Das Zeitalter der Industrie

Eine kleine Geschichte des Walfangs

Walfang im 18. Jahrhundert

Walfang im 18. Jahrhundert. Aus einem Reisebericht zu James Cooks Fahrten, Abbildung aus der
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NOAA Photo Library.

Wale werden seit vorgeschichtlichen Zeiten gejagt. Zuerst wurden Wale an Land getrieben, indem ihnen mit Booten der Weg zur offenen See abgeschnitten wurde und die Tiere mit Lärm und anderen Aktivitäten erschreckt werden; später wurden die Tiere mit einem Pfeil oder einer Harpune, die mit einem Treibanker markiert waren, verletzt - in der Hoffnung, dass sie später geschwächt und leichter zu erlegen waren. Prähistorische Felsbilder aus Südkorea zeigen, dass diese Methode schon vor 8.000 Jahren angewandt wurde; auch die japanischen Ainu, die nordamerikanischen Ureinwohner und die Basken jagten Wale mit Hilfe von Treibankern. Sie alle nutzten auch das Walfleisch; daneben waren Lampenöle aus Waltran der flüssige Brennstoff für Lampen, bevor fossile Brennstoffe genutzt wurden. Waltran konnte man auch zur Reinigung von Wollkleidung verwenden. Das „Fischbein“, die Barten der Bartenwale, war zudem eine Art Vorläufer des Plastiks: es diente als elastisches Material für Korsettstäbe, zur Herstellung von Schirmen, Reifröcken und ähnlichen Artikeln.

Der kommerzielle Walfang wurde in Europa erfunden. Spätestens seit dem 9. Jahrhundert jagten die Basken Wale im Golf von Biskaya – vor allem den langsam schwimmenden Nordkaper, der nach seinem Tod aufgrund des hohen Fettgehalts an der Oberfläche trieb. Mit der zunehmenden Nutzung mechanischer Werkzeuge wurde Walöl auch als Schmierstoff gebraucht. Die küstennahen Walvorkommen wurden als erste so intensiv bejagt, dass der Nordkaper hier bald selten wurde; im 14. Jahrhundert jagten die Basken daher auch im Ärmelkanal und schließlich im 15. Jahrhundert vor Neufundland. Aber als um 1600 holländische Seefahrer auf der Suche nach einer Nordostpassage nach China große Walbestände vor Spitzbergen entdeckten, begann auch hier eine intensive Waljagd. Holländer, Engländer, Dänen und später auch Deutsche und Amerikaner jagten hier den Grönlandwal (man hielt Spitzbergen damals irrtümlich für einen Teil Grönlands), der ähnlich leicht zu jagen war wie der Nordkaper. Die erlegten Tiere wurden nach dem Vorbild der Basken an den Strand geschleppt, wo das Fett zu Tran verkocht wurde – ein Wal erbrachte bis zu 12.000 Liter Tran. Genutzt wurden auch die Barten, den Rest der Tiere ließ man verrotten. Ab 1630 begannen die Holländer mit der Waljagd auf offener See.

Die ersten englischen Siedler in Nordamerika hatten dort neue Vorkommen des Nordkaper entdeckt. Bald florierte auch hier der Küstenwalfang - von Cape Cod bis Long Island. Besonders glücklich lag die Insel Nantucket, nämlich an der Route, entlang der die Wale von den Tropen in die Arktis zogen. Auch hier wurden durch die intensive Bejagung die Wale selten. Aber dann stieß Anfang 1712 ein - der Legende nach bei starkem Wind abgetriebenes - Walfangboot auf Pottwale; und zunehmend wurden diese neben Nordkaper und Grönlandwal bejagt: Zwar waren Pottwale schneller und damit schwieriger zu jagen, aber das in seinem Kopf enthaltene Walrat konnte genutzt werden, ohne es verkochen zu müssen. Es war ein sehr hochwertiger Kerzenbrennstoff, der hohe Preis machte die schwierige Jagd attraktiv. Zuerst wurden Pottwale vor der Ostküste Nordamerikas gejagt; nachdem sie hier selten wurden, folgten die Walfänger ihnen in den Südatlantik vor die afrikanische und die brasilianische Küste. Walfangreisen konnten jetzt ein Jahr lang dauern. Und obgleich der amerikanische Unabhängigkeitskrieg den amerikanischen Walfang schwer traf - der wichtige Markt in London fiel weg - wurden auch hier die Wale schließlich selten. Aber da brachten Captain James Cook und andere Nachricht von reichen Walgründen von der Botany Bay in Australien, von Hawaii und von Tahiti: Die amerikanische Waljagd verlagerte sich in den Pazifik. Der Walfang erreichte eine neue Dimension. Die Reisen in den Pazifik dauerten zwei bis vier Jahre (ein Schiff blieb sogar elf Jahre unterwegs); bei Problemen war Hilfe weit entfernt. (Der Untergang des Walfängers Essex, der von einem Wal gerammt wurde und unterging, inspirierte Hermann Melville zu seinem Roman „Moby Dick“.)

Pottwal (aus Brehms Tierleben)

Pottwal. Das Walrat im Kopf des Pottwals wird auch Spermaceti genannt, da man es früher für das Sperma des Wales hielt: wenn es abkühlt, nimmt wird es weiß und wachsartig (bei Körpertemperatur ist es klar und flüssig). Es dient als "akustische Linse" für die Schallortung. Abbildung aus Brehms Tierleben (entnommen aus >> wikipedia)

Anders verlief die Entwicklung in den Spitzbergener Buchten: Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Grönlandwal hier selten, so dass die Jagd auf Gebiete vor Grönland und Kanada verlegt werden musste. Die Holländer, die seit längerem auf offener See jagten, hatten das Fett erst nach der Rückkehr in den Hafen verkocht. Jetzt wurden die Wale aber oft neben den Schiffen abgespeckt und das Fett auf den Schiffen verkocht. Die Schiffe wurden zu einer Art Fabrikschiff; auch hier kamen die Mannschaften kaum noch an Land. Besonders beliebt bei den englischen und holländischen Walfängern waren als Besatzungsmitglieder Männer den nordfriesischen Inseln; auf Föhr waren um 1700 von 6.000 Einwohnern 1.600 im Walfang tätig.

Mitte des 19. Jahrhundertes entdeckten die Walfänger den Pazifischen Nordkaper, der in großen Beständen im Meer zwischen Japan und Alaska lebte; und mit der Einführung der Dampfschiffe (der erste dampfgetrieben Walfänger ging 1873 in Dienst) und der Erfindung der Harpunenkanone konnten nun auch die schnellen Furchenwale, wie Blau- und Finnwale, gejagt werden. Zwar wurde Walöl als Lampenbrennstoff nach der ersten erfolgreichen Ölbohrung im Jahr 1859 zunehmend von Petroleum abgelöst (>> mehr), aber Walöl wurde zum wichtigen Grundstoff der neu erfundenen Margarine und es wurde gebraucht, um den Sprengstoff Nitroglycerin herzustellen – die Walfangindustrie nahm einen neuen Aufschwung.

Das Muster der Jagd folgte dem des Nordkaper und der Grönland- und Pottwale: Die europäischen Jagdgebiete der Furchenwale wurde zuerst ausgebeutet, danach zogen die Fangflotten in den Südatlantik und die arktischen Gewässer. In den 1930er Jahren fingen 200 Walfangschiffe jährlich etwa 40.000 Wale in der Antarktis. Als auch diese Bestände abnahmen, wurde das Problem zurückgehender Walbestände unübersehbar, und 1935 trat das erste Völkerbund-Abkommen zur Begrenzung des Walfangs in Kraft – mit bescheidenem Erfolg, da wichtige Walfangnationen wie Norwegen und England die Fangquoten bestimmten; neue Walfangländer wie Deutschland und Japan ignorierten die Vereinbarungen, und auch Walfänger aus der Sowjetunion fingen (illegal) bis in die 1960er Jahre den Pazifischen Nordkaper weiter.

Während des Zweiten Weltkriegs wurden viele Fabrikschiffe durch Torpedos versenkt, damit ging auch der Walfang deutlich zurück. Seit 1948 werden von einer Internationalen Walfangkommission Fangquoten festgelegt – die einen weiteren Rückgang der Bestände aber nicht verhinderten. In den 1980er Jahren wurde die Öffentlichkeit, unter anderem durch spektakuläre Aktionen der damals jungen Umweltorganisation Greenpeace, die mit Schlauchbooten zwischen die Harpunen der Walfänger und fliehende Wale fuhr, auf den Walfang aufmerksam. 1986 setzte die Walfangkommission schließlich die Fangquoten auf Null. Seitdem herrscht faktisch ein Walfangverbot für Großwale. Von diesem gibt es drei Ausnahmen: die Jagd durch Ureinwohner für den lokalen Verbrauch in verschiedenen Regionen; die Jagd für wissenschaftliche Zwecke und die Jagd von Norwegen und Island, da diese Länder die Fangquote Null nicht anerkennen. (Tierschützer werfen zudem Japan vor, seinen „wissenschaftlichen Walfang“ eigentlich auch aus kommerziellen Gründen durchzuführen, zumal es die Kriterien der Internationalen Walfangkommission für wissenschaftlichen Walfang nicht einhält.)

Südkaper
Springender Südkaper vor der argentinischen Küste. Diese Art hat sich am besten vom Walfang erholt, heute gibt es wieder einige Tausend Tiere. Foto: Michael Catanzariti, >> wikipedia commons, Lizenz: >> GNU 1.2

Seit Beginn des Walfangverbotes haben sich die Bestände der Großwale dennoch erholt, aber bei den meisten Arten nicht soweit, dass ein nachhaltiger Walfang bereits wieder möglich wäre – so wird der Bestand an Blauwalen auf weltweit auf etwa 1.000 bis 2.000 Tiere geschätzt (zum Vergleich: in der Fangsaison 1930/31 wurden allein 19.000 Blauwale gefangen). Noch seltener ist der Pazifische Nordkaper, von dem es höchstens noch ein paar Hundert Tiere gibt und deren Überleben nach wie vor fraglich ist. Der Nordkaper ist im östlichen Teil des Atlantik ausgerottet; das Vorkommen im westlichen Teil erholt sich nur sehr langsam - es leidet an Kollisionen mit Schiffen und Fischernetzen im dichtbefahrenen und befischten Meer vor der amerikanischen Küste, und vermutlich auch an der Gewässerverschmutzung und dem Lärm der Schiffsmotoren. Dagegen haben sich die Bestände des Südkapers gut erholt, von dieser Art leben heute wieder mehrere Tausend Tiere. Nach wie vor werden aber in vielen Ländern Kleinwale wie Delfine gejagt; oft auch nur, da diese als Konkurrenz für die Fischer gesehen werden, die aufgrund der >> Überfischung der Weltmeere immer weniger fangen.

Die ökologischen Folgen des Walfangs

Vor hundert Jahren beschrieben Seefahrer, dass im Südpolarmeer gigantische Krillbestände (>> mehr) das Meer verfärbten, soweit das Auge reichte. Die Wale fraßen geschätzte 180 Millionen Tonnen Krill im Jahr - mehr, als heute die Menschheit durch Fischerei und Aquakultur aus den Meeren ernten. Seit die Wale im Südpolarmeer gejagt werden, sind die Bestände des Krills jedoch um 80 Prozent zurückgegangen: Ein unerwartetes Ereignis, sollten doch Beutetiere eigentlich davon profitieren, wenn die Jäger zurückgehen. Lange Jahre stellte dieses “antarktische Paradox” die Meeresbiologen vor ein Rätsel.

Inzwischen gibt es eine plausible Erklärung: Der flüssige, an der Oberfläche treibende Kot der Wale enthielt Nährstoffe, vor allem Eisen, die reichlich Algenwachstum ermöglichten; von den Algen lebte wiederum der Krill. Die vom Krill selber gefressene Biomasse wird nach ihrem Ausscheiden von Mikroorganismen zerlegt und bleibt ebenfalls in der Schwebe. Früher haben Walherden offenbar verhindert, dass Krill tagsüber in die Tiefe abtaucht, so dass diese Nährstoffe ebenfalls in der lichtdurchfluteten obersten Schicht blieben. Durch das Fehlen der Wale wird dieser Düngerkreislauf unterbrochen; Krill wird heute hauptsächlich von Salpen gefressen, deren Kot rasch absinkt. Das einst so produktive Südpolarmeer wurde dadurch ökologisch schwer gestört. 

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