Strategien für die Zukunft
Die Zukunft des Autos
Gibt es eine, und wenn ja, wie
viele?
Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind - und gleichzeitig der größte Ölverbraucher und ein wesentlicher Verursacher des Klimawandels. Daher arbeiten Bastler, Zulieferer, Universitäten und Autokonzerne mit Hochdruck am Auto der Zukunft. Dieses wird, soviel ist sicher, Energie sehr viel effizienter nutzen als die Autos von heute.
Ladestecker an einem Elektroauto. Elektroautos sind sehr energieeffizient, brauchen aber Batterien, die noch sehr schwer und teuer sind. Auch wenn viele Fachleute glauben, dass der Elektromobilität die Zukunft gehört, ist es bis dahin noch ein langer Weg. Foto: Craig Morey, aus wikipedia, >> Quelle (abgerufen 1.5.2010). Lizenz: >> cc 2.0.
Warum das Auto eine Zukunft hat
Der erste Teil der Frage ist am leichtesten beantwortet: Ja, das Auto hat eine Zukunft. Dies ist schon dadurch garantiert, dass das Auto von vielen Hundert Millionen Menschen geliebt wird; und wo Liebe im Spiel ist, zählen rationelle Argumente wenig. Was das Auto richtig gemacht ist: Es stärkt unsere Selbstwirksamkeit - wir drücken ein wenig aufs Gaspedal und schon setzen sich Hunderte von Kilo in Bewegung; und dieses Gefühl der Macht lieben wir. Dagegen zählt alles andere wenig: Viele Studien sind über Verkehrssysteme gemacht, viele Bücher darüber geschrieben worden, dass es sowohl für den Verkehr zwischen den Städten als auch in den Städten bessere Lösungen gibt, dass das Auto rational gesehen einzig auf dem Land eine Rolle beim Personentransport spielen sollte (>> mehr); was uns das Stehen in den Dauerstaus kostet; was uns das Auto kostet - an Menschenleben und an Geld; und alles ändert nichts daran, dass die Menschen Auto fahren wollen, sobald sie das Geld dafür haben. In Amerika und Europa sind die Märkte mehr oder weniger gesättigt, aber der größte Automarkt der Welt ist inzwischen sowieso China, und die Chinesen wollen Autos: Gab es im Jahr 2005 etwa 20 Millionen Autos, wurden alleine 2009 12 Millionen Autos neu zugelassen, und im Jahr 2020 soll es nach verschiedenen Schätzungen schon 120 bis 140 Millionen Autos geben. Auf der Welt gibt es heute etwa 900 Millionen Autos; in den nächsten zwanzig Jahren, so wird geschätzt, wird sich die Zahl noch einmal verdoppeln.
Die Zukunft des Autos wird anders aussehen
Bereits heute fließt etwa die Hälfte des Erdöls in den Straßenverkehr - fast zwei Milliarden Tonnen im Jahr. Dass die Erdölförderung in 20 Jahren auch nur das heutige Niveau erreicht, glauben die wenigsten Experten, ein deutlicher Rückgang ist viel wahrscheinlicher (>> mehr). Auf den Verkehr gehen außerdem 13,1 Prozent der Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid zurück (>> mehr), wenn man den Anteil der Energieerzeugung dazurechnet, der indirekt für den Verkehr gebraucht wird (Transport von Erdöl, Raffinerien, Autoherstellung, ...), liegt der Anteil bei etwa einem Viertel. Und hier kommen wir zum zweiten Teil der Frage: Wie sieht die Zukunft des Autos aus, oder auch: wie sieht das Auto der Zukunft aus? Wenn es eine Zukunft haben will, muss es ganz anders aussehen als heute. Das scheint auch die Autoindustrie so langsam zu begreifen, die in der Vergangenheit nicht immer mit Weitsicht geglänzt hat: Die Selbstverpflichtung zur Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen, die die europäischen Automobilhersteller im Jahr 1998 gegenüber der EU-Kommission eingegangen ist (den durchschnittlichen Flottenausstoß an Kohlendioxid bis zum Jahr 2008 auf 140 g/km zu reduzieren) haben sie nicht eingehalten. Und als die EU-Kommission als Reaktion auf die gebrochene Selbstverpflichtung die durchschnittlichen Emissionen von Neuwagen bis 2012 auf 120 g Kohlendioxid pro gefahrenem Kilometer beschränken wollte (das entspricht gut 5 Liter (Norm-) Benzinverbrauch auf 100 km bzw. 4,6 Liter Diesel), protestierten die Chefs von fünf deutschen Automobilherstellern (BMW, DaimlerChrysler, Ford, Opel, VW-Konzern) in einem Brief an die EU-Kommission: Dies sei “technisch nicht erfüllbar” und führe zur “Abwanderung zahlreicher Arbeitsplätze” - ganz in der Tradition, mit der die Autoindustrie auch die Verbannung von Blei aus dem Benzin, die Einführung des Katalysators und jüngst den Rußfilter bekämpft hat. Die >> Ölkrisen 1973 und >> 1979 hat die Automobilindustrie noch überstanden “wie ein Fettsüchtiger, der nach zwei überlebten Herzinfarkten unbekümmert weiterschlemmt.” (DER SPIEGEL [610]; heute allerdings ist allerorten von Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellenautos die Rede und sinken endlich auch die Flottenverbräuche - die Botschaft scheint (endlich) angekommen.
Ganz neu sind Versprechungen aus der Autoindustrie allerdings auch nicht. Immer wieder mal hat die Autoindustrie Elektroautos vorgezeigt. Zurück zu den Wurzeln, hat man sich wohl gedacht, war doch anfänglich gar nicht ausgemacht, dass das Auto mit Benzin fahren würde: 1889 hatte Thomas Alva Edison ein elektrisches Auto konstruiert, und zur Jahrhundertwende hatten elektrische Autos mit 40 Prozent den gleichen Marktanteil wie Autos mit Dampfantrieb - der Benzinmotor lag mit nur 20 Prozent hintenan. 1908 kaufte selbst Henry Ford seiner Frau ein Elektroauto. Aber den Sieg trug letztlich der Benzinmotor davon, vor allem wegen seiner überlegenen Reichweite. Auch die Elektroautos der zweiten Welle verschwanden still und heimlich wieder; dafür wurde Anfang des Jahrtausends ein neues Konzept präsentiert: die Brennstoffzelle, in der Wasserstoff mit dem Sauerstoff aus der Luft Strom erzeugen sollte, als Abgas würde nur Wasser entstehen. Als sich diese Technologie als auf absehbare Zeit viel zu teuer erwies, setzten die Autohersteller auf Biotreibstoff. Der große Vorteil aus Sicht der Industrie: Man brauchte an den Autos kaum etwas zu ändern. Bald stellte sich aber heraus, dass der Biotreibstoff moralisch anfechtbar war, und seine Treibhausbilanz auch nicht besser als die von Benzin (>> hier). Die deutschen Hersteller glaubten, den Anforderungen der Zukunft mit effizienten Dieselmotoren gewappnet zu sein; und lachten über den drolligen Versuch einer Alternative aus Japan: 1997 hatte Toyota ein Modell namens Prius auf den Markt gebracht, der einen Benzin- mit einem Elektromotor verband (“Hybridantrieb”). Damit konnte der Benzinverbrauch vor allem in der Stadt deutlich gesenkt werden, der Elektromotor konnte beim Abbremsen als Generator wirken und Strom erzeugen, der in der Batterie gespeichert wurde. Mit dem Strom unterstützte der Elektromotor den Benzinmotor, der damit kleiner und sparsamer ausfallen konnte.
Übergangstechnologie Hybridauto
Der Prius erwies sich für Toyota als Glücksfall. Inzwischen hat das Unternehmen über zwei Millionen Hybridautos verkauft und einen enormen Technologievorsprung erreicht. Im Frühjahr 2007 veröffentlichte “Auto, Motor und Sport” einen 100.000-Kilometer-Dauertest mit dem Nachfolgemodell Toyota Prius II: “Angenehmer Reisewagen”, die Hybrid-Batterie bereitete “übrigens während der gesamten Distanz keine Probleme”. Überhaupt ließ der Prius in punkto Zuverlässigkeit bis auf ein Konkurrenzmodell “alle anderen Konkurrenten in der Kompaktklasse mit konventioneller und damit vermeintlich ausgereifter Technik hinter sich.” Schlussfolgerung: “Glückwunsch Toyota - nicht nur zum zehnjährigen Hybrid-Jubiläum, sondern auch zum gelungenen Prius-Dauertest”. Der Normverbrauch des Testfahrzeugs betrug übrigens 4,5 Liter/100 km, der des aktuellen Modells Prius III von 2009 3,9 Liter und seine Kohlendioxid-Emissionen 89 g/km - gut 25 Prozent unter dem vorgeschlagenen EU-Limit für 2012. Toyota konnte mit dem Prius sein Image erfolgreich verbessern, auf einmal galt die Marke als innovativ.
Die Hybridtechnologie ist außerdem zukunftsweisend: Die (fernere) Zukunft gehört dem Elektroauto, da dieses viermal so effizient wie das klassische Antriebssystem ist (>> mehr). Zwar sind Elektroautos noch Zukunftsmusik; als kritisch gilt vor allem die Batterietechnologie (>> Kasten), aber sowohl Hersteller als auch Nutzer sammeln mit Hybridautos bei verringertem Treibstoffverbrauch Erfahrungen mit elektrischen Antrieben. Darum hat Toyota (und haben andere japanische Hersteller wie Honda, die bereits Hybridmodelle anbieten) auf das richtige Pferd gesetzt, und die deutsche Automobilindustrie diesen Trend verschlafen. In Kalifornien, wo der Prius bald Kultstatus erlangte, motivierte er eine ganz besondere Art des “Tuning”: Technikfans, Softwareexperten und Umweltschützer begannen, auf eigene Faust das Auto so umzubauen und umzuprogrammieren, dass seine Batterien an der Steckdose aufgeladen werden konnten. So gab es bald “Plug-in”-Modelle zu kaufen (zu den bekanntesten Kunden gehörte Ex-CIA-Chef James Woosley, der sein Auto mit dem Aufkleber “Osama bin Laden hasst dieses Auto” versah). (Toyota war über diese Umbauten übrigens nicht glücklich, hatten sie doch immer betont, dass der Prius genau wie ein “normales” Auto zu fahren und zu betanken sei. Inzwischen betreibt Toyota selbst eine kleine Testserie mit Prius-Modellen, die an der Steckdose aufgeladen werden können.)
Das Problem der “Plug-In”-Modelle ist das gleiche wie das der Elektroautos: Sie brauchen eine größere Batterie als normale Hybridfahrzeuge; damit hängt auch ihre Zukunft von den Fortschritten bei den Batterien ab. Heute ist ein Plug-In-Prius noch 5.000 Euro teurer als ein Prius ohne Stromanschluss. Die Plug-In-Technologie eröffnet Hybridautos aber eine weitere Perspektive: Hybrid-(und später Elektro-)autos, die mit dem Netz verbunden sind, können mit ihren Batterien als Stromspeicher Schwankungen im Angebot erneuerbarer Energien ausgleichen (>> hier); und werden damit zum Teil eines “intelligenten Stromnetzes” der Zukunft (>> mehr). Parkende Autos könnten Geld verdienen, indem sie mit billigem Strom geladen werden, und bei Spitzenpreisen entladen. Auch die Antriebstechnologie selbst bietet noch Perspektiven: Bei Hybridautos der zweiten Generation, wie den angekündigten Modellen Chevrolet Volt / Opel Ampera, wird der Antrieb ganz vom Elektromotor übernommen; der Verbrennungsmotor dient nur dazu, Strom für die Batterie zu erzeugen. Der Vorteil: Der Motor kann immer im optimalen Drehzahlbereich und damit sparsamer arbeiten; und der Großteil der Fahrten ist ohnehin so kurz, dass der Elektroantrieb ausreicht (auch diese Modelle können am Stromnetz aufgeladen werden, sind also Plug-In-Hybriden). Die meisten europäischen Hersteller setzen dagegen auf ein System, bei der der Elektromotor in einen konzentionellen Antrieb integriert ist - das System ist teurer, soll aber noch effizienter sein.