich daher gegen Cuviers Vorstellung; er gab Lyell recht – die Fossilienfunde waren einfach zu unvollständig, um ein "Buch des Lebens" mit ihnen schreiben zu können. Mit dem Siegeszug der Evolutionstheorie schien auch das Ende von Cuviers Katastrophentheorie besiegelt zu sein.

Eine explosive Entdeckung

Das änderte sich in den 1970er Jahren. Damals untersuchte der amerikanische Geophysiker Walter Alvarez, der auf Grundlage der Plattentektonik die Entstehung der italienischen Halbinsel erklären wollte, Gesteine im italienischen Umbrien. In Gesteinen aus der Kreidezeit fand er Schichten voller Foraminiferen (“Kammerlinge”, im Meer lebendes Plankton mit Kalkschalen), darüber eine Lehmschicht, und im Gestein über dieser gab es keine Foraminiferen mehr. Beim Versuch, das Alter der Lehmschicht zu bestimmen, bat Alvarez seinen Vater, den Physiker (und Nobelpreisgewinner) Luis Alvarez, um Hilfe. Dieser hatte die Idee, das Alter des Gesteins mittels des radioaktiven Spurenelements Iridium zu bestimmen. Dazu bat er seinerseits den Kernchemiker Frank Asaro von der Universität Berkeley um Hilfe, dessen Labor über die notwendige Ausrüstung verfügte. Aber Asaro fand deutlich mehr radioaktives Iridium in der Lehmschicht, als sonst in der Erdkruste vorkam, und vermutete eine Verunreinigung. Aber weitere Proben vom Ende der Kreidezeit aus Dänemark und aus Neuseeland bestätigten das Ergebnis: der Iridium-Gehalt war überall außergewöhnlich hoch. Auf der Suche nach einer möglichen Ursache kamen sie schließlich auf die Idee eines Meteoriteneinschlags – in Meteoriten ist nämlich der Iridium-Gehalt deutlich höher als auf der Erde. 1980 veröffentlichten sie ihre Hypothese in der Wissenschaftszeitschrift Science (210): Ein Asteroid von rund 10 Kilometern Durchmesser sei damals mit der Erde kollidiert und dabei explodiert; das dabei freigesetzte Iridium habe sich mit den Trümmerteilen rund um die Erde verteilt, die dadurch verdunkelt wurde, was zu einem Massenaussterben geführt habe: am Ende der Kreidezeit sind ja nicht nur die Foraminiferen weitgehend verschwunden, sondern beispielsweise auch die Dinosaurier ausgestorben.

Die Theorie schlug ein wie eine Bombe: So untersuchten beispielsweise Astrophysiker um Carl Sagan die Folgen eines weltweiten Atomkriegs mit diesem Modell – und fanden, dass dieser einen "nuklearen Winter" auslösen könnte. Viele Paläontologen blieben jedoch skeptisch – viele glaubten nach wie vor, dass der Eindruck aus den Gesteinen, dass Arten mehrfach plötzlich ausgestorben waren, falsch war; und auch das Fehlen eines bei einem derartigen Asteroideneinschlags unvermeidlichen Einschlagkraters ließ vielen die Alvarez-Hypothese sehr gewagt erscheinen. Inzwischen hatte man aber bei Untersuchungen nach Atomwaffentests entdeckt, dass die Kristallstruktur von Gesteinen unter hohem Druck verformt wird; und solche als "geschockter Quarz" bezeichneten Gesteinskörner fand man 1984 in den USA in einer Lehmschicht aus dem Ende der Kreidezeit.

1988 gab es einen weiteren Hinweis: Sandsteinablagerungen aus der Oberkreide in Südtexas deuteten auf einen Tsunami hin, der vor rund 65 Millionen Jahren aus dem Süden gekommen war. Der amerikanische Geologe Alan Hildebrand untersuchte daraufhin Karten, auf denen Schwerkraftschwankungen verzeichnet waren – und fand runde Abweichungen in einem Schelfgebiet der Halbinsel Yucatán in Mexiko: er fand einen verborgenen Krater. Der konnte datiert werden – und erwies sich als 66 Millionen Jahre alt. Der wahrscheinliche Einschlagkrater war gefunden; und jetzt glaubten auch viele der zuvor skeptischen Paläontologen an die Alvarez-Theorie. (Später stellte sich heraus, das der Krater bereits Ende der 1970er Jahre von zwei Geologen der mexikanischen Ölgesellschaft PEMEX gefunden worden war; PEMEX bohrte dort sogar nach Öl – behielt aber das “Geheimnis” für sich.) Inzwischen sind Dutzende weiterer Fundstellen aus der Oberkreide mit ähnlich hohen Iridium-Werten bekannt, an einem Asteroideneinschlag mit weltweiten Auswirkungen vor 66 Millionen Jahren bestehen kaum noch Zweifel.

Das Ende der Dinosaurier

Der Krater von Chicxulub hat einen Durchmesser von über 170 Kilometern, er wurde vermutlich von einem Meteoriten von 12 bis 14 Kilometern Durchmesser erzeugt, der die Erde von ihrer Unterseite her mit ungeheurer Geschwindigkeit rammte. Beim Einschlag verursachte er ein fünf Kilometer tiefes Loch in der Erdkruste, und beförderte riesige Mengen an Steinsalz, Gips und Anhydrit aus den Ablagerungen des Schelfes in die Atmosphäre. Durch die enorme Hitze des Einschlags breitete sich eine heiße Dampf- und Schuttwolke aus –  viele Landtiere verbrannten wohl sofort, außerdem brachen rund um die Erde Waldbrände aus, wie eine weltweite Rußschicht belegt. Wer nicht verbrannte, konnte ertrinken: Das Meereswasser, das zunächst in den Einschlagkrater strömte, kam in Form verheerender Tsunamis (Flutwellen) zurück. Wer auch die Tsunamis überlebte, fiel möglicherweise gewaltigen Erdbeben zum Opfer. Im heutigen Mittel- und Nordamerika wurde damals fast das gesamte Leben ausgelöscht; wer im Rest der Welt die direkten Folgen des Einschlags überlebt hatte, litt anschließend unter einem Jahre andauernden “Einschlagwinter”: Der aufgewirbelte Gesteinsstaub und Staub aus den Vulkanen, die als Folge der gewaltigen Erdbeben ausbrachen, verdunkelte die Sonne; die Temperatur der Erde sank um mehrere Grad ab. Insgesamt starben 70 bis 85 Prozent aller Arten auf der Erde aus – darunter viele Tiere, die mehr als 25 Kilo wogen; und zu denen gehörten auch die >> Dinosaurier.

Die Erkenntnis, dass am Ende der Kreidezeit tatsächlich ein Massenaussterben stattgefunden hat, führte auch zu einer erneuten Beschäftigung mit der Frage, wie zuverlässig das Bild, dass Fossilienfunde vom Artenreichtum zeichnen, denn nun wirklich ist. Im Jahr 1982 veröffentlichten die amerikanischen Geologen Philip W. Signor und Jere H. Lipps einen Beitrag (220), in dem sie zeigten, dass Fossilienfunde tatsächlich plötzliche Aussterbeereignisse eher verschleiern: Da verschiedene Arten mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit als Fossilien erhalten bleiben, werden die letzten Exemplare einer Art unterschiedlich lange vor einem plötzlichen Aussterbeereignis als Fossilien fixiert werden. Nach Fossilienfunden zu verschiedenen Zeitpunkten verschwundene alte Arten können also durch ein einziges Aussterbeereignis vernichtet worden sein. Dieser nach den beiden Autoren benannte Signor-Lipps-Effekt führt also dazu, dass Fossilienfunde plötzliche Aussterbeereignisse schwerer erkennbar machen – und nicht, wie Lyell vermutet hatte, nur scheinbar vorgaukeln.

Massenaussterben und Erdgeschichte

Damit wurde ein genauerer Blick auf die Fossilgeschichte wieder interessant. Bereit 1841 hatte John Phillips, der Nachfolger Charles Lyells als Präsident der Geological Society of London, die Erdgeschichte nach den Fossilienfunden in drei Abschnitte Paläozoikum (Erdaltertum), Mesozoikum (Erdmittelalter) und Känozoikum (Erdneuzeit) eingeteilt:

Einteilung der Erdgeschichte anhand von Fossilienfunden

Aufgrund der unterschiedlichen Lebewesen in verschiedenen
geologischen Schichten
schlug der englische Geologe John
Phillips eine Zeiteinteilung vor, die noch heute Bestand hat.
Eigene Abbildung nach >> Michael Novacek: Terra, S. 42.

Schon die Skizze von John Phillips zeigte neben den drei großen Einschnitten zwei weniger tiefe, aber doch ebenfalls deutliche Einschnitte. Nun stürzten sich die Forscher mit modernen Methoden auf die Fossiliengeschichte, und versuchten die Biodiversität im Verlauf der Erdgeschichte genauer zu erfassen. Eines der Ergebnisse – eine Untersuchung anhand von Meeresfossilien – zeigt die folgende Abbildung:

Grafik, die die Entwicklung der Artenvielfalt in den letzten 600 Millionen Jahren darstellt

Entwicklung der Artenvielfalt in den letzten 600 Millionen Jahren anhand der Untersuchung fossiler Meeresorganismen. Die gelben Pfeile zeigen die großen fünf Massenaussterben an. Die Darstellung ist verändert nach der englischen Wikipedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Biodiversity, eingesehen am 2.3.2007) und beruht auf Daten von Rohde, R.A. & Muller, R.A. (2005): "Cycles in fossil diversity". Nature 434: 209-210. Lizenz: GFDL.

Der genauere Blick ergab, dass es neben den bereits von John Phillips erfassten fümf Massenaussterben (heute oft auch als "Big 5" benannt) mindestens fünf weitere Aussterbeereignisse gab, die sich ebenfalls in den Fossilienfunden nachweisen lassen. (Vorher – etwa zur Zeit des >> Schneeballs Erde – dürfte es ähnliche Einschnitte gegeben haben, die mangels Fossilien aber nicht belegt sind. Dazu kommt ein in den Fossilienfunden noch nicht nachweisbares, aber jetzt stattfindendes >> sechstes Massensterben, das vom Menschen verursacht wird.) Wenn das letzte der "Big 5"-Massenaussterben, wie Alvarez und Kollegen gezeigt hatten, auf einen Meteoriteneinschlag zurückging, galt ein solcher zunächst auch als wahrscheinliche Ursache für die anderen Aussterbeereignisse. Aber die Suche nach erhöhtem Iridiumgehalt und Schockquarz auch bei den anderen Ereignissen (die ersten vier der "Big 5" waren die Aussterbeereignisse am Ende des Ordoviziums – zum Überblick siehe die >> Geologische Zeittafel -, des Devons, des Perms und der Trias, geschahen also vor 443, 359, 252 und 201 Millionen Jahren. ) war ergebnislos. Stattdessen brachte die genaue Sichtung der verfügbaren Informationen über die Umweltbedingungen bei diesen Ereignissen die Erkenntnis, dass wohl jedes dieser Ereignisse auf ganz spezifische Umweltveränderungen zurückging, über die im Detail heute noch diskutiert wird: Am Ende des >> Ordoviziums –  darauf deuten Belege für Vergletscherungen auf der ganzen Welt zu dieser Zeit – war es wohl eine Eiszeit und ihre Folgen, die die Biodiversität zurückgehen ließ. Am Ende des Perms – das nach heutigem Wissen schlimmste Massenaussterben – war vermutlich es vermutlich ein ansteigender Kohlendioxidgehalt, der zu einem "durchgehenden Treibhauseffekt" führte (eine detailliertere Darstellung finden Sie hier: >> Die große Katastrophe). Über die Ursachen der Aussterben am Ende des >> Devons und der >> Trias besteht derzeit weniger Gewissheit.

Massenaussterben und Evolution

Mit der Entdeckung der Massenaussterben wurde die in Charles Darwins Evolutionstheorie enthaltene Annahme, dass Lebewesen in Folge der von Darwin entdeckten "natürlichen Auslese" aussterben, nicht widerlegt, sondern ergänzt. In der Erdgeschichte gibt es lange Zeiten, in denen dieser Faktor der wesentliche ist – auch ohne Katastrophen sterben Arten aus. Die Wahrscheinlichkeit wird als "natürliche Aussterberate" bezeichnet. Diese ist für jede Gruppe von Lebewesen spezifisch und wird in "Aussterben pro Millionen Speziesjahren" berechnet. Für Säugetiere beträgt der Wert zum Beispiel 0,25. Das heißt, pro Millionen Speziesjahren kommt es zu 0,25 Aussterbeereignissen – oder einem Aussterbeereignis pro vier Millionen Speziesjahren. Das es etwa 5.500 Säugetierarten auf der Erde gibt, würde man erwarten, dass (4 Mio. geteilt durch 5.500) etwa alle 700 Jahre eine Säugetierart ausstirbt. Dieser Wert wird auch als Hintergrundaussterberate bezeichnet. Gelegentlich kommt es aber zu katastrophalen Ereignissen, die in kurzer (geologisch unbedeutender) Zeit zu einer wesentlich höheren Aussterberate führen – dann redet man von Massenaussterben.

Hier wird die "natürliche Auslese" über den Haufen geworfen –  geologisch plötzliche Ereignisse sind auch für die Evolutionsgeschichte derart plötzlich, dass Organismen sich an die geänderten Bedingungen nicht anpassen können, sondern zufällige Anpassungen entscheidend sind. Ob Organismen Massenaussterben überstehen oder nicht, ist daher schlichtweg Glück. Eigenschaften, die zuvor das Überleben begünstigt haben – etwa die Größe der Dinosaurier – können sich bei einer Katastrophe als Nachteil erweisen. Die Säugetiere haben davon profitiert, dass sie kleiner –  und damit zahlreicher – und mit einem Fell geschützt waren; so konnten genug von ihnen überleben, um die Erde wieder zu besiedeln. Und mehr noch: mit dem Aussterben der bis dahin dominierenden Tiergruppe war deren Platz frei geworden – Lebensräume und ökologische Rollen waren nicht mehr oder nur schwach besetzt. So kommt es in der Regel nach Aussterbeereignissen zu einer schnellen Entwicklung und Ausbreitung neuer Arten (dieser Vorgang wird von den Biologen „Radiation“ genannt). Die Karten der Erdgeschichte sind nach einem Massenaussterben neu gemischt. Hätten die Säugetiere sich ohne Aussterben der Dinosaurier so entfalten können, wie sie es haben? Wäre es ohne diese Entfaltung zur Entstehung des Menschen gekommen? Vermutlich nicht – die Erdgeschichte zeigt, dass Massenaussterben dem Leben immer eine neue Richtung gegeben haben.

Mit dem Ende der Dinosaurier begann jedenfalls das >> Zeitalter der Säugetiere; und eines dieser Säugetiere machte sich die Erde untertan: >> der Mensch. Der Erfolg des Menschen hatte Auswirkungen auf das übrige Leben auf der Erde: erneut ist >> die Aussterberate dramatisch über die Hintergrundaussterberate angestiegen. Ein sechstes Massenaussterben ist jetzt gerade in vollem Gang. Auch dieses Massenaussterben ist einer der Gründe, warum viele Geologen glauben, dass wir mittlerweile in einem neuen Erdzeitalter, dem >> Anthropozän leben – der Epoche, die vom Menschen geprägt wird. Bereits heute haben wir die Erde so stark verändert, dass unübersehbare Spuren unserer Aktivitäten in der fossilen Hinterlassenschaft bleiben werden.

Die Seite zum sechsten Massenaussterben:
>> Das große Aussterben – die Vielfalt des Lebens geht verloren

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