Hintergrundinformation
Eine kleine Geschichte der Menschheit
Die Welt wächst zusammen
(1800 – 1914)
Erstürmung der indischen Stadt
Shrirangapattana durch britische Truppen im Jahr 1799. Die Stadt war
Hauptstadt des unabhängigen indischen Staates Myosore, der sich
gegen die britischen Kolonialbestrebungen wehrte. Im dargestellten
vierten "Myosore-Krieg" verlor der Staat seine Unabhängigkeit, der
Herrscher Tipu Sultan wurde getötet. Ausschnitt aus einem Gemälde
von Henry Singleton, ca. 1800. Aus >> wikipedia
commons, abgerufen 28.3.2013, public domain.
Europa unter Napoleon
Napoleon (Vorgeschichte
hier) krönte sich 1804 selbst zum Kaiser und begann einen
Eroberungsfeldzug durch Europa. Zwar scheiterte er 1805, nachdem
Admiral Nelson die französisch-spanische Flotte vor dem spanischen Trafalgar
schlug, mit seinen Plänen zur Invasion Englands, aber 1806 schlug er
die preußische Armee, marschierte 1808 in Spanien ein, und 1812 zog
er mit 600.000 Mann gegen Russland. Er kam fast ohne Gegenwehr bis
Moskau, legte die Stadt in Schutt und Asche – und musste den Rückzug
antreten, da er seine Armee im russischen Winter nicht versorgen
konnte. Nun begannen die russischen Angriffe, und nur 5.000 Mann
kamen nach Frankreich zurück. Die Chance nutzten seine europäischen
Feinde und zogen 1814 in Paris ein. Napoleon wurde verbannt, kehrte
aber ein Jahr später zurück – und wurde 1815 bei Waterloo
endgültig geschlagen. Sein Reich brach zusammen, in Frankreich
kehrte die Monarchie zurück, aber der 1804 von Napoleon eingeführte
code civil (das Bürgerliche Gesetzbuch) hatte Bestand und
schrieb die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und
Errungenschaften wie das Recht auf Eigentum, freie Berufswahl und
Zivilehe fest; er wurde zum Vorbild für viele Bürgerliche
Gesetzbücher auf der Welt. Auch der Wiener Kongress
von 1815, auf dem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu
geordnet wurde – er leitete das "Konzert der Großmächte" ein; ein
System, in dem mehrere gleichstarke Großmächte ein Gleichgewicht
der Kräfte sicherstellen – konnte die vorrevolutionären Zustände
nicht wiederherstellen und die alteuropäische Adelswelt nicht
retten. Die Beteiligung des Volkes an politischen Entscheidungen
ließ dieses sich nicht mehr nehmen (siehe auch hier).
Auch der europäische Machthunger nach außen änderte sich zunächst
hierdurch nicht.
Der Kampf um Freiheit und Gleichheit
Gegen die Sklaverei
Die
Französische Revolution und die
Unabhängigkeit der USA hatten Hoffnungen auch dort geweckt, wo
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht einmal ansatzweise
verwirklicht waren: in den französischen Kolonien. Deren wichtigste
war das seit 1697 zu Frankreich gehörende Saint-Domingue
auf der Karibikinsel Hispaniola. Sie war durch den Anbau von Kaffee
und Zucker reich geworden – im 18. Jahrhundert entstanden überall in
den europäischen Städten Kaffeehäuser. Der größte Teil des Kaffees
kam aus Saint-Domingue, der Handel machte die weißen Pflanzer und
Kaufleute in Bordeaux, Bayonne, Nantes und Le Havre reich; die
Arbeit auf den Plantagen machten 500.000 Sklaven. Als die
Kolonialverwaltung ab 1785 die Pflanzer an der Finanzierung von
neuen Straßen und Brücken beteiligen wollten, vertrieben diese den
Chef der Zivilverwaltung von der Insel – und verglichen diese Tat
mit dem Sturm auf die Bastille. Aber danach brach die öffentliche
Ordnung weitgehend zusammen, und 1791 nutzten die Sklaven die
Gelegenheit zu einem Aufstand. Die Kämpfe dauerten Jahre; nachdem
1794 die französische Republik alle ihre Sklaven für frei erklärte,
kämpften diese auf Saint-Domingue, mittlerweile vereint von Toussaint
Louverture (bald als "schwarzer Napoleon" bekannt) gegen
die weißen Kolonisten. 1797 machte Frankreich ihn zum Gouverneur der
Kolonie. Aber 1802 machte Napoleon die Aufhebung der Sklaverei
rückgängig und nach Louverture gefangen; aber die französischen
Truppen wurden nach harten Kämpfen mit zehntausenden Toten 1803
vernichtend geschlagen – am 1.1.1804 erklärte sich die Kolonie für
selbstständig: Haiti wurde nach den USA der
zweite unabhängige Staat in Amerika. (Als Napoleon in Spanien
einmarschierte und seinen Bruder zum König machte, revoltierten auch
die spanischen Kolonien, und als Folge der Unabhängigkeitskriege
zerfiel zwischen 1810 und 1825 das spanische Kolonialreich; in Südamerika
entstanden neue, unabhängige Länder, nur Kuba blieb spanische
Kolonie – wie auch die anderen Ländern gehörenden Karibikkolonien
auf ihre Freiheit noch warten mussten. Die portugiesische Kolonie
Brasilien – in die sich 1807 der portugiesische Hof auf der Flucht
vor Napoleon zurückgezogen hatte – wurde dagegen 1822 ebenfalls
unabhängig.)
Die Unabhängigkeit der ehemaligen Sklaven in Haiti fiel in eine
Zeit, in der sich in Europa und den Nordstaaten der USA im Gefolge
der Aufklärung die
Haltung zum Sklavenhandel
wandelte: 1787 war in England unter der Führung des
Menschenrechtlers Granville Sharp und des Theologe Thomas Clarkson
die "Society for the Abolition of Slave Trade" (Gesellschaft
zur Abschaffung des Sklavenhandels) gegründet worden, 1788 in
Frankreich die "Société des Amis des Noirs" (Gesellschaft
der Freunde der Schwarzen). 1803 verbot Dänemark den Sklavenhandel
als erstes Land. 1807 folgten England, 1808 die USA, 1814 Holland
und 1818 Frankreich. Portugal verzichtete 1830 auf den Sklavenhandel
mit Brasilien. Das war aber noch nicht das Ende der Sklaverei;
allerdings wurde die Behandlung der Sklaven etwas besser (um den
Nachwuchs zu sichern, mussten diese sich jetzt ja vermehren).
Für Afrika bedeutete das Ende des Sklavenhandels zunächst, dass die
bisherigen Nutznießer keine Ware mehr anzubieten hatten. Diese
suchten neue Produkte, die in Europa gefragt waren: Palmöl als
Schmiermittel für die Maschinen und zur Herstellung von Seife,
Tropenholz, Gummi arabicum für die Druck- und
Textilindustrie und Kolanüsse (für den afrikanischen Markt);
Zucker, Kakao und Tee, Gewürznelken und Zimt wurden für den Export
angebaut. Die Produktion war arbeitsintensiv – die Sklaverei wurde
zur Grundlage eines beachtlichen Teils der afrikanischen
Wirtschaft. Und die Sklavenhändler fanden neue Kunden im Norden
Afrikas, wo der Islam im 19. Jahrhundert in einer Reihe von Kriegen
seine Herrschaft gefestigt hatte. Millionen Sklaven wurden hier
nachgefragt, in der Sahelzone waren Ende des 19. Jahrhunderts knapp
die Hälfte der Einwohner Sklaven. 100.000 Sklaven arbeiteten im
Gewürznelkenanbau in Sansibar. Die Abschaffung des kolonialen
Sklavenhandels führte also zu einer Verlagerung der Sklavenarbeit
nach Afrika; die Zahl der Sklaven nahm zunächst sogar zu.
In den USA wurde die Sklaverei schließlich als Folge des Bürgerkrieges
im Jahr 1865 beendet; 1886 in Kuba und schließlich 1888 in
Brasilien. In Nordafrika blieb sie weit länger bestehen, in
Mauretanien wurde sie erst 1980 offiziell abgeschafft (und praktisch
gibt es sie noch in zahlreichen Staaten der Erde).
Nationalismus und Kolonialismus
Die Französische Revolution und Napoleons Feldzüge sollte eine
weitere dauerhafte Veränderung bewirken: Die “Nation” im modernen
Sinne wurde erfunden. Dass die Bürger frei und gleich sein sollten,
veränderte ihre sozialen Beziehungen; es entstand das Gefühl, zu
einer Gemeinschaft zu gehören, deren Instrument zur kollektiven
politischen Selbstbestimmung der Staat ist. Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit wurden in Frankreich durchgesetzt – noch heute sind
die Franzosen deshalb stolz auf “La Grande Nation”. In den
besetzten, von Frankreich abhängigen Ländern dagegen entstanden
nationale Bewegungen eher als Abgrenzung von den Franzosen; in den
deutschen Ländern oder den italienischen Staaten entstand daher eher
ein ethnischer Nationalismus, der sich über Sprache und Kultur
definierte.
In Frankreich entstand dagegen 1871 nach einem erneuten
Volksaufstand (Pariser Kommune) die dritte Republik. In Europa war
sie zunächst außenpolitisch isoliert – dafür sorgte das Deutsche
Kaiserreich. Prestige und Macht suchte Frankreich daher im Rest der
Welt. Mit dieser Orientierung war Frankreich nicht allein, die neuen
technischen Möglichkeiten nach der industriellen Revolution –
Dampfschifffahrt, Eisenbahnen, Unterseekabel, Kanäle -, die Suche
nach Rohstoffen und Märkten für die Industrieprodukte, die
Entdeckung des Chinins zur Malariavorbeugung, Rivalitäten durch
einen aggressiver werdenden Nationalismus, aber mitunter auch der
idealistische Wunsch, die “überlegene” Zivilisation zu verbreiten,
führten zu einer enormen Beschleunigung der Ausbreitung der
Großmächte über die Welt – die Zeit zwischen 1870 und 1914 wurde zum
Imperialistischen Zeitalter.
Das imperialistische Zeitalter
Das britische Kolonialreich in Asien
Nach dem Verlust
der nordamerikanischen Kolonien war Indien zu Großbritanniens
wichtigster und reichster Kolonie geworden; wichtige Teile des
Landes gehörten der East India Company (mehr).
Auf der klassischen Indienroute rund um Afrika hatte das Land mit
der Kapkolonie und Natal an der Südostküste Afrikas früh wichtige
Stützpunkte erworben; mit Kolonien in Gambia, Sierra Leone,
Goldküste (dem heutigen Ghana), Nigeria, der Kapkolonie, großer
Teile Ostafrikas, Mauritius, den Seychellen und Ceylon (dem heutigen
Sri Lanka) wurde die Route strategisch gesichert – ebenso wie der
Weg durchs Mittelmeer mit Stützpunkten in Gibraltar, Malta und Aden.
Die East India Company hatte sich aber übernommen:
150.000 Soldaten kosteten mehr, als selbst die Monopolgewinne
einbrachten. Selbst üble Geschäfte – 1770 kaufte sie etwa während
einer Hungersnot in Bengalen Reis auf und lagerte diesen in der
Hoffnung auf steigende Preise ein; Millionen Bengalen verhungerten
– konnten sie nicht retten, sondern die Entrüstung in England führte
fast zur Pleite. Aber auch, nachdem die Company 1784
unter die Kontrolle der Regierung gestellt wurde, änderten sich ihre
Praktiken nicht: In Bengalen etwa wurden die Bauern gezwungen, Opium
für den Export nach China anzubauen. Die Zustände in Indien – und
die Annexion weiterer Fürstenstaaten durch Generalgouverneur
Dalhousie – führten 1857 zu einem Aufstand indischer Soldaten gegen
die britischen Befehlshaber, dem sich schnell weite Teile der
Bevölkerung anschlossen. Die Briten überstanden den "Sepoyaufstand"
(sepoy von pers. sipahi = Soldat) nur dank der
Unterstützung der Sikhs, die sich so für eigene Niederlagen an den
Soldaten rächten. Aber der Krieg und der Sieg waren so teuer, dass
England Indien von der East India Company übernehmen
musste: Indien kam 1858 unter die Herrschaft der Krone.
In der Kronkolonie wird vor allem die Infrastruktur ausgebaut, die
seiner Einbindung in den Weltmarkt dient, wie Eisenbahn- und
Telegraphennetz. Diese wurde durch den 1869 eingeweihten Suezkanal
und schnelle Dampfschiffe noch erleichtert. Die Kolonie war für
England so wichtig, dass 1876 Königin Victoria zur “Kaiserin von
Indien” gekrönt wurde. Die Ausbeutung des Landes, aus dem auch große
Mengen Weizen und Reis exportiert werden, führt immer wieder zu
Hungersnöten. Um dennoch ihre Herrschaft behaupten zu können,
schürten die Briten nach dem Motto "teile und herrsche" alte
Spannungen zwischen Hindus und Moslem – wofür Indien nach seiner Unabhängigkeit noch einmal
einen hohen Preis bezahlen sollte.
(Wie es in Indien weiterging, steht hier.)
Aber auch angebliche Pläne Russlands
zur Eroberung Indiens sorgten in London für Unruhe: 1878 versuchten
die Briten zum zweiten Mal, das benachbarte Afghanistan
zu erobern, scheiterten aber. Der Iran, der 1813
und 1828 den größten Teil seiner Kaukasus-Gebiete an Russland
verloren hatte, blieb als Pufferstaat zu den Russen im Norden ein
souveräner Staat. (Die Briten bauten dort jedoch ihre
Handelsinteressen aus, insbesondere, nachdem 1908 Öl gefunden wurde:
die 1914 gegründete Anglo-Persian Oil Company war ein einseitiges
Joint-Venture; iranische Arbeiter lebten in Slums, während die
Briten im Luxus schwelgten. Siehe auch: Eine
kleine Geschichte des Erdöls.) 1886 wurde jedoch das endgültig
eroberte Birma Britisch-Indien angegliedert, und
1903/04 wurde Tibet dem britischen Einfluss unterworfen. (China
siehe
hier.)
Das britische Kolonialreich in Australien
Auch die Besiedlung Australiens
war eine indirekte Folge des Verlusts der nordamerikanischen
Kolonien: Dorthin waren zuvor Sträflinge aus den überfüllten
Gefängnissen Englands als Sklaven an die Plantagenbesitzer verkauft
worden; die unabhängigen USA wollten dies nicht mehr. In Australien
gab es Kiefern, die für Schiffsmasten geeignet waren, und Flachs zur
Herstellung von Segeln, und so entstand die Idee einer Strafkolonie
in Ozeanien. 1788 erreichte die erste Schiffsladung Sträflinge den
Kontinent. Sie wurden in der Botany Bay angesiedelt, die
sich im Sommer aber als heiß und öde erweis, so dass sie nach Norden
in die Sydney Cove weiterzogen. Aber auch hier hatten sie
Mühe, zu überleben; Nachschub aus England sicherte aber ihr
Überleben. Erst, als die Siedler die Inlandsebenen jenseits der Blue
Mountains entdeckten, war Australiens Zukunft entschieden: Schon
eine Generation später lieferten australische Schafe große Mengen
Wolle. Heute leben etwa 160 Millionen Schafe in Australien.
Für die ursprünglich vor allem an der fruchtbareren Ostküste
Australiens lebenden Ureinwohner, die Aborigines, war
diese Besiedelung eine Katastrophe: Sie wurden von den Briten als
rückständig (zum Teil sogar nicht als Mensch, sondern als
offenkundiges Bindeglied zwischen Affe und Mensch) angesehen und
verjagt, vergiftet und, zum Teil in regelrechten Treibjagden,
erschossen. Andere fielen eingeschleppten Krankheiten zum Opfer;
1836 wurden den Aborigines alle Landrechte abgesprochen. Von den
ursprünglich ca. 300.000 bis 900.000 Ureinwohnern überlebten nur
etwa 60.000, und die wurden in die landwirtschaftlich nicht
nutzbaren Wüsten abgedrängt. Die tasmanischen Ureinwohner wurden bis
1865 von Europäern völlig ausgerottet. Die englischen Siedler bauten
mit eingeführten Pflanzen (Weizen, Gerste, Äpfel, Trauben), Tieren
(neben Schafen auch Rinder) und moderner Technik eine erfolgreiche
Agrarwirtschaft auf. (Im Jahr 1992 entschuldigte sich der
australische Premierminister offiziell bei den Aborigines für das
erlittene Unrecht, ihre Landrechte wurden im „Native Title Act“
teilweise wieder hergestellt.)
Das britische Kolonialreich in Nordamerika
Auch nach der Unabhängigkeit der Vereinigten
Staaten waren den Briten vier Kolonien in Nordamerika
geblieben: Neuschottland (von dem 1784 Neubraunschweig als
selbständige Kolonie abgetrennt wurde), Neufundland, Rupertsland
(das Monopolgebiet der Hudson's Bay Company) sowie das seit 1763 unter
britischer Herrschaft stehende Québec. Die Kolonien waren weniger
entwickelt als die benachbarten USA und lebten vom Holz- und
Pelzhandel sowie von Schiffbau und Fischerei. 1818 einigten sich
England und die USA auf den 49. Breitengrad als Grenze zwischen
ihren westlichen Gebieten bis zu den Rocky Mountains, das restliche
Gebiet zum Pazifischen Ozean ("Oregon-Territorium) wurde zunächst
gemeinsam verwaltet (1849 wurde auch hier der 49. Breitengrad als
Grenze festgelegt, die Briten erhielten zudem Vancouver Island.
1858 wurde das Gebiet zu Kronkolonie British Columbia). Zu
dieser Zeit kam auch der amerikanische Mittelwesten unter den Pflug
– einschließlich der Prärien im heutigen Ontario, die viele
Einwanderer aus Europa anzogen. Ein immer selbstbewussteres Volk
störte sich zunehmend an der Vetternwirtschaft in der
Kolonialverwaltung, die Rufe nach Selbstverwaltung wurden lauter.
Skandale beim Bau der Eisenbahn vom Pazifik an den Atlantik fachten
die Unzufriedenheit an, das mittlerweile bevölkerungsreiche Ontario
wollte mehr Einfluss.
Als der amerikanische Bürgerkrieg
heraufzog und die Engländer angesichts von Millionen bewaffneter
Amerikaner um den Bestand ihrer Kolonie fürchteten, wurde den vier
Provinzen Ontario, Québec, Neubraunschweig und Neuschottland im Jahr
1867 als Dominion of Canada (Herrschaftsgebiet Kanada)
die Selbstverwaltung zugestanden. 1869 kaufte das Dominion riesige
Gebiete von den Großen Seen bis zu den Rocky Mountains und dem
Nordpolarmeer von der Hudson's Bay Company, sie wurden zu
den kanadischen Northwest Territories. Als 1871 British
Columbia dem Dominion beitrat, reichte Kanada "von
Meer zu Meer", wie es in seinem Wappenspruch heißt. Den Status "Dominion"
erhielten bald auch die von Weißen beherrschten Australien,
Neuseeland,
Südafrika und Neufundland. Im Ersten Weltkrieg wurden diese
faktisch unabhängig. Verbunden blieben sie aber trotzdem: 1926 wurde
für die freiwillige und gleichberechtigte Zusammenarbeit der Begriff
Commonwealth of Nations geprägt, das 1931
offiziell gegründet wurde. Heute gehören ihm 54 Staaten an.
Französisch-Indochina und Afrika
Frankreich hatte Kolonien in der Karibik und Ozeanien; in Asien
blieb es jedoch den Briten unterlegen. Anläufe zu Eroberungen gab es
in den 1850er und 1860er Jahren, als Frankreich Saigon eroberte und
Kambodscha unterwarf, aber erst die dritte Republik verstärkte die
Aktivitäten wieder und errichtete 1884 ein Protektorat über Vietnam,
das sie zwischen 1887 und 1897 zur “Union Indochinoise” ausbaute,
die Teile Chinas, Kambodscha und Laos einschloss.
1830 hatte Frankreich Algier erobert und hatte seinen Einfluss
bereits seit den 1850er Jahren vom Senegal und dem Golf von Guinea
nach West- und Äquatorialafrika ausgedehnt. Auch dieses Engagement
wurde von der dritten Republik ausgeweitet; und dadurch fühlten sich
die Briten bedroht und verstärkten ihrerseits ihr Engagement in Afrika.
Nachdem es 1898 zur Faschoda-Krise gekommen war, redeten beide
Mächte über ihre Differenzen, und erzielten 1904 ein Übereinkommen
(die “Entente cordiale”), das auch in Europa zu einer weit
reichenden Zusammenarbeit führte. Insbesondere einte beide Staaten
die Besorgnis über die deutsche Flottenpolitik – Deutschland wollte
im Zuge der “Weltpolitik” Kaiser Wilhelm II. mit der englischen
Flotte gleichziehen. Das Verhältnis verschlechterte sich weiter, als
Deutschland 1905 und 1911 vermeintliche Ansprüche in Marokko
durchsetzen wollte.
Amerikas Imperialismus
Amerika als einstige Kolonie verstand sich seit seiner
Unabhängigkeit eigentlich als anti-imperialistisch. Aber
andererseits hatten die Amerikaner die Tendenz, ihre eigenen Werte
als Menschheitsideale zu sehen – und für ihre Verbreitung zu sorgen;
und dazu kamen wirtschaftliche Interessen. So erzwang 1853 eine
amerikanische Flotte die Öffnung japanischer Häfen und den Verzicht
des Landes auf Teile seiner Souveränität. Als der kubanische
Freiheitskampf die amerikanischen Investitionen auf der Insel
gefährdete und die Amerikaner die Märkte im Pazifikraum – vor allem
in China – ins Visier nahmen, brachte der spanisch-amerikanische
Krieg 1898 die Philippinen (gegen 20 Millionen Dollar Entschädigung)
in amerikanischen Besitz, das unabhängig gewordene Kuba wurde 1901
amerikanisches Protektorat. Dieses Vorgehen wurde aber in den USA
kritisiert, und Amerika beschränkte sich anschließend auf indirekte
Einflussnahme – es sah sich beispielsweise als “Polizist
Lateinamerikas”, wo es mehrfach militärisch eingriff.
Russland Imperialismus
Die russischen Pelzjäger in
Alaska waren dem seltener werdenden Seeotter nach Süden
gefolgt – 1812 errichteten sie nördlich von San Francisco als
Außenposten Fort Ross. Als die "Russisch-Amerikanische Kompanie"
jedoch versuchte, ihr Handelsmonopol durchzusetzen, wurde sie aber
von Briten und Amerikanern nach Alaska zurückgedrängt – 1841
verkaufte sie Kalifornien für 30.000 Dollar an den aus der Schweiz
eingewanderten John Sutter; und 1867 verkaufte sie Alaska für 7,2
Millionen Dollar an die USA. Während so der Versuch einer
Kolonialisierung Amerikas (durchaus lukrativ) scheiterte, ließen
Gold- und Silberfunde die Einwohnerzahl Sibiriens
schnell steigen. 1860 hatte China das linke Ufer das Amur an
Russland abgetreten, das am Japanischen Meer die neue Hafenstadt
Wladiwostok ("Beherrsche den Osten") gründete. Russlands Ausdehnung
fand hier vor allem entlang der Transsibirischen Eisenbahn von
Moskau nach Wladiwostok statt, die von 1891 bis 1916 erbaut wurde
und das europäische Russland mit den Märkten Ostasiens und des
Pazifiks verband. Entlang der Strecke war Sibirien bald von über 5
Millionen Menschen besiedelt.
Gestärkt durch den Sieg über Napoleon 1812, hatte Russland (jetzt
regiert von Nikolaus I.) im Russisch-Persischen
Krieg 1826-1828 zudem die Vorherrschaft im Südkaukasus
gewonnen und über das Kaspische Meer einen östlichen Zugang nach
Zentralasien erhalten. Das aber ließ die Briten um ihren Einfluss
in Persien und wohl vor allem Indien fürchten. 1839 marschierte das
Empire daher in Afghanistan ein, wurde aber von den Afghanen 1842
wieder vertrieben (wobei das britische Expeditionskorps vernichtet
wurde). Als Russland 1853 die Donaufürstentümer Moldau und Walachei
besetzte, die zum Osmanischen Reich gehörten, schloss sich England
(und Frankreich) den Osmanen an, im Krimkrieg
1854 bis 1856 verlor Russland 220.000 Menschen und seinen Zugang zum
Schwarzen Meer. Die
Niederlage zeigte den russischen Eliten, dass Russland mittlerweile
dem Westen Europas, der die Errungenschaften der industriellen
Revolution übernommen hatte, deutlich unterlegen und sein Status als
europäische Großmacht gefährdet war. Unter Alexander II.
begannen daher tief greifende Reformen; 1861 wurde die
Leibeigenschaft der Bauern beendet. Um den Adel zu entschädigen,
mussten die Bauern jedoch Loskaufzahlungen leisten, der der Staat
vorfinanzierte. Um diese, Pachten und Steuern zu bezahlen, mussten
sie auch in schlechten Jahren ihr Getreide verkaufen, das
exportiert wurde, um Fremdwährungen zu erhalten. Um den
wirtschaftlichen Rückstand aufzuholen, wurde zudem der Bau von
Eisenbahnen gefördert, dies und die Rüstung sollte die Entstehung
einer Schwerindustrie begünstigen. Die Fabriken wurden oft mit
ausländischem Kapital errichtet und von ausländischen Ingenieuren
geleitet.
Gleichzeitig drang Russland weiter in die kasachische Steppe vor,
unterwarf Tschetschenien und Dagestan im Nordkaukasus und die
Abchasen im Westkaukasus. Anschließend waren die zentralasiatischen
Khanate nördlich von Afghanistan dran: 1865 fiel Taschkent, 1875
das Khanat Kokand. 1877 griff Russland das Osmanische Reich im
Kaukasus an und eroberte Bulgarien; der Vormarsch auf
Konstantinopel wurde erst durch die Drohung des Briten, in den Krieg
einzutreten, gestoppt. Als Russland 1878 einen Gesandten nach Kabul
sendeten, den Wunsch der Briten nach einer Gesandtschaft aber
ablehnten, marschierten diese erneut in Afghanistan ein. 1881 zogen
sie wieder ab, kontrollierten aber weiter die afghanische
Außenpolitik. Als die Russen 1883 die 350 Kilometer nördlich der
wichtigen afghanischen Karawanenstadt Herat gelegene Oase Merw
eroberten, drohte Krieg. Aber 1885 beschlossen beide, Afghanistan
als “Pufferstaat” zwischen ihnen zu belassen. Russland
konzentrierte sich auf den Fernen Osten und drängte in Richtung
Mandschurei und Korea. Dort trafen sie jedoch auf das seit 1902 mit
den Briten verbündete Japan und unterlag im Russisch-Japanischen
Krieg von 1905 verlustreich. Die Niederlage brachte Russland
an den Rand des Bankrotts und führte zu Unruhen (1905 bis 1907), so
dass das Land sich auf seine europäischen Interessen beschränken
musste. Hier wollte es das Osmanische Reich beerben und so Zugang zu
den Meeren erhalten. Zur Vorbereitung begann ein gewaltiges
Rüstungsprogramm, das auch die inneren Probleme überspielen sollte.
Denn den – auch unter dem Einfluss der west- und mitteleuropäischen
Revolutionen stehenden – Vertretern des frühen russischen
Sozialismus (etwa Michail Bakunin), die sich als Gegen-Elite
verstanden, reichten die Reformen Alexander II. nicht. Es entstand
eine russische Vorstellung vom Weg zum Sozialismus, der auf die
Bauern setzte und auf den "Umweg" über den Kapitalismus verzichten
wollte. Nach der Niederlage im Krieg gegen Japan und nachdem eine
Arbeiterdemonstration in St. Petersburg blutig niedergeschlagen
worden war, war es 1905 zu einer – da anfängliche Zugeständnisse
bald wieder zurückgenommen wurden, letztendlich gescheiterten –
Revolution gekommen.
Das deutsche Kolonialreich
Das deutsche Kaiserreich begann seine Kolonialpolitik erst 1884,
als es den Reichsschutz über 580.000 Quadratkilometer Land erklärte,
das der Bremer Kaufmann Lüderitz in Südwestafrika erworben hatte. Im
selben Jahr gab es kaiserlichen Schutz auch für Togo und Kamerun, in
denen hanseatische Handelshäuser tätig waren. In Ostafrika
eroberte dagegen Carl Peters für die “Gesellschaft für deutsche
Kolonialisation” gezielt Land. 1898 erwarb Deutschland zudem ein
Gebiet auf der Shandong-Halbinsel an der chinesischen Ostküste, und
schließlich eine Reihe von Inseln in der Südsee (unter anderem den
Osten Neuguineas und Teile Samoas). Dennoch fühlte Deutschland sich
bei der 'Verteilung der Welt' für zu kurz gekommen, und kompensierte
dies mit einer “Weltpolitik”, die wiederum die anderen Großmächte
beunruhigte.
Der kranke Mann am Bosporus:
Der Zerfall des Osmanischen Reiches
Für Vielvölkerstaaten wie das Osmanische Reich bedeutete der
Nationalismus keine Stärkung, im Gegenteil: Die Völker des Reichs
wollten in eigenen Staaten leben. So wurde Serbien bis 1830 zum
weitgehend autonomen Fürstentum, Griechenland ganz unabhängig. Auch
in Ägypten wurden die osmanischen Vizekönige, die Khediven, immer
mächtiger und faktisch unabhängig (wobei diese in die Abhängigkeit
von den Europäern gerieten). Der russische Zar wollte das Osmanische
Reich schon unter Österreich, England und Russland aufteilen, aber
England und Österreich wollten das Reich er- und Russland
fernhalten, der Plan scheiterte. Das Osmanische Reich zerfiel aber
weiter: Serbien und Montenegro sowie Rumänien und Bulgarien wurden
unabhängig. Ab 1908 versuchten die “Jungtürken”, eine
Reformbewegung, das Land zu modernisieren, aber auch sie verloren
weitere Landesteile: In den Balkankriegen 1912/13 fast ihr gesamtes
europäisches Gebiet.
Österreich-Ungarn
Nachdem das Kaisertum Österreich im Kampf um die Vorherrschaft im
Deutschen Bund gegen Preußen den kürzeren gezogen hatte, entstand
1867 die österreichisch-ungarische, k. und k. (kaiserliche und
königliche) Doppelmonarchie, die auch das heutige Tschechien,
Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Herzegowina und Teile
Rumäniens, Montenegros, Polens, der Ukraine und Serbiens umfasste.
Auch dieses Reich litt unter Nationalitätenkonflikten, und als die
k. und k. Monarchie 1908 Bosnien und Herzegowina annektierte, die
zwar von Österreich-Ungarn verwaltet wurden, aber formal zum
Osmanischen Reich gehörten, erhielten Gruppen, die von einem
großserbischen Reich träumten, Auftrieb. Vor allem Bosnien mit etwa
40 Prozent serbischer Bevölkerung galt ihnen als Teil Serbiens; die
k. und k. Monarchie als Besatzer. Nachdem
am 28.6.1914 der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und
seine Frau während eines Besuches im bosnischen Sarajevo von einem
serbischen Attentäter erschossen wurden, nutzten diejenigen in Wien,
die schon länger den serbischen Nationalismus mit einem Krieg
ausschalten wollten, ihre Chance: Sie forderten den Einsatz
österreichisch-ungarischer Ermittler in Serbien – eine Preisgabe
serbischer Souveränität. Dieser Forderung kam Serbien nicht nach, am
28.7.1914 erklärte daraufhin Österreich-Ungarn den Krieg – dieser
löste den Ersten
Weltkrieg aus.
Die Eroberung Afrikas
Das Innere Afrikas war schwer zugänglich und galt über Jahrhunderte
ohnehin aus klimatischen Gründen als für Europäer unbewohnbar; die
großen Flüsse wie der Zaire, der Kongo oder Sambesi waren mit
Wasserfällen für Schiffe unpassierbar; auch gab es keine derart
begehrten Güter wie die Gewürze Asiens, die abenteuerlustige Naturen
dazu bringen konnten, diese Hindernisse zu überwinden. So drangen
zunächst nur Handelskarawanen
und afrikanische
Sklavenjäger in das Innere des Kontinents vor; europäische
Ansiedlungen blieben lange auf die Küsten sowie den Norden und Süden
Afrikas mit seinem Mittelmeerklima beschränkt.
Die niederländische
Kapkolonie im Süden Afrikas litt unter dem
Niedergang der Niederlande und der Ostindischen Kompanie am Ende des
18. Jahrhunderts, und als 1795 ein britisches Geschwader bei
Kapstadt landete, ergab sie sich fast kampflos. Der Verbot
des Sklavenhandels war für die Buren, die sich als Herrenvolk
sahen mit naturgegebenen Rechten, über die Schwarzen zu herrschen,
eine Demütigung. Die Briten waren aber militärisch überlegen; und so
brachen ab 1835 die Buren mit mehreren Trecks ins Innere
des Kontinents auf. Nach Kämpfen mit den dort ansässigen Zulus
gründeten sie schließlich zwei Buren-Republiken (Transvaal und den
Oranje-Freistaat), die 1852 von den Briten anerkannt wurde. Als nach
1867 dort Diamanten und Gold gefunden wurden, flammten die Konflikte
zwischen Briten und Buren wieder auf und führten 1899 zum Krieg, den
die Briten gewannen. Um die Loyalität der besiegten Buren zu
gewinnen, opfern die Briten die Rechte der Schwarzen: Diese erhalten
in der Verfassung von 1910 kein Wahlrecht. Die ersten Wahlen in der
“Südafrikanischen Union” gewannen 1913 die
burischen Parteien, und Premier Louis Botha weist den schwarzen
Südafrikanern Reservate in ihrem eigenen Land zu; 1923 werden auch
schwarze Arbeiter in bestimmte Wohngebiete in den Städten verbannt.
Im 19. Jahrhundert begannen dann aber doch protestantische
britische Missionare, das Innere Afrikas zu erkunden. Am
bekanntesten wurde David Livingstone, der unter
anderem die Victoriafälle im Sambesi entdeckte und als erster
Europäer Afrika von Küste zu Küste durchquerte. Andere Forscher
entdeckten die großen Seen und kartierten den Kongo und den Niger.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde Afrika dann auch aus
wirtschaftlichen Gründen interessant: Rohstoffe wie Kupfer sollte es
hier in großen Mengen geben, auch Baumwolle, Palmöl und Gummi wurden
immer gefragter. Deutschland wollte zudem nach Afrika, da Amerika
und Asien bereits aufgeteilt war; in Frankreich erwachte neues
Interesse an seinen Kolonien; Newcomer wie Italien und Belgien
wurden ebenfalls aktiv. England fürchtete um seinen Einfluss. Um
einen Krieg zwischen den Kolonialmächten zu vermeiden (der den
Afrikanern womöglich gezeigt hätte, dass diese nicht unverwundbar
sind) wurde auf der Berliner Konferenz 1884/85 Afrika in
Interessengebiete eingeteilt: England strebte eine Nord-Süd-Achse an
(der britische Unternehmer und Politiker Cecil Rhodes, einer der
führenden britischen Akteure, plante eine Eisenbahn von Kairo zum
Kap); Frankreich wollte Gebiete vom Westen nach Osten, von Dakar bis
Dschibuti. Nach der Konferenz begannen die Staaten, “ihre”
Territorien – soweit noch nicht geschehen – zu erobern. Deutschland
kolonialisierte Deutsch-Südwestafrika (das heutige Namibien),
Kamerun und Togo sowie Deutsch-Ostafrika (das heutige Tansania).
1898 waren England und Frankreich bei der Verfolgung ihrer
Achsenideen beim sudanesischen Ort Faschoda
aufeinandergestoßen. Ein Krieg konnte knapp vermieden werden, beide
einigten sich im Sudanvertrag auf ihre jeweiligen Einflussgebiete –
damit war Afrika endgültig verteilt. Im frühen 20. Jahrhundert war
fast ganz Afrika europäischer Herrschaft unterworfen, unabhängig
blieben nur Äthiopien und Liberia.
China und Japan
Der Niedergang des Qing-Reiches und der
Aufstieg Japans
Das Qing-Reich litt nach 1800 zunehmend unter Bauernaufständen, die
gegen steigende Geldforderungen (wegen teurer Kriegszüge und
zunehmender Korruption) gerichtet waren. Unermesslich reich waren
aber die Händler in Kanton am Perlfluß (dem heutigen Guangzhou):
Tee, Seide und Porzellan waren im Westen derart begehrt, dass den
Briten das Silber auszugehen drohte. Die Briten begannen, Opium nach
China zu schmuggeln, das die East India Company in
Bengalen anbauen ließ. Millionen Menschen verfielen der Droge. Als
der vom Kaiser nach Kanton entsandte Lin Zexu 1839 20.000 Kisten
Opium beschlagnahmte und in den Perlfluss kippte, schickte
Großbritannien ein Strafkorps: Im “Opiumkrieg” 1840
bis 1842 unterwarf dieses die technisch hoffnungslos unterlegenen
chinesischen Truppen; Großbritannien erhielt neben einer
reichlichen Entschädigung die Insel Hongkong und erzwang die
Öffnung weiterer chinesischer Häfen für den Handel, darunter
Shanghai. 1856 zogen Briten und Franzosen unter einem Vorwand und im
Schatten des Taiping-Aufstandes (siehe unten) erneut in den Krieg
mit China, sie gelangten 1860 bis Peking und zerstörten den
kaiserlichen Sommerpalast. Sie erzwangen faktisch die Legalisierung
der Einfuhr von Opium und erweiterten Zugang für westliche Mächte
zum Handel mit China.
Ähnlich erging es Japan. Ab Anfang des 19.
Jahrhunderts erreichten immer mehr ausländische Schiffe das weitgehend
abgeschottete Land, und japanische Häfen wurden unter
Gewaltandrohung geöffnet; dem Land von den USA und Russland
ungünstige Handelsverträge (die es 1861 auch mit Frankreich und
Preußen abschließen musste) aufgezwungen, die im Land bald
"ungleiche Verträge" genannt wurden. Der Streit um die Haltung
gegenüber den Ausländern führten zu einem Bürgerkrieg, der 1868 mit
der Absetzung des Shogun endete. Die Sieger übernahmen im Namen des
gerade einmal 15-jährigen Tenno (Kaisers) Mutsuhito die Macht und
versuchten, unter der Devise "Meiji" (erleuchtete
Herrschaft) das Erfolgsrezept der Fremden zu verstehen und das beste
hiervon mit ihrem eigenen Erbe zu verbinden. Eine große, hochrangig
besetzte Delegation reiste durch Europa und die USA und lernte;
Japan wurde zur ersten nichtwestlichen
Industrienation. Zugleich wurde die von 20.000 Ainu, Jägern
und Sammlern, bewohnte Insel Ezo im Norden Japans als Hokkaido
kolonisiert, Kohlefunde erleichterten den Aufbau einer
Schwerindustrie.
In China ging die Geschichte anders aus. Zahlreiche Chinesen
verließen im 19. Jahrhundert ihr Land und verdingten sich als Kuli
in anderen asiatischen Ländern oder in Amerika. Im Jahr 1850 führten
die Krise des Qing-Reiches und die erzwungene Öffnung zum Taiping-Aufstand,
dem mit 20 bis 30 Millionen Toten größten Bürgerkrieg der
Geschichte. Angeführt von dem charismatischen Hung Xiuquan, der sich
seit seiner Begegnung mit einem Missionar für den jüngeren Bruder
Jesu hielt, nahmen zehntausende Aufständische eine Reihe
südchinesischer Städte ein und schließlich Nanking, die alte
Hauptstadt des Ming-Reiches. Darauf begannen die chinesischen
Herrscher ernsthaft mit der Bekämpfung des Aufstandes; sie sollten
Mittel- und Südchina für Jahre in ein Schlachtfeld verwandeln. 1864
hatte die alte Ordnung schließlich gesiegt; und Li Hongzhang
versuchte, mit den Westmächten zusammenzuarbeiten – und
gleichzeitig von ihnen zu lernen; China wollte sich nach westlichem
Vorbild modernisieren. Der Versuch blieb jedoch regional begrenzt
und verlief im Sande.
1894/95 verlor China einen Krieg gegen Japan, das inzwischen
Sendungsbewusstsein entwickelt hatte und Korea aus chinesischer
Hand befreien wollte. Damit verlor China endgültig sein Ansehen bei
den westlichen Großmächten. Diese siedelten nun Industrien an,
legten Eisenbahntrassen an und verkauften ihre Konsumgüter im ganzen
Land. 1900 kam es zu Angriffen von “Boxer” genannten Aufständischer
gegen Ausländer; dieser “Boxeraufstand” wurde von
einer Armee der Großmächte niedergeschlagen. In den Folgejahren
musste China etwa die Hälfte seines Haushalts für
Entschädigungszahlungen ausgeben.
Ab 1905 versuchte die Kaiserwitwe Cixi, noch einmal, China
umfassend zu reformieren – zu spät, denn 1911 wurde sie – bzw. der
erst fünf Jahre alte Thronerbe Pu Yi, für den sie seit 1908 das Amt
führte – bei einem erneuten Aufstand abgesetzt. 1912 wurde China
Republik, ihr erster Präsident war Sun Yatsen. Er blieb – auf
eigenen Wunsch – nur sechs Wochen im Amt, sein Nachfolger war der
General Yuan Shikai. Dieser ließ bald Sun Yatsens Nationale
Volkspartei (Kuomintang) verbieten und wurde zum Diktator. Aber er
konnte China nicht zusammenhalten, Tibet und die Mongolei erklärten
ihre Unabhängigkeit. Japan
konnte dagegen 1904/05 einen Russisch-Japanischen Krieg
um seine Interessen in China und Korea gewinnen: es versenkte bei
Tsushima im Pazifik die russische Flotte und wurde damit zum ersten
asiatischen Land, das eine europäische Großmacht schlug. Russland
musste die Halbinsel Liaodong und die Südhälfte der Halbinsel
Sachalin abgeben. 1910 besetzte Japan Korea, und 1914, mit Ausbruch
des ersten Weltkriegs, riss Japan die deutsche Kolonie in Shandong
an sich. China dagegen zerfiel nach Yuan Shikais Tod im Jahr 1916
faktisch in Herrschaftsgebiete zahlreicher warlords, also
selbsternannter Kriegsherren.
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Die beiden großen Weltkriege (1914 bis 1945)