Beispiel
Ruhrgebiet
Als im Ruhrgebiet ab Mitte des 19. Jahrhundert die
Industrialisierung Fahrt aufnahm (>>
Luftverschmutzung: Beispiel Ruhrgebiet),
stieg auch der Wasserverbrauch: Die neuen Industrien brauchten große
Mengen Wasser (Kohlen etwa wurden gewaschen, um Beimengungen und
Staub zu entfernen), und auch die zunehmende Bevölkerung trug dazu
bei, dass Wasser zu einem knappen Gut wurde (1405).
Der wichtigste Wasserlieferant war die Ruhr. Mächtige Kiessande
entlang der Ufer filterten das Wasser, so dass dieses ohne
Behandlung verwendet werden konnte. Ende der 1860er Jahre begannen
die Ruhrgebietsstädte, zentrale Wasserversorgungen und eine
Kanalisation zu bauen. Problematisch blieb, dass der Wasserstand der
Ruhr stark schwankte und es daher in Trockenzeiten immer wieder zu
Wassermangel kam, so etwa im Jahr 1882/83. Die Wasserentnahme lag da
bereits bei 90 Mio. Kubikmetern, sie stieg bis zum Jahr 1911 auf 300
Mio. Kubikmeter. Mittlerweile war aufgrund der zunehmenden
Wasserverschmutzung das Wasser der Ruhr alles andere als gesund: sie
wurde 1911 als "braunschwarze Brühe, die stark nach Blausäure
riecht, keine Spur Sauerstoff enthält und absolut tot ist" (1410)
beschrieben. Dies hatte weiträumige Auswirkungen, denn mit der
Ausdehnung von Industrie und Besiedelung musste das Ruhrwasser auch
zur Versorgung der nördlich gelegenen Emscherregion genutzt (das
Wasser der Emscher taugte schon in den 1880er Jahren höchstens noch
als Industriewasser [>> Wasserverschmutzung
im Ruhrgebiet]), was aber die Industriebetriebe nicht
hinderte, auch in die Ruhr zum Teil hochgiftige Abwässer
einzuleiten.
Schon 1902 wurde daher das Wasser aus der Ruhr von der Preußischen
Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen als
"unzweifelhaft ungesund" bezeichnet, von Witten bis Essen könne es
"als Trinkwasser nicht mehr benutzt werden". 1906 wurden vom
Reichsgesundheitsamt Anforderungen an das Trinkwasser festgehalten,
die im Ruhrgebiet nicht erreicht wurden. Das hatte Folgen: Schon
1901 war es in Gelsenkirchen zu einer Typhusepidemie mit rund 500
Toten gekommen, nachdem die Wasserwerke ungereinigtes Ruhrwasser in
ihr Netz eingespeist hatten; bei Hoch- und Niedrigwasser musste das
Leitungswasser oft abgekocht werden. Um diese Zeit begann auch der
Bau von Talsperren im Sauerland, um die Wasserführung der Ruhr zu
sichern. Um das Trinkwasser von Krankheitserregern zu befreien,
wurde im Sommer 1911 (erstmals in Mitteleuropa) die Chlorung des
Trinkwassers erprobt und anschließend die Wasserwerke mit
Chlorungseinrichtungen ausgestattet. 1911 war auch ein wieder ein
trockenes Jahr, in dem die Ruhr die Nachfrage nicht decken konnte.
August Thyssen ließ die Ruhr illegal aufstauen, um die
Wasserversorgung seiner Eisenwerke zu sichern, gegenüber der
Aufsichtsbehörde drohten seine Direktoren, dass ein Eingreifen dazu
führen würde, dass tausende von Arbeitern ohne Verdienst seien. Die
Zechen wiesen auf die Gefahr von Kohlenstaubexplosionen hin, sollte
ihre Wasserversorgung eingeschränkt werden.
Trotzt der Ruhrtalsperren kam es in Folge des weiter steigenden
Wasserverbrauchs (1927: 600 Mio. Kubikmeter) dennoch weiter zu
Wassermangel, 1929 musste Rheinwasser die Ruhr hochgepumpt werden.
Erschwert wurde die Wasserversorgung von der weiter kaum gebremsten
Abwassereinleitung, die Historiker Franz-Josel Brüggemeier und
Thomas Rommelspacher gewannen aus Akten aus jener Zeit den Eindruck,
die Trinkwasserversorgung des Reviers sei "ständig am Rande einer
Katastrophe" entlangbalanciert (1415).
1943 überlegte das Reichsinnenministerium gar, die
Trinkwassergewinnung aus der Ruhr nach Kriegsende aufzugeben und das
Ruhrgebiet aus den Talsperren im Sauerland sowie aus dem Rhein zu
versorgen. Im Sommer 1952 kam es in Essen zu Fällen von
Kinderlähmung, die auf Fäkalien zurückzuführen waren. Die
Gesundheitsbehörden drohten an, illegale Abwassereinleitungen nicht
mehr zu dulden. Aber die Anstrengungen hielten der
Abwasserproduktion nicht stand, zudem neue Belastungen hinzukamen:
der zunehmende Chemikalieneinsatz in den Haushalten und
Schwermetalle aus der sauerländischen Eisenindustrie. So
verschlechterte sich der Wasserqualität der Ruhr weiter. Erst mit
dem Aufkommen der Umweltbewegung in den 1970er Jahren floss viel
Geld in die Abwasserreinigung, aber noch 1985 stellte der
Ruhrverband fest, dass die Ruhr nicht die Anforderungen erfüllt,
"denen ein Rohwasser für die Trinkwasserversorgung entsprechen
muss". So wurde weiterhin gechlort. Der Verbrauch betrug Anfang der
1980er Jahre bereits 1,3 Mrd. Kubikmeter Waser, er konnte nur
mithilfe von mittlerweile 14 Talsperren und Rückpumpwerken, die den
Fluss mit Rheinwasser speisen können, gedeckt werden.
Heute ist die Ruhr überwiegend mäßig, auf Teilstücken aber nach wie
vor kritisch belastet, Baden ist nach wie vor verboten. Von Zeit zu
Zeit werden problematische Stoffe im Ruhrwasser gefunden: 2006 etwa
perfluorierte Tenside (PFT, eine Verunreinigung von Düngemitteln,
die im Verdacht steht, krebserzeugend zu sein) oder 2008 eine
Chemikalie namens 2,4,8,10-Tetraoxaspiro(5.5)undecan (TOSU) aus dem
Abwasser eines Industriebetriebes. Das Trinkwasser ist durch
aufwändige Aufbereitung aber inzwischen einwandfrei.
Die Umgestaltung der Erde
Um sich das Wasser in diesem Ausmaß zugänglich zu machen, musste
die Erde umgestaltet werden: Flüsse wurden begradigt,
umgeleitet und aufgestaut, und manche von ihnen gleich
ganz geleert. Einer der ersten Flüsse, den der Mensch zu zähmen
begann, war der Rhein: Tullas im Jahr 1817 beginnende
“Rheinkorrektur” zwang den Oberrhein in ein begradigtes Bett und
machte den Rhein schiffbar - und zur Basis der industriellen
Entwicklung in Städten wie Mannheim, Köln, Düsseldorf und Duisburg.
Noch größer war aber der Einfluss von Staudämmen.
Staudämme sind eine uralte
Erfindung der Menschheit. Bereits vor 4.900 Jahren wurde am Nil
Wasser umgeleitet, in China baute man vor der Zeitenwende bereits
bis 30 Meter hohe Erddämme. Aus byzantinischer und römischer Zeit
bezeugen Dämme und Aquädukte den Aufwand, der zur Versorgung der
Städte mit Wasser getrieben wurde. Mit der Industrialisierung
standen jedoch ganz neue technische Möglichkeiten zur Verfügung. Der
erste Mega-Staudamm war der 1935 fertiggestellte Hoover-Damm, der
den Colorado River in den USA aufstaute. Nach dem Zweiten Weltkrieg
waren gigantische Wasserbauprojekte oftmals auch politische
Statussymbole. Über 45.000 große Staudämme mit einer Fläche von über
400.000 km² (größer als Deutschland) wurden seither gebaut; 172 der
292 großen Fluss-Systeme der Erde wurden von Staudämmen verändert.
Staudämme dienen verschiedenen Zwecken: Der Erzeugung von Strom, der
Erleichterung der Schifffahrt oder der Wasserspeicherung für
Bewässerung und Städte. Eine Untersuchung der Weltbank, die im Jahr
2000 veröffentlicht wurde, zeigte jedoch, dass die meisten Staudämme
nicht hielten, was vor ihrem Bau versprochen wurde: sie lieferten
weniger Strom und weniger Wasser. Von der wirtschaftlichen
Entwicklung profitierte zumeist nicht die lokale Bevölkerung,
sondern die städtische Elite.
Der Indus
Viele moderne Großprojekte zur Bewässerung wurden von
Kolonialmächten begonnen - in den Kolonien gab es oft fruchtbaren
Boden, aber kein Wasser. In Indien gab es jedoch eine Vorgeschichte:
Schon seit der Mogulzeit gab es Riesen-Bewässerungsanlagen, die
selbst den Briten Respekt einflößten. Die Briten gingen im Jahr 1885
daran, die Steppen und Wüsten der Provinz Punjab in Britisch-Indien
(heute zu Indien und Pakistan gehörend) mit Wasser aus dem Indus in
Weizen- und Baumwollfelder zu verwandeln. Die vorher rückständige
Provinz wurde so bis 1915 zur reichsten des indischen Empire.
Dadurch ermutigt, dehnten die Briten das Bewässerungsgebiet immer
weiter aus - es wurde zum größten zusammenhängenden
Bewässerungsgebiet der Erde. Ähnlich gingen sie am Ganges und am
Cauvery vor. Als Großbritannien 1947 Indien verließ, war die
Bewässerungsfläche größer als das Mutterland.
Indien und Pakistan machten nach ihrer Unabhängigkeit weiter, wo
Großbritannien aufgehört hatte. Nehru, der erste Premierminister
Indiens, bezeichnete Staudämme als „Tempel des modernen Indien“.
Allerdings waren die für Staudämme geeigneten Täler dicht besiedelt;
und alleine in Indien mussten 16 bis 38 Millionen Menschen -
genauere Zahlen gibt es nicht - ihre Heimat verlassen. Vor allem die
indische Stammesbevölkerung fand sich oft ohne Land wieder; und in
den 1980er Jahren begann mit dem Widerstand gegen den Bau eines
Staudammes am Narmada eine Umweltbewegung, die zum
Vorbild für andere Länder wurde. Angeführt von der Dozentin Medha
Paktar führte der Widerstand zumindest dazu, dass die Weltbank ihre
Staudamm-Strategie überdachte und die umgesiedelten Talbewohner
entschädigt wurden. Die Auseinandersetzungen um den Staudamm halten
bis heute an, aber seither wurde manches Großprojekt in Indien
eingestellt. Auch in Indien hielten zudem die Staudämme in der Regel
nicht, was ihre Planer versprochen hatten, weder bei der Bewässerung
noch bei der Stromerzeugung; in vielen Fällen spiegeln die
Auseinandersetzungen auch den Kampf des ländlichen Indien mit einer
langen Tradition lokaler Bewässerung gegen das städtische, zentral
planende Indien wieder, sind also ebenso ein sozialer wie ein
ökologischer Konflikt.
Auch Pakistan baute weitere Dämme und erhöhte seine bewässerte
Fläche auf 160.000 Quadratkilometer im Jahr 1990 - der Indus
bewässert 90 Prozent der Felder und liefert die Hälfte des Stromes
im Land. Ab den 1960er Jahren wurde aber die Versalzung der Felder
spürbar: Der Indus trägt jedes Jahr über 20 Millionen Tonnen Salz in
die Ebene, von denen die Hälfte auf den Feldern verbleibt. Heute ist
ein Zehntel der Anbaufläche verloren, jedes Jahr werden weitere
40.000 Hektar aufgegeben. Auf den anderen Feldern versuchen die
Bauern, das Salz wegzuspülen - hierfür hat aber selbst der Indus
nicht genug Wasser. Durchschnittlich werden 170 Kubikkilometer
Wasser im Jahr entnommen - der Indus führt im Mittel 180
Kubikkilometer. In den letzten Jahren hat der Fluss, an dem einst
mit der Induskultur eine der ersten Kulturen der Menschheit
entstanden war (mehr >>
hier), oft das Meer nicht mehr erreicht. Im Indusdelta dringt
aufgrund des fehlenden Süßwassers das Meer immer weiter vor und hat
etwa 40 Prozent der Mangroven zerstört, aus denen die Küstenbewohner
bisher Fisch und Garnelen im Wert von 20 Millionen US-Dollar im Jahr
ernten.
Pakistan ist zudem derart abhängig vom Wasser des Indus, dass
Drohungen nationalistischer indischer Politiker, Pakistan das
Wasser abzusperren, immer wieder für Unruhe sorgen - da sowohl
Indien als auch Pakistan Atommächte sind, ist dieser Konflikt auch
für den Rest der Welt beunruhigend.
Der Kampf um den Colorado River
Mit dem Hoover-Damm begann nicht nur die
Geschichte der Stauseen, sondern auch die massive Wassernutzung am
Colorado River. 30 Millionen Menschen im Westen der USA hängen von
seinem Wasser ab; Kanäle bringen Wasser aus dem Colorado River nach
Los Angeles, San Diego, Phoenix und Tucson und er bewässert die
Landwirtschaft entlang des Flusses und von großen Teilen
Kaliforniens und Arizonas. Mit den Stauseen wurden großartige
Landschaften zerstört; vor allem der 1964 fertiggestellte
Glen-Canyon-Damm zerstörte den gleichnamigen Canyon - bis heute
kämpfen Naturschützer für einen Abriss des Damms zur
Wiederherstellung dieses Canyons (siehe >> Glen
Canyon Insitute).
Seit 1993 erreicht praktisch kein Wasser mehr die Mündung des
Colorado; eine seit dem Jahr 2000 anhaltende Trockenheit hat den
Wasserspiegel in den Stauseen um bis zu 60 Prozent fallen lassen.
Dieses gefährdet nicht nur die Feuchtgebiete im Delta; durch die
intensive Wassernutzung nimmt auch die Versalzung des Flusswassers
zum Unterlauf hin immer weiter zu. Die Versalzung bedroht
mittlerweile die Zukunft der Landwirtschaft in Amerikas Westen, die
ohnehin durch den Wasserdurst der Städte gefährdet ist.
Der Tod des Aralsees
In der Sowjetunion wurden unter Stalin große Wasserkraftwerke
entlang der Wolga, am Dnjepr, am Don und am Dnjestr errichtet. Ab
den 1950er Jahren begann die Bewässerung Mittelasiens, die die
Sowjetunion von Baumwollimporten unabhängig machen sollte. Dazu
nutzte sie das Wasser des Amurdarja, der im
Hindukusch entspringt, und des Syrdarja, der im
Tien-Shan-Gebirge entspringt. Die Ingenieure leiteten am Ende 110
Kubikkilometer pro Jahr ab, um auf Millionen Hektar Land Baumwolle
anzupflanzen. Der einst für sein blaues Wasser bekannte Aralsee, der
viertgrößte Süßwassersee der Welt, größer als Belgien und die
Niederlande zusammen, schrumpfte auf ein Drittel seiner einstigen
Größe; er enthält noch ein Zehntel seiner ursprünglichen
Wassermenge. Der Fischfang, der früher 44.000 Tonnen im Jahr betrug
und 60.000 Menschen beschäftigte, war völlig zusammengebrochen. Vom
ausgetrockneten Seegrund tragen die Winde ein Gemisch aus Salz und
landwirtschaftlichen Chemikalien in die Umgebung, das die Erträge
der Baumwolle reduziert, Gebäude korrodieren lässt und Augen- und
andere Krankheiten bei den Menschen verursacht. Der See kann auch
das Klima nicht mehr wie früher mildern, die Sommer sind um
durchschnittlich drei Grad wärmer geworden.
Heute bekennen sich die anliegenden Nachfolgestaaten der
Sowjetunion zur Rettung des Aralsees. Die offene Frage ist, wie
ernst diese Bekenntnisse sind. In Usbekistan dienen 80 Prozent der
landwirtschaftlichen Fläche der (überwiegend staatlichen)
Baumwollproduktion, gegen die zunehmende Versalzung wird Süßwasser
zur Spülung gebraucht - Turkmenistan und Usbekistan sind pro Kopf
die beiden größten Wasserverbraucher der Welt. Trotzdem ist
mancherorts die Versorgung mit Trinkwasser schwierig geworden - das
Grundwasser ist versalzen. Der englische Journalist Fred Pearce
berichtet, dass “es den Menschen hier kaum besser [geht] als den
Bewohnern des ländlichen Afrika”, die durchschnittliche
Lebenserwartung sei von 64 auf 51 Jahre gesunken. Solange die
Staaten am Anbau von Baumwolle festhalten, wird sich daran auch kaum
etwas ändern.
Der Nil-Staudamm bei Assuan
1960 begann Ägypten mit dem Bau eines Staudamms
bei Assuan. Mit dem Damm wurden die Nilhochwasser unter Kontrolle
gebracht. Er sorgte für eine beständige Wasserversorgung und
ermöglichte so zwei bis drei Ernten im Jahr, außerdem produzierten
die Turbinen ein Drittel des ägyptischen Stroms. Allerdings fing der
Damm auch 98 Prozent des Schlamms auf, der seit Urzeiten die Böden
im Niltal gedüngt hatte – Ägypten wurde zu einem Großverbraucher an
chemischen Düngemitteln, für deren Herstellung ein Großteil des
erzeugten Stroms gebraucht wurde. Das Nildelta, das zwei Drittel der
landwirtschaftlichen Nutzfläche umfasst, begann mangels Bodenzufuhr
zu schrumpfen. Ohne die Hochwässer wurde Bodenversalzung zu einem
Problem, insbesondere im Norden, wo Meerwasser landeinwärts dringen
kann, und in den Bewässerungskanälen breitet sich die
Wasserhyazinthe aus und mit ihr Bilharziose übertragende
Schneckenarten aus (Bilharziose ist eine Tropenkrankheit, bei der
der menschliche Körper von Saugwürmern befallen wird). Außerdem
verdunsten im Stausee jedes Jahr 10 bis 16 Kubikkilometer Wasser,
ein Viertel des Zuflusses aus dem Nil.
Der ägyptische Staatspräsident Nasser hat oft auf das
Bevölkerungswachstum als hinreichenden Grund für den Bau des Dammes
hingewiesen. Seit dem Bau des Dammes hat sich die Bevölkerung
verdoppelt, und heute ist das Wasser wieder knapp: Der Stausee war
letztlich nur ein Aufschub, für den heute die ökologischen
Folgekosten mitbezahlt werden müssen.
Der Drei-Schluchten-Damm in China
Ein aktuelles Beispiel ist der Drei-Schluchten-Damm in China. Der
185 Meter hohe Damm staut den Jangtsekiang, soll Fluten verhindern
und Strom erzeugen. Mit einer Generatorleistung von 18.200 Megawatt
Strom ist er das größte Wasserkraftwerk der Erde; tatsächlich
erzeugt werden durchschnittliche 9.600 Megawatt Strom. Der Schutz
schränkt die Stromerzeugung ein - zu Zeiten der Flutgefahr kann der
Damm nicht voll gefüllt werden, da er dann kein zusätzliches Wasser
mehr aufnehmen könnte. Für den Damm mussten etwa zwei Millionen
Menschen umgesiedelt werden; die Bauern mussten vom fruchtbaren
Schwemmland des Jangtsekiang in schlechter geeignete, höhere Lagen
ziehen; die versprochenen Entschädigungen sind oft noch nicht
gezahlt worden. Da nicht nur Bauern, sondern auch ganze Städte,
Fabriken und Minen in dem Überschwemmungsgebiet liegen, ist eine
chemische Verschmutzung des Wassers zu befürchten; außerdem wird der
Lebensraum von Tier- und Pflanzenarten bedroht - der Damm bedroht
etwa die Vorkommen des Chinesischen Störs und des Jangtse-Störs.
Die Dammgegner, deren prominenteste die chinesische
Schriftstellerin Dai Qing ist, fürchten, dass sich
am Drei-Schluchten-Damm die Geschichte des Assuan-Dammes wiederholen
wird: Der Damm wird verhindern, dass das Sediment die Felder düngt,
und es wird im Laufe der Zeit die Kapazität des Stausees selbst
verringern. Wenn der See zum Schutz vor Fluten wenig Wasser führt,
könnte er zur Brutstätte für Krankheitserreger werden. (Mehr
Informationen: >>
Drei-Schluchten-Damm beim International Rivers Network
[englischsprachig]). Die chinesischen Projektgegner um Dai Qing
lehnen nicht Staudämme generell ab, halten aber den
Drei-Schluchten-Damm für schlampig geplant; kleinere Staudämme an
Zuflüssen könnten aber eine Alternative zu Kohlekraftwerken sein.
Das größte Bauprojekt der Welt - die Umleitung des Jangtsekiang
Im Jahr 2003 hat ein noch größeres Projekt begonnen: Die Umleitung
des Jangtsekiang in den Norden. Mit diesem Projekt will China den
Wassermangel in der nordchinesischen Ebene beenden. Nach der
Fertigstellung Mitte des Jahrhundert sollen jährlich knapp 45
Kubikkilometer Wasser aus dem Jangtsekiang den Gelben Fluss
entlasten - das ist eine Wassermenge, die dem gesamten Wasserfluss
des Gelben Flusses entspricht. Die Umleitung besteht aus drei
verschiedenen Abschnitten: Der östliche bringt Wasser aus der
Mündungsregion in die Provinz Shandong und die Stadt Tianjin; der
mittlere aus dem (vergrößerten) Danjiangkou-Stausee nach Peking und
Umgebung; und der westliche soll Wasser aus dem Quellgebiet direkt
in den Oberfluss des Gelben Flusses führen.
Ein Projekt “ganz nach dem Geschmack von Chinas Kommunistischer
Partei” (Spiegel online), das das natürliche Wassersystem Chinas
völlig umgestalten würde. Die Bewegung, die sich seit dem Bau des
Drei-Schluchten-Dammes in China gegen Dammbauten gebildet hat, weist
darauf hin, dass mit dem Geld viel sinnvoller etwas gegen die
Wasserverschwendung in China getan werden könnte - zumal absehbar
nur die Hälfte des abgeleiteten Wassers im Norden ankommen wird.
Flussumleitungen - die nächste Welle?
Flussumleitungen werden auch in Indien diskutiert - das “River
Interlinking Project” soll Wasser aus dem Ganges und dem
Brahmaputra, die viel Monsunwasser führen, in den trockenen Süden
bringen - falls nicht die Chinesen schneller sind, die angeblich
ebenfalls die Umleitung des dort entspringenden Brahmaputra planen.
In Spanien wird immer wieder überlegt, Wasser aus dem Ebro in den
trockenen Süden, nach Murcia und Almería, zu bringen. Und in
Russland werden alte sowjetische Pläne wieder aus der Schublade
geholt, das Wasser der großen sibirischen Flüsse in die
Baumwollanbaugebiete Mittelasiens zu leiten.
Diese Pläne würden enorme Kosten verursachen - die offiziellen
Schätzungen in Indien gehen bis 200 Milliarden Dollar; in Spanien
wäre das Wasser teurer als selbst der Bau von Entsalzungsanlagen.
Dazu kommen die Schäden an den Flüssen, aus denen das Wasser kommt -
in Spanien würde das Ebrodelta zerstört, in Indien protestiert das
am Unterlauf von Ganges und Brahmaputra liegende Bangladesh gegen
die Pläne. Der Wassermangel lässt sich auf Dauer nicht gegen die
Natur lösen, wie alle bisherigen Erfahrungen zeigen.
Wenn die Flüsse versiegen - die Folgen der Umgestaltung
Die Umgestaltung der Erde hatte Folgen: Nicht nur der Indus, auch
die meisten anderen Flüsse, deren Wasser einst das Entstehen der
ersten Hochkulturen ermöglichten, führen heute kaum noch Wasser bis
zur Mündung - der Nil, der Ganges und der Gelbe Fluss. Dabei gingen
weltweit etwa die Hälfte aller Feuchtgebiete verloren, des nach den
tropischen Regenwäldern artenreichsten Lebensraums. Manche wurden
gezielt für die Landwirtschaft trockengelegt, anderen indirekt durch
Stauseen und Bewässerungsanlagen am Oberlauf das Wasser entzogen.
Für viele arme Bauern war dies eine Katastrophe - in armen Ländern
sind sie auf das kostenlose Wasser von Überschwemmungen und den
düngenden Schlamm angewiesen. In vielen Fällen glichen die
finanziellen Gewinne am Oberlauf die Verluste bei weitem nicht auf:
So hat das britische Entwicklungshilfeministerium errechnet, dass
nach dem Bau von Staudämmen am Hadejia im Norden
Nigerias, die das einst riesige Hadejia-Nguru-Feuchtgebiet
nahezu zerstörten, der Gewinn pro Hektar von 167 auf 20 Dollar sank
- nicht eingerechnet die ökologische Funktion des Feuchtgebiets, das
den Vormarsch der Sanddünen aus der Sahel-Zone aufhielt. Die
traditionellen Gemeinschaften in den Feuchtgebieten beweisen immer
wieder, dass ihre wirtschaftliche Nutzung mit den richtigen
Techniken umweltverträglich möglich wäre.
So auch am Mekong: 60 Millionen Menschen leben im
Einzugsgebiet dieses über 4.000 Kilometer langen größten
südostasiatischen Flusses direkt oder indirekt vom Fischfang. Die
Fische wachsen in Gewässern in den Regenwäldern heran, die der
Mekong nach den Monsunregenfällen überflutet - Biologen bezeichnen
das An- und Absteigen des Wasserspiegels hier als “Herzschlag des
Flusses”. Der Fischreichtum ist aber gefährdet: China hat bereits
sieben Dämme über den Hauptarm des Oberlaufs des Mekong (der in
China Lancang heißt) gebaut, fünf weitere sind in Planung; Thailand,
Vietnam und Laos haben Nebenflüsse gestaut. Obgleich das Herz des
Mekong jetzt schon schwächer schlägt, die überschwemmte Waldfläche
kleiner wird und weniger fruchtbarer Schlick im Mekong-Delta
ankommt, planen nun auch Laos und Kambodscha Dämme über den Hauptarm
– die ersten im Unterlauf. Der hier erzeugte Strom wird vor allem
die boomenden Städte in Thailand und Vietnam versorgen. Die
Regierungen versprechen, dass billiger Strom auch der eigenen
Bevölkerung zu Gute kommt – nur ein Drittel der Bevölkerung
Kambodschas und zwei Drittel der Bevölkerung Laos sind mit Strom
versorgt. Aber die Gegner der Dämme glauben, dass die absehbaren
Verluste in der Fischerei die Armut verschärfen werden.
Dabei gäbe es bessere Lösungen. Durch andere, ebenso saubere Formen
der Energieerzeugung könnte die gleiche Strommenge sogar billiger
erzeugt werden, aber diese Techniken sind in Südostasien nicht so
bekannt und verfügbar wie Wasserkraft. Deutlich weniger Folgen für
die Fischerei könnten auch sichergestellt werden, würden die
Anrainerstaaten sich bei der Auswahl der Standorte für Dämme besser
abstimmen. Aber die hierfür mit Unterstützung internationaler
Organisationen gegründete Mekong River Commission wurde
durch Laos düpiert, das im vergangenen Jahr – nachdem es dieses
lange abgestritten hatte - zugab, trotzt einer negativen
Stellungnahme der Commission bereits am Xayaburi-Damm
über den Hauptarm zu bauen. Mit diesem Präzedenzfall ist das Tor
auch für die zehn weiteren geplanten Dämme am Unterlauf weit
geöffnet. Verlierer werden die Menschen sein, die vom Fischfang
leben. (Auch in vielen anderen regulierten Flüssen ist die
Artenvielfalt aus ähnlichen Gründen zurückgegangen: Viele Fische
brauchen die Überschwemmung von Flachwassergebieten als Signal zum
Laichen.)
Auch Feuchtgebiete haben eine zentrale Funktion
im Wasserkreislauf: Sie halten das Wasser nach Starkregen oder bei
der Schneeschmelze zurück und verhindern damit Hochwasser außerhalb
der Überschwemmungsgebiete. (Bei eingedeichten Flüssen werden diese
Hochwasser vermieden, indem das Wasser schneller abfließt - und
Überschwemmungen flussabwärts verursacht; bisher ist noch kein
großer Fluss dauerhaft gezähmt worden, wie auch in Deutschland die
Anwohner von Rhein und Elbe wissen.) Da die Überschwemmungsgebiete
wasserdurchlässig sind, füllen sie die Grundwasserspeicher wieder
auf. Die Vernichtung von Feuchtgebieten reduziert damit das zur
Verfügung stehende Wasser. Trotzdem kommt es auch hinter Staudämmen
immer wieder zu katastrophalen Überschwemmungen, wenn die Betreiber
bei Hochwasser Wasser aus den Stauseen ablassen, um den Staudamm zu
schützen - oder wenn die Dämme versagen. Während die Trockenlegung
von Feuchtgebieten die Grundwasserneubildung einschränkt, verringert
auch die Verdunstung aus den Stauseen die Wassermenge: Die
Verdunstung kann in heißen Regionen wie am Assuan-Damm bis zu einem
Viertel der Wassermenge und mehr betragen.
Eine weitere ökologische Folge wurde auch Umweltschützern erst in
den letzten Jahren bewusst: Staudämme können zum >> Klimawandel
beitragen. Die überflutete Vegetation verrottet und setzt riesige
Mengen der >>
Treibhausgase Kohlendioxid und Methan frei - die Treibhausgase
von solchen Wasserkraftwerken können die von Kohlekraftwerken
übertreffen, wie eine Studie in Brasilien ergab! Dieses kann über
sehr lange Zeiträume so bleiben, da die Verrottung sich etwa im
Amazonas bis zu 500 Jahre hinzieht und zudem der Zufluss weitere
Pflanzen mitbringt. Die Sauerstoffarmut der stehenden Gewässer führt
dann dazu, dass viel Methan entsteht, das als Treibhausgas noch
wirksamer ist als Kohlendioxid.
Neben den ökologischen gibt es auch soziale Folgen: Indien (siehe
oben) ist nicht das einzige Land, in dem Menschen ihre Heimat
verloren - weltweit waren es mindestens 80 Millionen Menschen.
Alleine in China wurden für Dämme offiziell 10 Millionen Menschen
umgesiedelt, inoffizielle Schätzungen reichen bis zu 40 Millionen
umgesiedelte Menschen. Sie verloren damit oft ihre
Existenzgrundlage, zuweilen unter Anwendung brutaler Methoden. Da
die Menschen oft keine oder eine sehr geringe Entschädigung
erhalten, landen viele ehemalige Bauern danach in den Slums der
Megastädte. In der Sowjetunion mussten die umgesiedelten Menschen
sogar beim Niederbrennen ihrer Häuser mithelfen.
Durstige Landwirtschaft
Die Landwirtschaft hat heute am weltweiten Wasserverbrauch einen
Anteil von 69 Prozent (in Europa von 33 Prozent); dies auch dank der
>>
grünen Revolution. Die Erträge der Hochertragssorten hängen
aber von der Bewässerung ab, auf die etwa die Hälfte der erzielten
Ertragssteigerungen zurückgeht - 18 Prozent der landwirtschaftlichen
Fläche wird bewässert, und diese bringt 40 Prozent der gesamten
Erträge hervor (>>
Industrielle Landwirtschaft). Die grüne Revolution war daher
oft mit dem Aufbau von Staudämmen und Bewässerungskanälen verbunden;
anderswo wurde zur Bewässerung der Felder Grundwasser genutzt (zur
Grundwassernutzung siehe >>
hier).
Von virtuellem, grünen und blauem
Wasser
Das technisch umgeleitete Oberflächen- und Grundwasser, dass zur
künstlichen Bewässerung genutzt wird, wird auch “blaues Wasser”
genannt - im Unterschied zum “grünen Wasser” aus Niederschlägen,
dass in den Statistiken zur Wassernutzung gar nicht auftaucht.
Bewässerung ist vor allem in trockenen Ländern nötig, und den
Wasserverbrauch der Landwirtschaft kann man auf die Produkte
umrechnen: In einem Kilo Weizen “verbergen” sich 1.000 bis 1.300
Liter blaues Wasser, in einem Kilo Reis zwischen 2.000 und 5.000
Liter. Ein Kilo Käse braucht etwa 5.000 Liter Wasser, das Fleisch
eines Hamburgers 11.000 Liter. In einem Kilo Kaffee schließlich
stecken 20.000 Liter Wasser, in der Baumwolle für ein T-Shirt etwa
75.000 Liter. Dieses Wasser steckt im >>
ökologischen Rucksack der Produkte und wird, da man es nicht
sehen kann, auch “virtuelles Wasser” genannt. Aufgrund dieses
virtuellen Wassers wird Wasser über die Länder verteilt, trockene
Länder wie Algerien oder Ägypten importieren über ihre
Nahrungsmittelimporte indirekt große Mengen Wasser; reiche Länder
importieren zum Beispiel mit Kaffee, Tee, Kakao oder Baumwolle große
Mengen virtuelles Wasser aus trockenen Ländern. So haben auch wir
unseren Anteil an der Wasserknappheit der trockenen Regionen: Mit
jedem T-Shirt mit Baumwolle aus Pakistan - dem viertgrößten
Baumwollerzeuger der Welt - importieren wir 75 Tonnen Induswasser.
Der bedeutendste Exporteur virtuellen Wassers sind aber die USA -
vor allem in Form von Weizen, Rindfleisch und Baumwolle.
Wassernutzung in Industrie und Haushalten
Die Industrie nutzt weltweit 23 Prozent des Wassers; vor allem als
Kühl-, Löse- und Reinigungsmittel. Dieser Verbrauch schwankt je nach
Industrialisierungsgrad (in Europa verbraucht die Industrie 54
Prozent des Wassers, in Afrika nur 5 Prozent); vor allem aber von
Branche zu Branche: Für die Herstellung einer Tonne Kunststoff
werden im Schnitt 240 Tonnen Wasser verbraucht, für eine Tonne
Papier werden 390 Tonnen Wasser. Auch Industrieprodukte haben
“virtuelles Wasser” in ihrem ökologischen Rucksack, aber wie der
Mengenvergleich zeigt, in der Summe nur ein Drittel von
landwirtschaftlichen Produkten. Die Industrie griff aber (und greift
noch heute) durch die Einleitung von Abwässern (siehe >>
Wasserschmutzung) in den Wasserhaushalt ein und verringert
damit die nutzbare Wassermenge.
Dagegen ist der direkte Wasserverbrauch in den Haushalten (2)
(weltweit 8 Prozent des Gesamtverbrauchs, in Europa 13 Prozent) fast
schon zu vernachlässigen. Der direkte Wasserverbrauch pro Kopf ist
sehr unterschiedlich: Ein Bewohner der USA verbraucht
durchschnittlich 260 Liter/Tag, ein Bewohner Deutschlands 128
Liter/Tag und ein Bewohner Indiens 31 Liter/Tag. Gerade in den armen
Ländern verbergen sich hinter den Durchschnittszahlen oft große
Unterschiede innerhalb der Länder: In der Regel verbrauchen
Stadtbewohner viel mehr Wasser als Landbewohner, die oft mit dem
absoluten Minimum auskommen müssen (in Somalia etwa 9 Liter/Tag).
Bei den Haushalten besteht ein direkter Zusammenhang zwischen
Lebensstandard und Wasserverbrauch; auch in armen Ländern steigt der
Wasserverbrauch stark an, sobald Hausanschlüsse vorhanden sind.
Berücksichtigt man das virtuelle Wasser, das in Nahrungsmitteln und
Industrieprodukten steckt, werden die Unterschiede zwischen reichen
und armen Ländern noch größer - ein Bewohner Deutschland verbraucht
dann über 4.000 Liter am Tag, ein Bewohner der USA über 8.000 Liter
(oder 3.000 Kubikmeter pro Jahr). Trinkwasser wird in Europa zu 80
Prozent aus Grundwasser gewonnen, in den Städten Afrikas und Asiens
dagegen überwiegend aus Oberflächenwasser (Seen oder Flüssen).
Neben dem Wasserverbrauch gibt es noch Nutzungsformen, bei denen
das Wasser nicht entnommen, sondern vor Ort genutzt wird:
Wasserkraft erzeugt eine knappes Fünftel des weltweit verbrauchten
Stroms.
Grundwassernutzung
Wo das Wasser der Flüsse nicht ausreichte (oder die staatlichen
Bewässerungssysteme das Wasser nicht auf die Felder brachte), wurde
auch das Grundwasser angezapft. Grundwasser kann eine erneuerbare
Ressource sein: Ein kleiner Teil des Grundwasser (etwa 2.200
Kubikkilometer im Jahr) nimmt am schnellen Wasserkreislauf teil;
dieses Wasser kann in dem Maß genutzt werden, wie es wieder
aufgefüllt wird. Brunnen werden seit Jahrtausenden genutzt, aber die
Grenzen der Muskelkraft sowie später der Techniken zur Nutzung von
Wind- und Wasserkraft begrenzten auch die Grundwassererschließung.
Seit aber billige (und in vielen Ländern künstlich verbilligte)
Energie in großen Mengen zur Verfügung steht, konnte die
Grundwasserförderung enorm gesteigert werden - und oft zur
Übernutzung werden.
In Indien besitzen schätzungsweise 21 Millionen Bauern eigene
Brunnen, mit denen sie nicht nur ihre Felder bewässern, sondern auch
Trinkwasser an Stadtbewohner und Industrien verkaufen, die keinen
Zugang zu sauberem Wasser haben. Die entnommene Menge kann nur
geschätzt werden, sie dürfte alleine in Indien bei 250
Kubikkilometern pro Jahr liegen. Auch in China und Pakistan nutzen
die Bauern Grundwasser in gewaltigem Ausmaß, und andere Länder wie
Vietnam, Bangladesch und Indonesien haben in den letzten Jahren
damit begonnen. In vielen Regionen Indiens, Chinas und Pakistans
fällt der Grundwasserspiegel um ein bis drei Meter im Jahr oder
mehr. Da die Brunnen immer tiefer gebohrt werden müssen, treten neue
Probleme auf: Oftmals ist hier Fluorid aus dem Muttergestein gelöst,
in Indien und China sind hieran Millionen Menschen erkrankt. In
Bangladesch und Westindien findet sich Arsen in den Brunnen, das aus
dem Himalaja stammt und sich über die Jahrmillionen unter dem
Schwemmland der Flüsse in Tiefen von 20 bis 100 Meter abgelagert hat
- und jetzt von den Brunnen zu Tage gefördert wird.
Weizenanbau - ebenfalls eine platzende
“Blase”?
Wassermangel trifft auch einige der Hauptanbauregionen von Weizen:
Indiens Kornkammer, die Bundesstaaten Punjab und Haryana, den Norden
Chinas, wo der Grundwasserspiegel jährlich um 1,5 Meter sinkt, und
den Mittleren Westen der USA. Hier liegt der
Ogallala-Grundwasserspeicher, das größte Grundwasservorkommen in
Nordamerika; er bewässert 3,3 Millionen Hektar Farmland und ein
Fünftel der Bewässerungsfläche der USA. Dafür werden ihm werden pro
Minute 50 Millionen Liter Wasser entnommen - 14 Mal mehr, als neu
gebildet wird. Seit 1991 ist der Pegel dieses Grundwasserspeichers
jedes Jahr um mindestens einen Meter gefallen. (Unter Wassernot
leiden auch die boomenden Städte im Südwesten der USA, die zur
Sicherung ihrer Wasserversorgung bereits landwirtschaftliche Flächen
stilllegen.) Nach Schätzungen des amerikanischen Autors Lester R.
Brown beruhen etwa zehn Prozent der weltweiten Weizenproduktion auf
Übernutzung von Grundwasser. Brown spricht daher von einer „bubble
economy“, einer mit einer Börsenblase vergleichbaren, durch
Übernutzung von Wasser künstlich hochgetriebenen
Lebensmittelproduktion. Wenn diese „Blase“ platzt, könnten steigende
Weltmarktpreise vor allem die armen Länder vor erhebliche Probleme
bei der Getreideversorgung stellen.
Blühende Wüsten - für wie lange?
In der Arabischen Halbinsel und Libyen werden gar Weizen und andere
Feldfrüchte mit fossilem Grundwasser bewässert – Grundwasser, das
aus Zeiten mit feuchterem Klima stammt und sich überhaupt nicht
nachbildet. Libyen etwa hat mit einem 1860 Kilometer langen
Pipelinesystem (dem “großen, von Menschenhand gemachten Fluss”) den
Nubischen Grundwasserspeicher angezapft und leitet Wasser zu den
Feldern und Städten im Norden. Geplant ist am Ende die Förderung von
40 Milliarden Kubikmetern im Jahr - der Grundwasserspeicher würde 40
bis 50 Jahre dafür reichen, danach wäre er für immer verbraucht.
Israel und seine arabischen Nachbarn - kein Frieden ohne Wasser
Israel deckt 40 Prozent seines Grundwasserbedarfs aus den
Grundwasserspeichern unter dem besetzten Westjordanland; der neben
dem Regenwasser einzigen bedeutsamen Wasserquelle der Palästinenser.
Dadurch hat heute ein Palästinenser nur ein Viertel des Wassers
eines Israeli zur Verfügung (Israel bestreitet diesen 2009 von der
Weltbank veröffentlichten Wert - es sei die Hälfte). Dieser
ungleiche Zugang spiegelt die Machtverteilung wider. Dazu kommt,
dass die Grundwasserspeicher durch ungeklärte Abwässer verunreinigt
werden - die israelischen Siedler sind mit 10 Prozent der
Bevölkerung für über ein Viertel der unbehandelten Abwässer
verantwortlich, können sich aber tiefe Brunnen leisten. Dagegen ist
das Grundwasser für die Palästinenser oft verunreinigt, die
Weltgesundheitsorganisation hat bereits eine Zunahme wasserbedingter
Erkrankungen festgestellt.
Weitere 30 Prozent des israelischen Wassers kommen aus den
besetzten Golanhöhen: Hier entspringt in einer subtropisch
anmutenden Landschaft der Banyas, einer der Quellflüsse des Jordan,
der den See Genezareth, Israels wichtigste Quelle für
Oberflächenwasser speist. Die Sicherung des Jordanwassers, der für
Israel wichtigsten Wasserquelle, war nach Ariel Scharons
Autobiographie der wichtigste Grund für den Sechstagekrieg 1967 -
kein Friedensabkommen für die Region wird um die Lösung der
Wasserfrage herumkommen. Andererseits kann vielleicht gerade die
gemeinsame Abhängigkeit von knappen Ressourcen dabei helfen, Kriege
zu vermeiden. Dies ist etwa der Ansatz der Organisation Friends of
the Earth Middle East, die versucht, Israelis, Jordanier und
Palästinenser an einen Tisch zu bringen, um gemeinsame Absprachen zu
treffen (mehr: www.foeme.org).
Nicht genug Wasser...
In den reichen Ländern verfügen heute fast alle Haushalte über
sauberes Leitungswasser und eine gesicherte Abwasserentsorgung. Das
Problem ist hier vor allem die >>
Wasserverschmutzung, die zu hohen Kosten bei der Aufbereitung
des Trinkwassers führt. In den armen Ländern haben aber ein Viertel
der Menschen überhaupt keinen Zugang zu sicherem Wasser und die
Hälfte keinen Zugang zu adäquaten sanitären Einrichtungen, womit vor
allem eine sichere Beseitigung menschlicher Fäkalien gemeint ist -
im einfachsten Fall eine Latrine. Ist das Wasser nicht sauber und
werden Fäkalien nicht sicher beseitigt, kann Wasser zur Todesursache
werden.
Dreckiges Wasser kann töten
1,2 Milliarden Menschen verfügen nicht über sauberes Trinkwasser;
2,4 Milliarden nicht über adäquate sanitäre Einrichtungen. Wenn
Menschen kein sauberes Trinkwasser haben, trinken sie unsicheres
Wasser: Krankheiten wie Typhus, Cholera oder Amöbenruhr werden durch
unsauberes Trinkwasser übertragen; an Durchfall alleine sterben
jedes Jahr 2 Millionen Menschen, meistens Kinder unter 5 Jahren.
Wenn keine adäquaten sanitären Einrichtungen vorhanden sind, kommen
weitere Krankheiten dazu: Hakenwürmer verursachen etwa 100.000
Todesfälle pro Jahr. Die Hälfte aller Krankenhausbetten der Welt ist
mit Menschen belegt, die an wasserbedingten Krankheiten leiden
(UNEP), daher ist laut WHO die Anzahl der Wasserhähne pro 1.000
Einwohner ein besserer Gesundheitsindikator als die Anzahl der
Krankenhausbetten.
In vielen Ländern wird zudem unbehandeltes Abwasser zur Düngung von
Feldern verwendet - weil die enthaltenen Nährstoffe die Felder
düngen und Abwasser oft zuverlässiger fließt als sauberes Wasser.
Aufgrund fehlender Regelungen und Kontrollen gelangen dabei jedoch
oft Krankheitserreger, chemische Schadstoffe und Schwermetalle an
die Nahrungsmittel.
Die Bilanz des 20. Jahrhunderts
Die Bilanz des 20. Jahrhunderts ist also gemischt: Die sichere
Wasserversorgung in den trockenen reichen Ländern wurde mit hohen
ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten erkauft; in den armen
Ländern ist der fehlende Zugang zu sauberem Wasser nach wie vor ein
Hauptproblem für eine nachhaltige menschliche Entwicklung.
Der Wasserverbrauch der Menschheit betrug im Jahr 2000 etwa 5.200
Kubikkilometer. Verglichen mit 505.000 Kubikkilometern Niederschlag
sind dies nur wenig mehr als ein Prozent - auf den ersten Blick
scheint dieses eher unbedeutend. Aber nur 107.000 Kubikkilometer
dieser Niederschläge fallen auf dem Land (>> Wasser),
davon werden knapp 5 Prozent genutzt. Der größte Teil der
Niederschläge wird als “grünes Wasser” von Pflanzen aufgenommen und
von diesen wieder verdunstet, steht uns also nicht zur technischen
Nutzung zur Verfügung (bewässert aber den größten Teil der
landwirtschaftlichen Nutzfläche). Theoretisch nutzbar sind die
36.000 Kubikkilometer, die als Oberflächenwasser oder mobiles
Grundwasser jedes Jahr wieder ins Meer zurückfließen, das sogenannte
“blaue Wasser”. Aber auch von diesem kann nur ein Teil genutzt
werden - ein anderer Teil fließt in Form von Überschwemmungen ab,
manche Flüsse wie der Amazonas, der Orinoco und der Kongo fließen
da, wo kaum Menschen wohnen. Nach Schätzungen bleiben für eine
(bezahlbare) Nutzung etwa 14.000 Kubikkilometer: gut 2.000
Kubikmeter pro Jahr und Kopf. Von dieser Menge nutzten wir bereits
37 Prozent! Der Wasserverbrauch der reichen Industrieländer (hier
vor allem aufgrund ihrer Importe “virtuellen Wassers”) und der
Länder, die in trockenen Regionen auf Basis der “grünen Revolution”
Landwirtschaft betreiben, überschreitet bereits diese Menge.
Eine Übertragung dieser Vorbilder auf die ganze Welt ist unmöglich.
Das Wasser würde nicht reichen, die ökologische Katastrophe begänne
aber schon vorher: Die vollständige Nutzung des technisch und
wirtschaftlich erschließbaren Wassers mit heutigen Methoden hieße
das Ende aller Flüsse und Feuchtgebiete. Nahezu unmöglich wäre diese
Strategie auch aus finanziellen Gründen: die Kosten hierfür werden
auf jährlich 180 Milliarden US-Dollar im Jahr 2025 geschätzt.
Aussichten für das 21. Jahrhundert
Wenn sich die Politik nicht schnell ändert, werden vor allem der
Klimawandel und das Bevölkerungswachstum für eine deutliche
Verschlechterung der Wasserversorgung in den armen Ländern sorgen.
Wassermangel wird vermutlich eine der am stärksten spürbaren Folgen
des >> Klimawandels
sein wird (>>
hier), und da der Weltbevölkerung vor allem in den armen,
schon heute unter Wassermangel leidenden Ländern wächst, könnten im
Jahr 2050 bereits etwa 40 Prozent der Bevölkerung (3,6 Milliarden
Menschen!) unter Wassermangel leiden. Eine effizientere Verteilung
und Nutzung des Wassers wird dadurch um so dringlicher. Die gute
Nachricht ist: Es gibt dies Möglichkeit. Mehr hierzu unter >>
Wasser
fürs Leben, Wasser für Menschen.